30 Jahre Donauinsel: Vom Abfallprodukt zur Hauptattraktion
Die einen zählen Schafe, die anderen trinken heiße Milch. Der 36-jährige Wiener Christoph Richter hat seine eigene Methode, mit Schlaflosigkeit umzugehen: Er zieht seine Inline-Skates an und düst los, weg von seiner Wohnung, über den Donaukanal und noch ein Stückchen weiter, spürt den nächtlichen Fahrtwind im Gesicht, bis er – endlich – die Donauinsel erreicht. Diese grüne Erholungslandschaft, die ihn jedes Mal ruhig und entspannt werden lässt. Sodass er, zurück zu Hause, in tiefen Schlaf fällt.
Zum Ausflugsziel – meist zwar untertags – hat sich die Donauinsel in den vergangenen Jahrzehnten definitiv etabliert. Bis zu 190.000 Besucher bevölkern manchmal gleichzeitig das naturbelassene Eiland mit seinen elf Amphibien-, 29 Libellen- und 43 Fischarten in den umliegenden Gewässern.
Dabei war die Insel gar nicht als Freizeitattraktion geplant. Die Donauinsel ist ein Nebenprodukt des Hochwasserschutzes, der vor 46 Jahren begonnen und vor exakt 30 Jahren abgeschlossen wurde.
Warum der Bau notwendig war? Hochwasser richteten immer wieder starke Schäden in der Stadt an. Die zunächst gesetzten Maßnahmen – eine Begradigung der Donau, ein Hochwasserdamm und ein Überschwemmungsbecken – brachten keinen zuverlässigen Schutz. Nach dem Jahrhunderthochwasser 1954 wurde eine effektivere Lösung gesucht. Diese lieferte dann Architekt August Zottl.
Drei Wehranlagen schützen
Seine Idee wurde Realität: Kurz erklärt, wurde ein Entlastungsgerinne mit einem Einlaufwerk und zwei Wehranlagen errichtet. Das Einlaufwerk befindet sich bei Langenzersdorf, wo die Neue Donau vom Hauptstrom abzweigt (siehe Grafik). Bei Normalwasser ist es geschlossen. Bei Hochwasser (ab einem Pegelstand von 5,2 Metern in Korneuburg) fließt Wasser über dieses Werk in die Neue Donau. Über die zwei Wehranlagen kann der Rücklauf des Wassers in den Hauptstrom reguliert werden. Die Donauinsel entstand durch das Aushubmaterial des Entlastungsgerinnes. „Eigentlich war sie also ein Nebenprodukt“, erzählt WilfriedFellinger, für den die Insel nicht nur Freizeit, sondern auch Arbeit bedeutet.
Wilfried Fellinger war 1985, also drei Jahre vor Fertigstellung, als Techniker zur MA 45 (Wiener Gewässer) gekommen. Geplant war das nicht. „Ich wollte ja eigentlich beim Bau der U-Bahn helfen. Aber weil ich Asthma habe, wurde mir davon abgeraten. Ich kam dann zufällig zur MA 45.“ Heute ist er froh, dass er beim Bau des „Jahrhundertprojekts“ dabei sein durfte. „Ich war zuständig für das Wehr 2, das Auslaufwehr im Süden (auf Höhe des Ölhafens in der Lobau, Anm.). Ich war vom anderen Teil der Stadt und hab’ das Gebiet erst durch meine Arbeit hier kennengelernt.“
Dass die Donauinsel kein Stück ungenütztes Land blieb – dafür sorgten die Wiener selbst. Bereits während der Bauarbeiten kamen sie vorbei, nahmen Picknickkorb und Badeanzug mit und verbrachten hier ihre Freizeit.
30 Jahre Donauinsel
An Bedürfnisse angepasst
Darauf reagierte die Stadt. Im Zuge des Wettbewerbs „Donaubereich Wien“ wurde festgelegt, dass der Norden und Süden der Insel naturnahe Bereiche bleiben sollten, dass die Bebauung auf ein Mindestmaß be- und die sportliche Nutzung eingeschränkt werden sollte. „Die Pläne wurden also mitten im Bau noch einmal geändert. Ich weiß nicht, ob es das heute so geben würde. Ursprünglich war zum Beispiel die Böschung viel steiler geplant gewesen, also im Verhältnis 1:2 geneigt“, sagt WilfriedFelllinger. „Sie wurde erst später abgeflacht und gestaltet. “
Zeitgleich wurde auf Höhe der Reichsbrücke auch Sand am gegenüberliegenden Ufer aufgeschüttet – die Copa Cagrana war geboren.
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