„Wollen multiresistente Keime aus Abwasser holen“

Der Schmutz sickert nach unten. Ulrich Kubinger demonstriert, wie seine Schmutzwasserreinigung funktioniert.
Jeder will sauberes Wasser haben. Mit seiner Firma VTA ist der Rottenbacher Ulrich Kubinger weltweit unterwegs, um Abwässer von Kläranlagen zu reinigen. Und das mit großem Erfolg. Denn der Spezialist ist unglaublich innovativ.

Ulrich Kubinger (61) stammt aus Wendling (Bez. Grieskirchen). Sein Vater war Elektriker in der voestalpine, die Mutter Hausfrau. „Den Rückhalt hatte ich bei meiner Großmutter, sie hatte einen Bauernhof.“ Er hat die HTL in Wels besucht. „Seit 1976 habe ich mit Kläranlagen zu tun.“ 1992 hat er in Rottenbach sein Unternehmen VTA gegründet, was Verfahrenstechnologische Abwasseraufbereitung heisst.

KURIER: Warum haben Sie sich selbständig gemacht?

Ulrich Kubinger: Ich habe 1990 bei BASF in Ludwigshafen im Bereich der Polymerchemie gearbeitet. Ich habe gesehen, dass es mit dieser neuen Technologie so viele Möglichkeiten gibt. Ich habe Komponenten miteinander verbunden und das erstmalig bei einer Kläranlage in Vorchdorfgetestet, wo wir phänomenale Ergebnisse erzielt haben. Ich habe mich dann 1992 mit gar nichts außer einer Idee selbständig gemacht.

Was machen Sie anders als die anderen?

Die anderen sind Chemiekonzerne, die ein Nebenprodukt veräußern. Ich beschäftige mich gezielt mit der Herstellung von geeigneten Produkten. Wir haben im Bereich der Klärung von Abwässern die größte Mainpower. 230 Mitarbeiter beschäftigen sich Tag für Tag damit, wie wir die Abwässer von Gemeinden oder Betrieben wirtschaftlicher und effizienter reinigen können. Wir schauen uns das biologisch und chemisch an, und machen dann gezielt ein Produkt für genau diese Kläranlage. Unser Interesse ist nicht viel Chemie zu verwenden, sondern ein wirksames, schnell wirkendes Produkt anzubieten. Wir optimieren vor allem biologische Prozesse. Dafür haben wir die entsprechenden Werkzeuge. Wir sind Verfahrenstechniker mit eigenen Produktionen im In- und Ausland. In unserer Branche sind wir die größte Firma.

Mit wie vielen Kläranlagen haben Sie schon gearbeitet?

2000 bis 3000 weltweit. Die weitesten waren in Mexiko, Chile und Ostasien. In unserem Bereich geht vieles über Mundpropaganda. Wenn wir kontaktiert werden, schauen wir uns das an, ob wir etwas machen können. Wir können oft auch nichts machen, denn wie sollen wir das Wasser reinigen, wenn einfach nur ein Rohr ins Meer mündet?

Was können Sie, was andere nicht können?

Ich kann Menschen motivieren. Ich bin ein gerader Michl, ich bin ehrlich. Ich sage jedem, was ich mir denke.

Ich bin als Chemiker ein Vordenker, ich habe 68 Patente.

Darüber hinaus müssen Sie über Managementfähigkeiten verfügen.

Das logische Denken und der Hausverstand helfen mir sehr viel. Der Hausverstand ist bei vielen Menschen verloren gegangen. Bei uns sind eins und eins zwei. Wenn einer sagt, das sind 3,7, dann soll er Recht haben. Aber ich glaube es nicht. Wir sind eine ganz ehrliche Firma. Für das, was wir leisten, brauchen andere Betriebe drei Mal so viele Leute wie wir. Ich behandle die Mitarbeiter so wie ich selbst gerne behandelt werden würde. Sie sind am Erfolg beteiligt. Ich halte den Respekt und die persönliche Zuwendung, mit denenen wir ihnen gegenüber treten, in einer digitalisierten Welt aufrecht. Wir sind urkonservativ.

Weil Sie selbst urkonservativ sind?

Ich bin ein gläubiger Christ. Ich hatte das Glück, drei Mal weiterleben zu dürfen. Ich hatte sechs Herzstillstände. Da wird man sehr gläubig.

Was bedeuten die sechs Herzstillstände für Sie?

Ich hänge sehr an meiner 13-jährigen Tochter. Sie hängt auch an mir. Dann kommen meine Mitarbeiter. Die VTA ist keine Firma, sondern eine Familie. Der ehrliche, tiefgründige Familiencharakter ist in den meisten Firmen durch die Profitsucht verloren gegangen.

Und Sie sind der Patriarch?

Ich bin der Vater des Unternehmens.

Ihr Unternehmen liegt an der Bundesstraße 137 und ist ein kompletter Neubau. Wie viele Millionen haben Sie hin eingesteckt?

Viele. Ich habe alles selbst bezahlt. Dafür brauchen wir keine Bank.

Sie haben eine Schwäche. Sie leisten sich hier im Unternehmen ein italienisches Restaurant, das sich auf Hauben-Niveau bewegt.

Das Unternehmen verfügt über zwei Küchen, die für manche Mitarbeiter schöner sind als das, was sie zu Hause haben. Es wird nicht nur gut gekocht, sondern Essen und Trinken sind für sie frei. Wir sind sehr sozial. Das italienische Restaurant ist ein Dankeschön für unsere Kunden. Die Tradition, ein Essen in Ruhe, Friede und Treue gemeinsam einzunehmen, ist vielfach verloren gegangen.

Italien ist Ihre Schwäche.

Italien ist für die meisten Menschen in unserer Region ein Land der Sehnsucht. Es ist schön, das Klima und das Meer. Man verbindet damit das deutsche Wirtschaftswunder.

Unsere erste Reise ging nach Italien, mit einem Puch 650.

Ihr Restaurant heißt Amalfi. Ist das für Sie die schönste Region?

Ja, das ist mit Abstand das Schönste. Positano. Ich fahre aber nicht regelmäßig hin. Ich habe nun schon fünf Jahre keinen Urlaub gehabt.

Wenn Sie in die Firma gehen, ist das für Sie wie Urlaub?

Wenn die Tochter wo hinfahren will, mache ich das. Wir haben aber hier alle Möglichkeiten. Wir haben wunderbare Seen, Oberösterreich ist ein wunderbares Land. Wir haben hier alle Sicherheiten.

Haben Sie ein Hobby?

Ja, die Firma. Das zu sehen, etwas schaffen dürfen zu können, was den Menschen hilft und uns begeistert.

Sie sind nun 61 Jahre alt. Wie sieht Ihre mittelfristige Vision aus?

Wir haben noch viel zu tun. Zum Beispiel im Umweltschutz. Es ist uns nun gelungen, das bei Kläranlagen entstehende CO2 abzubauen. So fallen zum Beispiel bei der Kläranlage in Kitzbühel jährlich 400 Tonnen CO2. Um das abzubauen, bräuchte man 32.000 Laubbäume. Solche Kläranlagen wie in Kitzbühel haben wir in Österreich rund 1000. Wir haben nun ein Produkt auf Kalziumbasis entwickelt, das in die Kläranlage hin einkommt und das CO2 sofort zu Kalziumkarbonat bindet. Hier haben wir einen Beitrag zum Klimaschutz geliefert, den kaum jemand kennt.

Wir wollen da weitere Akzente setzen. Ein wichtiger Bereich sind multiresistente Keime, die besonders in der Umgebung von Zuchtfarmen, die viele Antibiotika verwenden, entstehen. Wir können zwar aus dem Abwasser Trinkwasser zu machen, können aber nicht die Garantie bei der Verkeimung des Wasser übernehmen. Unsere Zukunftsaufgabe ist es, multiresistente Keime aus dem Wasser heraus zu bekommen. An diesen Keimen sterben inzwischen mehr Menschen als bei Verkehrsunfällen. Das wird oft verschwiegen.

Wir stellen nun für diesen Bereich Forscher ein. Im Jänner beginnt einer vom Frauenhofer-Institut in Berlin. Weitere werden folgen. Wir richten dafür ein neues Labor ein. Wir wissen auch schon ungefähr, wo die Reise hingeht, aber es ist nicht einfach.

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