Zocken um jeden Preis

Zocken um jeden Preis
150 Wettlokale sind der Linzer Politik eindeutig zu viel. Während die Parteien wettern, versuchen die Spieler weiter ihr Glück.

Wie lange sie schon vor ihrem Stamm-Spielautomaten sitzt, kann die 35-jährige Sabine (Name von der Redaktion geändert) nicht sagen. Ihr Zeigefinger schwebt wahrscheinlich seit Stunden über ein und derselben Taste und wartet auf den richtigen Moment, der den großen Geldsegen bringen soll.

Während bunte Symbole über den Bildschirm rattern, steigt und sinkt ihr Gewinn schneller als der griechische Aktienindex. 115 Euro sind es bisher, die sie nach einem langen Arbeitstag durch unermüdliches Drücken am Automaten gewonnen hat. Ihr Einsatz: „Ich habe den Überblick verloren, aber es dürften so etwa 50 Euro gewesen sein. Das kann ich verkraften.“ Die Köchin sucht beim Spielen die Entspannung. Süchtig sei sie auf keinen Fall, betont sie, gibt aber zu: „Manchmal lässt es mich einfach nicht los.“ Einmal habe sie 1100 Euro gewonnen – ein seltener Glücksgriff, ist ihr bewusst.

Teufelskreis

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Jeder österreichische Haushalt gibt pro Jahr durchschnittlich 1000 Euro für Glücksspiele aus, so der Wiener Arbeiterkammer-Experte Karl Kollmann.

In Oberösterreich sind pro Jahr 130 Spielsüchtige bei der Schuldnerberatung in Behandlung. Während sich die Durchschnittsverschuldung auf etwa 7000 Euro beläuft, stehen Spielsüchtige mit der fast doppelten Summe in der Kreide, weiß Schuldnerberater Ferdinand Herndler. Meist seien Männer zwischen 25 und 40 Jahren betroffen. Hinter derart hohen Schulden stecke ein Teufelskreis, der mehrere Phasen habe, erklärt er: „In der Gewinnphase ist Euphorie die treibende Kraft. Die Verzweiflungsphase am Ende geht bis zur Existenzvernichtung. Die Leute denken dann, dass sie nur durch hohe Gewinne ihre hohen Verluste wieder ins Lot bringen können und setzen noch risikofreudiger. In dieser Phase gibt es den kompletten Kontrollverlust.“

Politische Gegenwehr

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In Linz werden Stimmen gegen Wettlokale laut. Rund 150 gebe es in der Landeshauptstadt, schätzt die Gemeindepolitik und setzt sich für schärfere gesetzliche Rahmenbedingungen ein. Den Stein hat die ÖVP ins Rollen gebracht. Die neue Rechtsansicht aus dem Ministerium besagt, dass Wettlokale als „freie Gewerbe“ unter die Landeskompetenz fallen. Diese Bezeichnung sei aber nur ein Feigenblatt, hinter dem man unkontrolliert arbeite, meint Klubobmann Thomas Stelzer. Diese Wendung nutzen die Landesjuristen in der Übergangsphase für einen Gesetzesentwurf, die die freien Gewerbetreibenden aus der Grauzone holt. „Wir wollen in diesem Chaos endlich Ordnung in das System bringen“, betont Stelzer.

Wolfgang Hattmannsdorfer von der Linzer ÖVP möchte alle Gemeindeparteien, die Exekutive und die Wirtschaftskammer an einen Runden Tisch bitten, um des „Wildwuchses“ gemeinsam endlich Herr zu werden. Die Polizeiinspektion Lenaupark habe ihm geschildert, dass es an der Wiener Straße massive Probleme gebe. „An sich sind die Lokale nicht anrüchig, aber uns fallen anrüchige Personen auf, die wir wegen Delikten wie Rauschgifthandel, Raub und Körperverletzung aufgreifen“, erklärt Chefinspektor Hermann Rohm.

Die Aufregung um ihr Etablissement kann eine Angestellte aus einem Linzer Wettlokal nicht verstehen: „Natürlich rechne ich jeden Tag damit, überfallen zu werden. Aber wenn man sich da einschüchtern lässt, dürfte man gar kein Geschäft betreiben. Ungute Leute gibt es überall, nicht nur unter den Spielern.“

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