„Wir müssen an der Erneuerung der SPÖ arbeiten“
Michael Lindner hat Karriere gemacht. Mit 38 Jahren ist er Klubobmann und geschäftsführender Landesvorsitzender der Sozialdemokraten, im Herbst wird der Kefermarkter Birgit Gerstorfer als Landesrat in der Regierung nachfolgen.
KURIER: Sie wurden vom 45-köpfigen Landesparteivorstand einstimmig zum geschäftsführenden Landesparteichef bestellt. Das ist doch bemerkenswert in einer Partei, die von verschiedenen Interessensgruppen geprägt ist und stimmenmäßig am Boden liegt.
Michael Lindner: Mich freut diese Einstimmigkeit wirklich. Sie zeigt, dass alle an Bord sind und mithelfen wollen, die SPÖ Oberösterreich nach vorne zu bringen. Ich genieße dieses Vertrauen sehr gerne.
Die drei deutschen Experten, die das Wahlergebnis und ihre Ursachen untersucht haben, kommen zum Ergebnis, dass der Zustand der SPÖ „besorgniserregend“ ist. Teilen Sie deren Analyse?
Es liegt auf dem Tisch, dass wir mit dem Wahlergebnis von 18,7 Prozent nicht zufrieden sein können und dass wir unser Potenzial nicht ausschöpfen. Das hat die Analyse sehr ehrlich, offen und schonungslos auf den Tisch gelegt. Für mich ist sie Grundlage für einen weiteren Veränderungsprozess. Wir sind schon mitten drinnen.
Wo wollen Sie ansetzen?
Es gibt zwei Bereiche. Meine Übernahme des Parteivorsitzes ist ein Generationswechsel. Er setzt sich mit Sabine Engleitner-Neu als neuer Klubobfrau und Florian Koppler als neuem Landesgeschäftsführer fort. Ich glaube, dass ich damit neuen Schwung in die SPÖ bringen kann.
Wir müssen auch an einer politischen und inhaltlichen Erneuerung arbeiten. Wie gehen wir mit einem sozial gerechten Klimaschutz um? Wie gehen wir mit der Digitalisierung um? Roboter zahlen keine Steuer. Wer wird einmal unseren Sozial- und Wohlfahrtsstaat finanzieren? Die Arbeitswelten ändern sich massiv, Fragen wie die Vier-Tage-Woche, Scheinselbstständigkeiten etc. Wir brauchen darauf Antworten.
Stellen Sie auch den Anspruch, Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2027 zu sein?
Mit 2027 habe ich mich noch nicht beschäftigt. Ich habe mit dem zu tun, was unmittelbar vor mir liegt. Es geht um die Neuaufstellung der SPÖ. Wir brauchen auch ein neues politisches Zukunftsbild der SPÖ. Wie stellen wir uns Oberösterreich in den nächsten 10, 20 Jahren vor? Es wird eine inhaltliche Projektgruppe geben, ich werde neue, junge Menschen aus der Sozialdemokratie einbinden und präsentieren.
Die Gewerkschaft und die Linzer SPÖ sind die zwei wesentlichen Machtträger in der Landespartei. Das Analysepapier hat den Einfluss der Gewerkschaft als zu groß definiert. Ihre Macht hat sie neuerlich demonstriert, als sie die Ablöse Ihrer Vorgängerin Birgit Gerstorfer verlangt und umgehend durchgesetzt hat.
Ich pflege ein sehr gutes und offenes Verhältnis zur Gewerkschaft. Ich habe in den vergangenen 14 Monaten bewiesen, dass ich sowohl mit der Gewerkschaft, als auch mit der Linzer SPÖ gut zusammenarbeiten kann. Mein Ziel ist es, hier einen neuen Boden zu legen und eine neue Zusammenarbeit zu schaffen.
Wäre man bösartig, müsste man sagen, Sie müssen zuerst immer den Linzer Bürgermeister und den Arbeiterkammerpräsidenten Andreas Stangl fragen gehen. Andernfalls haben Sie ein Problem.
Man muss Entscheidungen immer gut austarieren. Das ist in jeder Partei so, so ist das politische Geschäft. Ich fühle mich nicht unter Druck gesetzt, ich bin sehr unbekümmert und locker.
In der Analyse heißt es, die SPÖ soll sich auf ihren Markenkern konzentrieren. Was ist für Sie der Markenkern?
Die große Frage der sozialen Gerechtigkeit stellt sich nach der Corona-Krise deutlicher denn je. Dieser Markenkern ist sicher ein wenig in den Hintergrund gerückt.
Früher war die SPÖ eine Arbeiterpartei. Nun wählt der Großteil der Arbeiter FPÖ. Sollte man die Arbeiter nicht zurückgewinnen?
Die Arbeitswelt hat sich massiv verändert. Der Industriearbeiter von heute ist nicht mehr der der 1970er-Jahre. Ihnen gemeinsam ist, dass sie abhängig beschäftigt sind. Die Arbeitsverhältnisse haben sich auch geändert, sie sind nicht mehr so dauerhaft wie vor 30, 40 Jahren. Wir brauchen dafür neue Antworten und Lösungen.
Die jungen Menschen engagieren sich heute stark in der Umweltbewegung, Beispiel ist Fridays for Future. Sie tendieren eher zu den Grünen als zur Sozialdemokratie.
Wir müssen wieder zu einer Fortschrittspartei in allen Lebenslagen werden. Wir müssen uns auch diesen sozialen Bewegungen widmen. Ich glaube, dass wir von ihnen lernen können, egal wie sie heißen. Wir haben intensiven Kontakt zu jenen Schülerinnen und Schülern, die sich für eine freiwillige mündliche Matura aussprechen. Diese Bewegungen anzusprechen, wird eine unserer Herausforderungen sein.
Auf Bundesebene lähmt sich die SPÖ selbst durch den Konflikt zwischen Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil. Was sagen Sie dazu?
Ich bin kein Zurufer, sondern ein Anpacker. Es ist meine Aufgabe, mich um die SPÖ Oberösterreich zu kümmern und diese stärker zu machen. Wir wollen einen wichtigen Beitrag leisten, dass wir auch bei einer Nationalratswahl wieder stärker abschneiden. Personaldebatten lenken von inhaltlich-politischen Diskussionen ab.
Das Ziel bei der Landtagswahl im Herbst war ein Ergebnis von 20 Prozent plus und das Überholen der FPÖ, um so zweitstärkste Partei zu werden. Ist das auch Ihr Ziel?
Ich bin politisch aktiv geworden, weil ich in dem Glauben lebe, dass es eine Gesellschaft geben kann, in der es allen Menschen gut geht. Wenn ich hier in der Funktion als Landesvorsitzender einen Beitrag leisten kann, mache ich das mit viel Herz und Leidenschaft. Dafür müssen wir stärker werden. Mit 18 Prozent und einem Regierungsmitglied kann man nicht zufrieden sein.
Keine Prozentzahlen?
Keine Prozentzahlen. Wenn wir mit mehr Abgeordneten 2027 in den Landtag einziehen, bin ich sehr, sehr zufrieden.
Kommentare