„Wir wollen in Linz eine Technik-Uni“

„Wir wollen in Linz eine Technik-Uni“
IV-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch will mehr männliche Pädagogen im Kampf gegen den Techniker-Mangel.

Joachim Haindl-Grutsch ist Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreich.

KURIER: Die Industrie beklagt den  Facharbeitermangel. Ähnliche  Aussagen gibt es in den USA und Ostasien. Alle haben dasselbe Problem.
Joachim Heindl-Grutsch: Man sollte die Jugend für Technik begeistern, beginnend in der Krabbelstube bis hin zur Universität. Die Frauen sollten stärker angesprochen werden. Man sollte versuchen, die Älteren länger im Job zu behalten. Die Potenziale der Migranten müssten auch gehoben werden.

Wie wollen Sie Kinder für die Technik begeistern? Mit Legospielen?
Die langfristige  Lösung ist, dass es auch wieder Kindergärtner gibt und nicht nur Kindergärtnerinnen.

Männer sind offener gegenüber Technik?
Sie haben einen natürlichen Zugang zur Technik, zu Autos, Maschinen und  Elektronikspielzeug. Der Bereich der Kindergärtnerinnen und der Lehrer ist fast ausschließlich frauendominiert. Warum? Weil diese Arbeit schlecht bezahlt ist. Die Männer sind nicht mehr präsent, die Kinder wachsen damit nur mit einem weiblichen Weltbild auf. Langfristig muss der Job  der Pädagogen attraktiver werden. Wir brauchen die besten Lehrer, die besser bezahlt werden.

Unser großer Vorteil im weltweiten Wettbewerb ist das duale Ausbildungssystem der Lehre. Hier gibt es aber Schwächen bei den Zuwanderern.
Wir müssen die Migranten besser ausbilden. Wenn sie in ihrer Bildungskarriere beim Hauptschulabschluss hängen bleiben, dann kommt es gar nicht zur Lehre. Der Anteil der Jugendlichen, die maximal Pflichtschulabschluss haben, liegt bei 15 Prozent. Darunter  sind viele Migranten, die nicht einmal eine Lehre machen. Wir müssen die Internationalität viel stärker nutzen. Österreich verliert derzeit 5000 hoch qualifzierte junge und leistungsorientierte Leute netto pro Jahr. Das heißt, es gehen mehr weg als hereinkommen.
 Österreich liegt als Zuzugsland für Hochqualifzierte nicht auf der Landkarte. Die Ursache liegt in der Ausländerpolitik der vergangenen Jahrzehnte. Österreich ist aufgrund seines Sozialnetzes für Ausländer interessant. Wir sind aber nicht interessant für Top-Leute. Warum sollen diese Leute nach Österreich kommen?  Eine  schöne Landschaft gibt es in anderen Ländern auch.
Man hat für diese Leute auch keine Politik gemacht. Wir ziehen keine Top-Leute an. Auch unsere Universitäten ziehen keine keine Top-Studenten an.

Die Wirtschaft sagt, die Technikausbildung hat Vorrang vor  der geforderten Medizin-Uni.
Definitiv.

An der Linzer Uni gibt es die Technisch-naturwissenschaftliche Fakultät (TNF) und  in Hagenberg den Software-Park von Professor Buchberger. Die Wirtschaft forciert eine Technik-Uni Linz.
Wenn Minister Töchterle entscheidet, dass es in Österreich einen weiteren Standort für eine Medizin-Ausbildung geben soll, was wir bezweifeln, dann soll das Linz sein. In jedem  anderen Fall hat die Technik allererste Priorität.  Die langfristige Zielsetzung   ist die Errichtung einer Technik-Uni  in Linz.   Wir wissen, dass diese Vision  leider kurzfristig  nicht realisierbar ist. Wien und Graz haben viele Vorteile, weil sie eine Technik-Uni haben. Das sind Marken, die Leute gehen dorthin studieren.

Sie wollen die Technisch-naturwissenschaftliche Fakultät (TNF) aus der Kepler-Universität ausgliedern und mit Hagenberg zusammen eine Technik-Uni installieren?
 Für die Industrie  wäre das mit Abstand am besten. Bis die Technik-Uni realisiert ist, ist es wichtig,  markenmäßig für die TNF einen österreichweiten Auftritt  zu schaffen.  Die Linzer Kepleruniversität hat ein Positionierungsproblem.  Sie ist von der Tradition her ein universitärer Nahversorger für jene, die aus dem Umkreis einpendeln. Wir bekommen aber zu wenig Studenten von auswärts. Sei es aus anderen Bundesländern, sei es international.  Das Tempo der Entwicklung der Universität ist zu gering.

Das  hängt auch am Geld.

Das hängt auch am Geld, aber man müsste die Universität stärker pushen. Man müsste die Vorteile  der gemeinsamen Uni viel stärker nach außen tragen: die Nähe zur Industrie, die Interdisziplinarität mit Wirtschaft und Recht, die Campus-Situation. Wir wollen, dass die Studenten in die Welt hinausgehen und woanders studieren. Sie sollen dann  zurückkehren und sich im Master-Studium Schritt für Schritt auf den Berufseinstieg vorbereiten. Das ist ein Anreizmodell.
Die Schere zwischen der industriellen Entwicklung und  jener der Universität geht stärker auseinander. Die Industrie geht in immer fernere Märkte. Das heißt, dass die Forschung und die Mannschaft immer internationaler werden.  Das  passiert in einem hohen Tempo. Die Bildung und Forschung muss im selben Tempo mitziehen und im selben Tempo internationaler werden. Das findet aber nicht stark. Das Bewusstsein, dass sich hier eine Kluft  auftut, ist nicht stark genug. Oberösterreich ist lobbyingmäßig in Wien nicht gut genug aufgestellt, es kämpft für Forschung und Unis nicht gut genug.
  Wenn man in der Wissenschafts-Community nicht breit genug aufgestellt ist,  hat man auch zu wenig Breite, um Projekte und Geld zu bekommen. Die Wiener und Grazer sind hier deutlich erfolgreicher. Unsere Kleinheit ist ein Nachteil. Deshalb muss die Kepler-Universität massiv ausgebaut werden.   

Viele Leute studieren auch das Falsche. Sie drängen zu Tausenden in die Publizistik, wo es kaum Jobs und noch dazu schlecht bezahlte gibt, während zu wenige Technik studieren, wo  die Berufsaussichten sehr gut sind.
Das ist nicht nur ein österreichisches Problem, sondern eines der westlichen Industrienationen. In den entwickelten, saturierten  Volkswirtschaften ist Technik mühsam, aufwendig und anstrengend. In den Entwicklungsländern wie Indien  oder China ist Technik der Weg zum Wohlstand.
Dazu kommt, dass es bei uns kein Lenkungssystem gibt. In Südkorea erspart sich der Technikstudent zum Beispiel die Wehrpflicht. Man müsste auch bei uns entsprechende Anreize setzen.

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