„Von der Lethargie in den Schwung kommen“

Markus Achleitner
Landesrat Markus Achleitner will Oberösterreichs Wirtschaft als Folge der Corona-Krise breiter aufstellen. Er setzt unter anderem auf Biomasse und Fotovoltaikanlagen.

Markus Achleitner (51) führt seit eineinhalb Jahren das Wirtschaftsressort der Landesregierung. Vorher war der Wirtssohn und Obmann der Trachtenmusikkapelle Neukirchen bei Lambach Generaldirektor der oberösterreichischen Thermenholding.

KURIER: Corona hat die Wirtschaft Oberösterreichs stark getroffen. Die Halbjahresbilanzen von Vorzeigeunternehmen wie der voestalpine, Lenzing oder Polytec sind alle negativ.

Markus Achleitner: Corona war nach 1945 der Einschlag, den es so noch nie gegeben hat. Oberösterreich verdient zwei von drei Euro im Export. Im vergangenen Jahr haben wir die 40-Milliarden-Euro-Grenze überschritten. Daran sieht man unsere Abhängigkeit von der vernetzten Welt.

Zunächst ging es um Krisenbewältigung: die Menschen in Arbeit zu halten und die Betriebe durch die Krise zu tragen. In der zweiten Phase soll die Konjunktur angekurbelt und Investitionsanreize gesetzt werden, um aus der Krise heraus zu kommen.

Die Hilfsmaßnahmen sind sowohl vom Bund als auch vom Land grosso modo richtig gesetzt worden. Manches hätte schneller gehen können, das darf man ganz offen sagen. Manche Branchen wurden brutal getroffen wie der Tourismus, der Automobilsektor und die Flugzeugindustrie. Es gibt andere Bereiche, die sehr gut performen wie die Kunststoffindustrie, die Lebensmittelindustrie oder die Bauwirtschaft.

In welcher Entwicklungsphase befinden wir uns derzeit?

Wir sind in einer Phase, in der zwei Aspekte wichtig sind: Vorsicht und Zuversicht. Wir müssen wieder auf allen Ebenen in Schwung kommen. Sei es wirtschaftlich, sozial, sportlich oder kulturell. Wir müssen mit dem Virus leben lernen, wir müssen aber auch das tun, was wir sonst immer getan haben. Wir können uns nicht ein Jahr selbst einsperren. Es darf sich in der Gesellschaft nicht eine gewisse Lethargie breit machen.

Die Zurückhaltung ist ja von der Regierung und den Behörden instruiert worden. Die Menschen sollen zu Hause bleiben, sich ein Homeoffice einrichten, sie wurden in Kurzarbeit geschickt. Es ist alles runtergefahren worden.

Die Regeln hat das Virus gemacht, wir haben geschaut, dass wir das Virus eindämmen, damit es uns nicht so ergeht wie in Italien oder in Spanien. Das ist gut gelungen. Jetzt haben wir die wirtschaftlichen Auswirkungen. Wir sollten vorsichtig sein und wieder alles tun: konsumieren, fortfahren und die Freizeit verbringen. Das Virus wird uns länger begleiten, als uns lieb ist. Es ist eine wichtige Aufgabe von uns allen, hier wieder in Schwung zu kommen. Wir müssen nun Sicherheit und Halt geben, auf der Basis von Unsicherheit. Das ist unsere Aufgabe, in der Politik wie in der Wirtschaft wie in den Vereinen.

Sie haben den Tourismus als einen der hauptbetroffenen Wirtschaftszweige angeführt. Aber der Tourismus im Salzkammergut läuft derzeit sehr gut.

Der Tourismus ist eine der am härtesten getroffenen Branchen, zum Teil ist er es noch immer. Es gibt Bereiche, die nach wie vor schwierig sind wie das Eventgeschäft, Reisebusse, Nachtgastronomie, das Catering, die Stadthotellerie. Im Sommertourismus merkt man, dass die Leute raus wollen. Es war immer richtig, in Oberösterreich Urlaub zu machen, aber so richtig wie heuer war es noch nie. Die Buchungslagen in den Urlaubslagen sind wirklich sehr gut.

Es war richtig, dass wir in den vergangenen Jahren viel in den Tourismus investiert haben. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Nächtigungen um 26 Prozent gesteigert. Wir haben hier eine Sonderstellung, denn mehr als die Hälfte der Urlauber sind aus Österreich gekommen.

Von den Unternehmen kam teilweise heftige Kritik an den Hilfsmaßnahmen: zu bürokratisch, langwierige Verfahren, keine bzw. verspätete Auszahlungen.

Man muss ein gewisses Verständnis haben, denn es hat dafür keine Blaupausen gegeben. Beim Arbeitsmarktservice (AMS) waren Anfang März zwei Mitarbeiter für die Kurzarbeit zuständig. Zum Höhepunkt der Krise war jeder zweite Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Rund 360.000. Es war eine Herkulesaufgabe die Anträge administrativ abzuarbeiten. Das AMS hat in kurzer Zeit dafür 300 Mitarbeiter zur Verfügung gestellt. Die Aufarbeitung dauert eine gewisse Zeit.

Ein Teil der Hilfen wurde über die Wirtschaftskammer abgewickelt. Auch daran gab es von Unternehmern Kritik.

Die Abwicklung des Härtefonds erfolgte über die Kammer, die Aufgaben des Staates übernommen hat, sie hat es sehr gut gemacht. Die Hilfen wurden zwar medial schnell verkündet, es hat aber teilweise Wochen gedauert, bis die Richtlinien für die Durchführung vorgelegen sind. Erst dann konnte man die Förderungen ausbezahlen. Inzwischen ist das weitgehend erledigt. Beim AMS sind 96 Prozent ausbezahlt.

Oberösterreich ist besonders stark in der Automobil-Zuliefer-Industrie. Als es gut lief, war das alles kein Problem. Jetzt ist die Autoindustrie in der Defensive. Ist diese Stärke nicht eine zu einseitige Abhängigkeit?

Oberösterreich ist deshalb die Nummer eins unter den Bundesländern, weil wir sehr breit aufgestellt sind. Wir haben nicht nur die Automobilbranche, sondern auch die Flugzeugindustrie, die Kunststoffbranche, die Lebensmittelbranche. 50 Prozent der Kunststoffe Österreichs werden in Oberösterreich hergestellt. Der automotive Bereich ist sehr stark, das soll er auch bleiben. BMW hat 2019 allein im Standort Steyr 360 Millionen Euro investiert.

Als Learning aus der Krise müssen wir uns zukünftig sicher diversifizierter aufstellen. Indem wir die Stärkefelder weiter entwickeln wollen.

In welchen Bereichen?

Die erneuerbaren Energieträger sind ein Stärkefeld. Wir müssen bis 2030 das gesamte Energiesystem auf erneuerbare Energie umstellen. Jeder vierte Biomassekessel, der in Europa verkauft wird, kommt aus Oberösterreich. Wir wollen auf jedem Dach eine Fotovoltaikanlage montieren.

Der Großteil des 580-Millionen-Hilfspakets des Landes sind Haftungen, die von den Unternehmen nicht in Anspruch genommen worden sind. War das nicht ein Schuss in den Ofen?

Das Paket enthält eine Vielzahl von Maßnahmen. Eine davon ist die Haftungsübernahme für Großbetriebe, wenn sie benötigt wird. Das ist wie bei einer Versicherung. Niemand wird sich beschweren, wenn das Haus nicht abbrennt und es trotzdem mit einer Feuerversicherung für den Fall der Fälle abgesichert ist.

Wenn wir die Haftungsübernahmen nicht benötigen, ist mir das sehr recht, denn es zeigt, dass die Unternehmen besser durch die Krise kommen als wir das erwartet haben.

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