"Verbannt Stinker aus den Zentren"

Umweltmediziner Professor Manfred Neuberger
Der Umweltmediziner Manfred Neuberger rät zu radikalen Maßnahmen im Kampf gegen Stickoxide.

Wegen massiver Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) sind Linz, aber auch die Republik Österreich im Visier der EU. Empfindliche Strafen drohen. Das Umweltbundesamt rät der Landeshauptstadt zur Installierung einer Umweltzone, in der nur die schadstoffärmsten Autos unterwegs sein dürfen. Studien des renommierten Wiener Universitätsprofessor Manfred Neuberger belegen massive gesundheitliche Folgen durch belastete Atemluft.

KURIER: Herr Professor, Ihre Untersuchungen über die Gefährlichkeit von Auto-Emissionen werden in der Linzer Umwelt-Debatte von Befürwortern radikaler Maßnahmen zitiert. Manfred Neuberger. Ja, ich habe schon vor vielen Jahren eine Studie für den Magistrat Linz gemacht und vor nicht allzu langer Zeit eine weitere für den Umweltlandesrat Anschober.

Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?

Linz hat bereits viel gemacht und auch schöne Erfolge gehabt. Man hat in Sachen Hausbrand gut reagiert. Als wir eine Gefährdung und Belastung bei Kindern festgestellt haben, wurde im Franckviertel die Versorgung mit Fernwärme eingeführt. Die Großbetriebe Voest oder die Chemie Linz haben gut reagiert und die Situation ist besser geworden.

Wie sehen Sie die aktuelle Situation? Die WHO gibt an, dass in Österreich jährlich 2400 Menschen wegen der Stickoxidbelastung sterben. Gefährlich sind nicht nur Stickstoffdioxide, sondern auch der extreme Ultrafeinstaub, für den es leider keine Schwellenwerte gibt. Natürlich ist das eine wesentliche Gesundheitsbedrohung, auch in Linz.

Welche Reaktionen sollte es darauf geben?

Am besten wäre natürlich eine Umweltzone einzurichten, wo nur mehr Euro6 -Autos (höchste Stufe, Anm. d. Red.) in der Abgasnorm zugelassen werden. Am idealsten wären überhaupt Elektrofahrzeuge und so viel eben geht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu transportieren. Wir haben genug Strom aus Wasserkraft und Windenergie. Man muss auch für die Infrastruktur sorgen und etwa in den Tiefgaragen genug Steckplätze installieren, damit die Autos über Nacht aufgeladen werden können.

Wie lauten daher Ihre Forderungen? Schafft die Stinker aus den Ballungszentren. Die Argumente, wir können uns das nicht leisten, könnte man volkswirtschaftlich rasch widerlegen. Eine gesündere Bevölkerung, die nicht wegen Asthma und anderer Erkrankungen ins Spital muss, bringt Gewinn.

In Linz hat sich die Politik samt Bürgermeister Klaus Luger aber aus wirtschaftlichen Gründen gegen eine Umweltzone im betroffenen Stadtviertel ausgesprochen. Ich glaube, dass es eher um das Schielen nach Wählerstimmen geht. Man muss auch aufpassen, nicht auf Parteien hineinzufallen, die etwa die Tempofreiheit als persönliche Freiheit propagieren. Das würde auf Kosten Unbeteiligter passieren. Luftbelastung und mehr Unfälle sind nicht zu akzeptieren.

Sehen Sie Lösungen für die Linzer Problematik?

Man sollte rasch energisch umschalten. Den Leuten Park-&-Ride-Anlagen außerhalb der Stadt anbieten. Wer eine Jahreskarte für die Linzer Linien hat, darf gratis parken. Tausende Mühlviertler drängen täglich in die Stadt. Für sie muss man umweltfreundliche Ersatzangebote schaffen. Zu einer Bahnstrecke Richtung Prag hat man eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht, gebaut wurde nichts. Maßnahmen für Linz müssen unbedingt mit dem Linzer Umland abgestimmt sein. Es gibt bereits viele positive internationale Beispiele.

Was halten Sie von Temporeduktion? Da zeigt Linz ja auf der Westautobahn und in den Stadteinfahrten Flagge. Je geringer das Tempo, desto geringer der schädliche NO2-Ausstoß. Bei der Luftaktion auf der Autobahn hätte man viel Geld sparen können. Man hätte einfach für die Länge des Stadtgebiets eine 100 km/h-Tafel anbringen müssen. Stattdessen hat man sündteure Überkopfwegweiser installiert, was ich für völlig überflüssig halte. In Salzburg haben die Temporeduktionen ja gezeigt, dass man ohnehin nur wenige Sekunden Zeit verliert. Von der Luftbelastung her bringen diese Maßnahmen aber wirklich sehr viel.

Glauben Sie, dass durch den publik gewordenen Abgasskandal in der internationalen Autoindustrie die Emissionswerte sinken werden?

Es ist gut, dass das aufgeflogen ist. Ich glaube, dass jetzt intensiver kontrolliert wird. Die Prüfungen werden sich auf die Qualität der Fahrzeuge positiv auswirken.

Aus den Medien kennt man Bilder aus Millionenstädten, wo sich die Menschen mit einem Mundschutz vor den Atemgiften schützen. Wäre das bei uns mancherorts angebracht?Nein, eigentlich nicht. Menschen, die etwa an COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Anmerkung der Red.) leiden, müssen sich vor Infektionen schützen. Mundschutz könnte da gelegentlich helfen. Asthmakranke, die in sehr belasteten Gegenden wohnen, werden vielleicht versuchen in eine gesündere Umgebung zu übersiedeln.

Was wäre für Sie ein Worst-Case-Szenario im aktuellen Diskurs um Stickoxide und Feinstaub?

Schlimm wäre, wenn es durch politische oder andere Umstände zu einem Rückschritt und zu einer schlechteren Luft kommen würde.

Kommentare