Warum bricht gerade jetzt Inflation aus? Weil eine erhöhte Geldmenge auf ein gleich bleibendes Angebot trifft?
Die Pandemiehilfen waren in Summe zu großzügig und haben zu einer Überhitzung geführt. Das Angebot konnte mit der Nachfrage nicht mithalten. Der Ukraine-Konflikt hat natürlich auch dazu beigetragen. Häufig wird der Eindruck vermittelt, auch von der Europäischen Zentralbank (EZB), dass alleine der Ukraine-Konflikt der Grund für die Inflationsraten ist. Das ist aber nicht korrekt. Denn die Inflationsraten waren schon im Jänner extrem hoch. Die EZB hätte schon viel früher Gründe gehabt, um mit dem Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik zu beginnen.
Die Experten in der EZB wissen genau, was sie tun, sie sind alles andere als Naivlinge. Es bleibt nur die Schlussfolgerung, dass sie Zinserhöhungen aus Rücksichtnahme auf Länder wie Frankreich, Italien oder Griechenland vermieden haben.
Das ist aber nicht Aufgabe der EZB. Es steht in den EU-Verträgen, dass sie einen Hauptauftrag hat: die Wahrung der Preisstabilität, die Wahrung der Kaufkraft unserer Euros. Zurzeit hat man aber nicht den Eindruck, dass die EZB alles tun würde, um die Inflation zu bekämpfen.
Die Schweizer Nationalbank hat bei einer Inflationsrate von drei Prozent den Leitzins erhöht. Die EZB ist bei der fast dreifachen Inflationsrate der Meinung, dass das nicht so ein großes Problem ist. Und sie sagt gleichzeitig, weniger die Inflation als vielmehr die steigenden Zinsen der Anleihen der südeuropäischen Staaten seien das Problem. Dort müsse man intervenieren. Es wurden Maßnahmen gegen die Fragmentierung der Euro-Zone in Aussicht gestellt. Was nichts anderes heißen wird, dass sie wieder Anleihen dieser Länder kauft. Das heißt, die Geldmenge wird wieder ausgeweitet.
Das zeigt, dass die EZB nicht mit voller Kraft gegen die Inflation vorgeht, sondern sie versuchen wird, Preissignale der Kapitalmärkte einzudämmen. Es soll nicht so sein, dass Italien mehr Zinsen zahlt als die anderen Länder der Eurozone. Dabei wären die Preissignale bei Staatsanleihen wichtig, damit ihre disziplinierende Wirkung auf die Budgets zum Tragen kommt.
Die Staaten haben zu wenig Druck, ihre Budgets zu sanieren.
Das führt zur Frage, was sie die vergangenen zehn Jahre gemacht haben, um ihre Budgets zu sanieren bzw. das Problem ihrer steigenden Staatsverschuldung zu lösen. Sie haben nichts gemacht. Die Verschuldung ist sogar gestiegen. Wie soll dann das Verschuldungsproblem jemals gelöst werden?
Die Befürchtung ist, dass die EZB eine Weginflationierung der Schulden möchte. Warum soll man das nicht wollen? Weil wir alle das zahlen. Das sehen wir gerade. Wir zahlen in Form der Inflation eine kollektive Steuer zur Rettung des Euro.
Hauptbetroffen sind die Menschen, die wenig verdienen.
Inflation ist das Unsozialste, was es gibt. Sie trifft die Schwächsten am stärksten. Jene, denen diese Menschen am Herzen liegen, müssten sich vehementest für eine disziplinierte staatliche Haushaltsführung einsetzen. Und für eine EZB, die die Inflation mit allen Mitteln bekämpft. Aber wenn ich die politische Bühne betrachte, ist das nicht so. Es ist eine traurige Ironie, dass das nicht erkannt wird. Die finanzielle Nachhaltigkeit scheint kein moderner Begriff zu sein. Obwohl Nachhaltigkeit ein Modewort ist.
Die Zinserhöhungen der Zentralbanken wird vermutlich eine wirtschaftliche Rezession auslösen.
Es ist sehr wahrscheinlich geworden, dass die USA in eine Rezession schlittern werden. Ob das die Euro-Zone trifft, ist eine offene Frage. Es wird jedenfalls einen stark dämpfenden Effekt auf die Konjunktur haben. Eine Rezession wäre sicherlich da, wenn wir eine Zuspitzung der Erdgas-Situation hätten.
Ein kompletter Lieferstopp hätte massivste Auswirkungen auf Österreich, und natürlich noch viel stärker auf Oberösterreich. Oberösterreich wäre eine der Regionen in Europa, die am härtesten getroffen wäre.
Manche sagen, die FED nimmt eine Rezession in Kauf, um die Inflation einzufangen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Ja, das muss sie auch. Man muss Maßnahmen gegen eine Inflation von acht, neun Prozent setzen. Die große Angst vor der Inflation besteht darin, dass das Ende der Inflation fast immer eine Rezession ist. Deshalb sollte man sie von Anfang an vehement bekämpfen. Die FED geht derzeit von einer kurzen Rezession aus. Die Frage ist, was die EZB vorhat. Denn sie nimmt jetzt keine Rezession in Kauf und lässt die Inflation laufen. Sie hofft, dass die Inflation von alleine zurückkommt. Das ist eine hochriskante Strategie. Sie kann aufgehen. Wenn sie nicht aufgeht, werden wir über längere Zeit hohe Inflationsraten haben, was unseren Wohlstand deutlich senken wird.
Am Ende dieser Entwicklung wird dann doch auch eine Rezession stehen, aber eine viel stärkere und längere. Dieses Risiko sollte eine Notenbank nicht eingehen. Sie sollte eher eine kurze Rezession in Kauf nehmen und keine Hochrisikostrategie verfolgen.
Was soll jemand machen, der über ein bisschen Geld verfügt? Mit dem Sparbuch trifft ihn die Inflation voll. Aktien und Anleihen sinken, der Goldpreis geht seitwärts.
In Inflationsphasen kann man nur versuchen, in Vermögenswerte zu investieren, die einigermaßen zu einem Werterhalt beitragen. Es ist nicht realistisch, in so einer Phase noch Geld zu verdienen. Historisch betrachtet sind Realwerte wie Aktien, Immobilien und Rohstoffe am ehesten werterhaltend. Ich bin der Überzeugung, dass Aktien gerade jetzt attraktiv sind.
Sollte der Anleger nicht noch warten, bis der prognostizierte Kursrutsch von weiteren 20 Prozent vorbei ist?
Das kann passieren, es ist aber schwierig, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Aus Bewertungssicht sind Aktien heute deutlich attraktiver bewertet als vor einem Jahr. Aktien sind eine gute Absicherung gegen Inflationsentwicklung. Vor allem, wenn es Firmen sind, die Güter verkaufen, die die Menschen benötigen, wie Nahrungsmittelunternehmen. Die sogenannten Value-Aktien, eher langweilige Titel, sind momentan ein gutes Investment, um über die Inflationsphase hinwegzukommen. Aber auch die großen Technologietitel sind heute attraktiver bewertet. Natürlich kann es Rückschläge geben.
Wie kann sich der Einzelne sonst noch gegen die Inflation wappnen?
Inflation, sprich steigende Preise, bedeuten, dass es ein Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage gibt. Steigen die Preise, bleibt vielen nichts anderes übrig, als Ausgaben umzulenken oder zu reduzieren. Wir befinden uns in einer unangenehmen Situation, es ist nun einmal so, dass wir alle ärmer werden. Das heißt, wir müssen lernen, wieder zu sparen und zu verzichten.
Wir kommen in eine Phase, die wir schon lange nicht gehabt haben, wo der Staat auch nicht mehr im Sinne einer Vollkaskoversicherung uns vor jedem Schaden schützen kann. Es war eine Illusion zu glauben, Staaten, Firmen und Private könnten ihre Schulden stetig erhöhen, ohne zur Kasse gebeten zu werden. Die Zeit der großen finanziellen Unbekümmertheit ist vorbei.
Warum spricht das niemand aus? Es gibt einen Politiker, der das gemacht hat: der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck, der gesagt hat, wir werden alle ärmer. Warum sagt das kein österreichischer Politiker?
Jetzt könnte man sagen, jeder bekommt die Politiker, die er verdient. Vielleicht heißt das auch, dass wir Österreicher das nicht hören wollen. Allerdings haben wir es vermutet und jetzt spüren wir es auch noch. Ich bin auch verwundert darüber. Die Lage ist ziemlich ernst. Im Winter könnte sie noch viel ernster werden. Darauf sollten wir vorbereitet sein.
Würde sich die Situation verbessern, wenn der Krieg in der Ukraine vorbei wäre?
Es würde bei den Energiepreisen zu einer Entspannung führen und hätte einen positiven Effekt auf die Inflationsrate. Aber die Grundprobleme würden nicht verschwinden. Meine Hauptsorge ist die Mentalität, die hinter den Schuldenbergen steckt. Österreich kann sich einen Schuldenberg von 90 oder 100 Prozent des BIP (derzeit 80 % des BIP) leisten. Das Problem ist die Haltung, dass jedes Problem der vergangenen Jahre durch neue Schulden gelöst wurde. Das heißt, der Schuldenberg steigt. Man erkennt nicht den Wert einer disziplinierten Haushaltspolitik, man erkennt nicht den Wert einer stabilen Währung. Der Staat verkörpert das auch. Es geht nur um die Frage, wofür man immer mehr Geld ausgeben soll. Bürger und Lobbygruppen verlangen das auch. Es ist ein trauriger Wettkampf um die Kreditkarte der Republik.
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