Wie die Dinge sein könnten

Der Kasperl und Seppy liegen am Sofa
Es gibt Tage, an denen Kasperl und ich nur herumlungern. Von Christa Koinig.

Manchmal spielen wir mit dem Handy, aber das mag Omama nicht. Sie sagt, wir sollten lieber etwas lesen, das wäre gut für die Fantasie. Aber Fantasie, was ist das? Das muss mir Omama unbedingt erklären, aber jetzt gerade sitzt sie nur da und schaut ins Leere. Das ist fast ein bisserl unheimlich. Sie ist sonst immer so quirlig. Und sie kann so vieles. Omama näht Kleider und Hosen, strickt Hauben, sie kann fast alles reparieren. Puppen, Teddys, alte Kuscheltiere und kaputtes Spielzeug, alles macht Omama wieder heil. Und sie erfindet viele Geschichten. Ich weiß gar nicht, wie viele Bücher man damit schon füllen könnte.

Reise in das Innere

Omama geht viel spazieren, liebt ihre Yoga-Stunden und feiert gern Feste im Kreis unserer kunterbunten Familie. Und sie macht die beste Topfentorte auf der ganzen Welt. Allein wenn ich daran denk’, läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Aber jetzt sitzt sie da und tut nichts. Wirklich nichts! Das passt gar nicht zu ihr, und ich wollte gerne wissen, ob es ihr eh gut geht. „Seppy, es geht mir gut, und ich schaue nicht ins Leere. Ich horche in mich hinein. Ich fühle, wie mein Herz schlägt und ich spüre meinen Atem, ich genieße den Augenblick. Es ist wie eine Reise in mein Innerstes.“ Aber wir sind doch Puppen, und wir haben kein richtiges Herz und atmen tun wir auch nicht in echt. Warum kann Omama das spüren? „Seppy, ich versuche, es mir vorzustellen, wie es wäre, ein Mensch zu sein. Siehst du, das nennt man Fantasie. Fantasie ist die Fähigkeit, sich Dinge vorzustellen, wie sie sein könnten.“

Christa Koinig ist künstlerische Leiterin des Linzer Puppentheaters

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