3.000 Bauern droht Verlust ihres Bio-Status
Bis zu 3.000 Landwirten droht in Österreich ab Jänner 2020 der Verlust ihres Bio-Status. Sie fürchten um ihre Existenz, wenn ihre biologisch viel aufwendiger hergestellte Milch nur mehr als konventionelle Ware verkauft werden darf.
Das große Dilemma ist: Die EU-Kommission hat bei einer Prüfung, ob die europäische Bio-Verordnung vollinhaltlich umgesetzt wurde, eine bis dato gültige Ausnahme-Regelung für die Weidehaltung ersatzlos und ohne Übergangsfrist gestrichen.
„Es ist natürlich legitim, wenn Richtlinien verschärft werden, aber wir brauchen ein Zeitfenster, damit wir unseren betroffenen Bio-Bauern unter die Arme greifen können“, sagt Martin Frühwirth, selbst Bio-Landwirt und Delegierter bei der Vereinigung „Bio Austria“.
Auslauf
Konkret geht es um einen Paragrafen, der Auswirkungen auf die Bio-Erzeugung und im weiteren Sinn auf die Lebensmittelsicherheit in Österreich haben dürfte. Rinder, Schafe oder Ziegen müssen laut EU-Bioverordnung während der Vegetationsperiode auf der Weide gehalten werden, wann immer es die Umstände erlauben.
Allerdings können nicht alle heimischen Bio-Bauern die Bestimmung auf Punkt und Beistrich einhalten, weil ihre Wiesenflächen kilometerweit vom Bauernhof entfernt liegen. Bisher hat die EU-Kommission die Erreichbarkeit und die Entfernung berücksichtigt.
„Schon alleine, wenn man die Tiere nur über eine Bundesstraße auf die Weide treiben muss, ist das eine Challenge. Das ist oft sehr gefährlich. Man benötigt dafür drei bis vier Leute“, sagt Frühwirth. Er selber hat das Glück, dass mehrere Flächen an sein Anwesen in Etlas bei Arbesbach im Bezirk Zwettl angrenzen.
„Ich setze daheim auf Wechselgrünland. Alle fünf Jahre werden bestimmte Flächen zu Äcker. Dabei muss ich exakt planen, damit ich meine 38 Kühe immer auf die Weide bringe“, erklärt Frühwirth. Andere Bio-Bauern blicken in eine unsichere Zukunft. „Weil manche ihren Hof mitten in der Ortschaft und ohne direkten Zugang zu ihren Flächen haben, können sie die Nutztiere nicht so leicht raustreiben“, erklärt Frühwirth.
Er wünscht sich als Lösungsansatz ein Punktesystem, das darstellen soll, ob Landwirte weiterhin biozertifiziert bleiben können. „Wer mit Plus- und Minuspunkten eine Grenze überschreitet, soll weiterhin Bio-Bauer sein dürfen“, sagt Frühwirth.
Hausverstand
Niederösterreichs Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf und EU-Abgeordneter Alexander Bernhuber (beide ÖVP) forderten bei Gesprächen in Brüssel „eine brauchbare Lösung mit Hausverstand“. In der Pflicht sei jetzt das Gesundheitsministerium als oberste Lebensmittelaufsicht des Landes. Für Pernkopf ist aber klar, „dass die Biobauern nichts falsch gemacht haben.“
Aus seiner Sicht ist nicht einsehbar, dass Spielregeln, an die sich alle halten, „plötzlich bürokratisch geändert werden“, so Pernkopf. Er verweist auf Deutschland, wo die Ausnahme-Regelung für Bio-Bauern nach wie vor Gültigkeit hat.
Auf Druck der Kommission wird in Österreich auch die bisherige Regelung für die generelle Erlaubnis zur Enthornung oder zum Kupieren der Tiere abgeschafft. Künftig sind nur mehr Einzelgenehmigungen möglich. Der dritte Einwand der EU-Kommission betrifft die Überdachung der Auslaufflächen. Es dürfen künftig nur mehr 75 Prozent überdacht sein und nicht, wie bisher, 90 Prozent.
Andrä Rupprechter, Direktor für Gemeinsame Agrarpolitik im Generalsekretariat des EU-Rates und früherer Agrarminister, geht davon aus, dass die Bio-Verbände mit der Kommission bis Jahresende eine Lösung finden. Betroffen seien vor allem die Bauern in Ober- und Niederösterreich, wo Weideflächen oft weit auseinander liegen.
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