„Werden bis 2030 keine höheren Zinsen sehen“
Alois Wögerbauer (52) ist Geschäftsführer der 3 Banken Generali Investmentgesellschaft, die rund 12,5 Milliarden Euro an Kundengeldern verwaltet. Zudem ist er Manager des erfolgreichen Österreich-Fonds.
KURIER: Der Finanzminister möchte die Kapitalertragssteuer (KESt) von 27,5 Prozent auf Aktiengewinne bei einer Mindestbehaltefrist von länger als einem Jahr beseitigen. Das ist doch Musik in Ihren Ohren?
Alois Wögerbauer: Das ist wünschenswert. In Zeiten, in denen die Inflationsrate bei fünf Prozent liegt und sich bei drei Prozent einpendeln wird, und der Zins in den nächsten Jahren bei null Prozent liegt, ist jede Förderung der privaten Vorsorge mit Wertpapieren zu begrüßen. Ich glaube nicht, dass die Einjahresfrist halten wird. Es wird einen Kompromiss geben. Ich wäre auch mit drei Jahren zufrieden, denn nach drei Jahren ist man kein Spekulant mehr, sondern Anleger.
Man könnte das Thema viel größer denken. Derzeit dürfen Verlustvorträge nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden. Warum sollen sie nicht für ein Vorsorgedepot mit einem Maximalbetrag möglich sein? Es muss etwas passieren, damit der Österreicher mit Wertpapieren steuerlich nicht benachteiligt vorsorgen kann.
Wenn man die KESt bei Aktien beseitigt, müsste man sie konsequenterweise auch bei Sparbüchern beseitigen. Die Sparer erhalten sowieso schon kaum Zinsen.
Ja und nein. Bei Aktien hat der Anleger Risiken, beim Sparbuch weniger. Zudem werden die Dividenden bei Aktien weiterhin besteuert, sie sind mit den Sparbuchzinsen vergleichbar.
Zum Thema finanzielle Repression. Alle, die Gelder am Sparbuch haben oder Besitzer von Anleihen sind, verlieren aufgrund der Inflation jährlich an Wert. Das ist offensichtlich eine gezielte Politik der Zentralbanken.
Und sie ist nicht neu. Sie hat vor zehn Jahren begonnen. Und setzt sich fort. Ich glaube nicht, dass wir in diesem Jahrzehnt Zinsen sehen werden, die höher sind als die Inflationsrate. Das Finanzsystem ist so gebaut, dass man aus diesem Eck ganz schwer rauskommt.
Die amerikanische Zentralbank FED hat Zinserhöhungen in drei Schritten von jeweils 0,25 Prozentpunkten angedeutet. Manche reden von zwei Schritten, manche von vier. Die Inflationsrate ist in den USA mit aktuell sieben Prozent noch höher als bei uns.
Die Amerikaner werden im ersten Halbjahr die erste Zinserhöhung durchführen. Mit Jahresende müsste der Zins bei 0,75 Prozent liegen. Sie verschaffen sich Spielraum. Sie haben es einfacher, weil die gesamten USA eine Zinspolitik haben. Die Europäische Zentralbank EZB hat kommuniziert, dass sie durchtauchen wird. Sie sagt, dass die Inflationsrate 2023 unter zwei Prozent liegen wird. Das ist eine Ansicht, die umstritten ist.
Ich bin mir nicht sicher, ob man diese Art der Inflation mit einer Zinserhöhung bekämpfen kann. Denn die Inflation, die wir derzeit sehen, kommt von der Energieseite, den steigenden Gaspreisen, den Problemen bei den Lieferketten etc. Was wäre anders, wenn die EZB den Zins um ein halbes Prozent erhöht? Würden dann die Energiepreise sinken?
Das Aktienjahr 2021 ist sehr gut gelaufen. Was erwarten Sie für heuer?
Wir gehen nicht davon aus, dass Aktien bewertungsmäßig teurer werden, denn der Höhepunkt der Geldmengenausweitung liegt hinter uns. Wir glauben auch nicht, dass sie billiger werden, denn der Anlagedruck ist international groß. Das heißt, es drängen Gelder in den Aktienmarkt. Die Märkte werden gleich teuer bleiben. Die Konsensmeinung beim Gewinnwachstum der Unternehmen liegt bei acht Prozent. Das bedeutet für 2022 eine Ertragserwartung von acht Prozent.
Wenn man 50 Jahre zurückgeht und sich ansieht, wie die Aktienmärkte in welcher Phase reagiert haben, zeigt sich, dass sie am schlechtesten in Deflationsphasen abschneiden (Preise gehen zurück, Nachfrage ist geringer als das Angebot, Anm. d. Red.). In Zeiten mit einer Inflation von null bis ein Prozent sind die Aktienmärkte durchwachsen, ähnlich bei einer Inflation von mehr als vier Prozent. Am besten laufen die Aktienmärkte bei einer Inflationsrate von zwei bis vier Prozent. Das heißt, die Wirtschaft wächst, die Firmen bringen ihre Preise durch, etc. Wenn sich die Inflation nun bei zwei bis vier Prozent einpendelt, ist das für die Aktienmärkte eine gute Nachricht.
Neben den Aktien profitiert der Immobilienmarkt von den Nullzinsen. Das hat zur Folge, dass sich junge Menschen heute kaum eine Eigentumswohnung bzw. ein Haus leisten können. Eine Negativerscheinung des billigen Geldes.
Die Inflation, die man aufgrund der Maßnahmen der Notenbanken erwartet hätte, hat stattgefunden. Vor allem bei Grund und Boden und am Immobilienmarkt. Und bei den Anleihekursen. Auf der anderen Seite muss man fairerweise entgegenhalten, dass auch die Kreditzinsen tief sind.
Was empfehlen Sie einem Anleger?
Im ersten Schritt soll er sich überlegen, wie viel seines Vorsorgekapitals er in ein, zwei Jahren braucht. Das, was er wahrscheinlich nicht benötigt, sollte er einem Investment zuführen. Er sollte sich prüfen, über welche Risikotragfähigkeit er verfügt. Die eine ist die persönliche, psychologische, die andere die finanzielle. Drittens würde ich eine möglichst aktienlastige Strategie aufbauen. Möglichst breit gestreut. Sie beginnt bei 40 bis 50 verschiedenen Aktien. Wer das nicht will, ist mit Fonds bestens beraten.
Es gibt auch die Möglichkeit, in monatliche Ansparpläne zu investieren. Auch höhere Beträge kann man monatlich aufteilen. Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn man nicht weiß, wie die nächsten Wochen laufen.
Die österreichische Börse hat mit einem Gewinn von mehr als 38,87 Prozent 2021 sehr gut abgeschnitten. Wie sehen Sie die heurige Entwicklung?
Sehr positiv. Der Trend Richtung Industrie, Banken und Versicherungen wird weiter anhalten. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12 liegt deutlich unter dem Schnitt (Europa 16, USA 20). Die Dividendenrendite liegt bei 3,5 %.
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