„Unternehmen sind schon vom Coronavirus betroffen“
Doris Hummer ist seit 2017 Präsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich. Die 46-jährige Unternehmerin war zuvor Landesrätin und Abgeordnete zum Landtag. Am 4./5. März wählen rund 100.000 Selbstständige die Gremien der Wirtschaftskammer neu.
KURIER: Es gibt Sorge um die Konjunktur, in Deutschland ebenso wie in Österreich. Spüren die Unternehmen den Abschwung?
Doris Hummer: Ja. Deutschland ist für uns der wichtigste Exportmarkt. Begonnen hat die Misere in der Automotive-Branche. Da gibt es die Problematik des Umstiegs auf die E-Mobilität, weiters sind die politischen Verfahren noch immer nicht ausgestanden. Das spüren die oberösterreichischen Zulieferbetriebe genauso wie die Autohändler. Die potenziellen Käufer warten ab, die Absatzzahlen fehlen.
Ist die Situation bereits so schlecht, dass der Staat darauf reagieren soll?
Wirtschaftswachstum beruht auf drei Säulen: auf dem Export, dem Konsum, der noch immer gut ist, und auf den Investitionen. Bei den Investitionen sehen wir eine große Zurückhaltung, das macht mir Sorge. Statt Neuinvestitionen kommt es hauptsächlich zu Ersatzinvestitionen, die Rationalisierungen sind, weil die Mitarbeiter fehlen. Eine ähnliche Situation hatten wir bereits vor ein paar Jahren, damals hatten wir einige Jahre ein Nullwachstum.
Es sollten Initiativen in der Entlastung gesetzt werden wie Steuersenkungen für Unternehmen, wie sie im Regierungsprogramm stehen. Aber auch Anreize wie ein Investitionsfreibetrag. Er sollte so rasch wie möglich umgesetzt werden.
Jörg Krämer, Chefökonom der deutschen Commerzbank, spricht im KURIER-Interview von zehn schwierigen Jahren. Wie ist Ihre mittelfristige Erwartung?
Eine Vorausschau ist ganz schwierig. Alleine durch den Corona-Virus stehen wir bei den Zulieferketten vor einer neuen Problematik. Es fehlen uns da und dort schon Zulieferungen aus China. Viele unserer großen Industriebetriebe haben ihre Werke auch in China, die jetzt stillstehen. Das trifft auch den Standort Oberösterreich.
Obwohl es hier noch keinen Erkrankungsfall gibt, ist Oberösterreich betroffen.
Das stimmt. Ich sehe die Verlangsamung des Wachstums kritisch, wir müssen schnell reagieren. Wir müssen die Konjunktur, die derzeit auf dem Konsum und dem Bau fußt, breiter absichern.
Dienstag und Mittwoch werden die Gremien neu gewählt. 2015 erhielt Ihr Wirtschaftsbund rund 65 Prozent der Stimmen. Was ist Ihr Ziel?
Das Ergebnis vom letzten Mal zu halten. Wobei der Mitbewerb mehr und stärker geworden ist.
Warum soll ein Unternehmer Sie wählen? Kann er Veränderungen erwarten oder soll alles so bleiben, wie es ist, weil alles gut ist?
Es ist hoffentlich eine Mischung aus beidem, weil ich mich nicht erst seit gestern für den Wirtschaftsstandort engagiere. Wir haben in den vergangenen zwei, drei Jahren gezeigt, wie wir Veränderung meinen. Gewählt werde nicht ich als Person, sondern gewählt wird mein Team. Das sind 1300 Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich wirklich für Ihre Branche ins Zeug hauen.
Ich meine es mit den Reformen ernst. Wir haben das Haus auf völlig neue Beine gestellt, wir haben die Umlagen gesenkt und alle Produkte, die wir anbieten, auf den Prüfstand gestellt. Zwei ganz wichtige Themen sind die Digitalisierung und die Demografie, sprich Fachkräfte. Wir bieten eigene Produkte wie die Duale Akademie an. Gemeinsam mit dem Land OÖ gehen wir strategische Projekte an.
Es sind bereits ein Drittel aller Mittelschulen technische und digitale. Mit Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck sind im Finale bei der Neugestaltung der Rot-Weiß-Rot-Card.
Michael Fürtbauer, Spitzenkandidat der Freiheitlichen Wirtschaft, beklagt zu viele Funktionäre in der Wirtschaftskammer. So hätten Sie die Zahl Ihrer Stellvertreter von zwei auf vier erhöht.
Ich stehe als Unternehmerin jeden Tag in meinem Geschäft. Ich halte es für ein Asset, dass hier Unternehmerinnen und Unternehmer den Kurs vorgeben. Oberösterreich ist ein starker Wirtschaftsstandort, wo es auch viele Repräsentationsaufgaben wahrzunehmen gilt. Zum Beispiel Eröffnungen oder Firmenjubiläen. Mit meinen vier Stellvertretern kann ich die Wünsche der Firmen erfüllen.
Ich habe mir mein Team so zusammengesetzt, dass wir keine blinden Flecken im Präsidium haben. Mit Clemens Malina-Altzinger haben wir die Industrie mit im Boot, mit Leo Jindrak das klassische Handwerk, Margit Angerlehner vertritt die Ein-Personen-Unternehmen und Frau in der Wirtschaft, Angelika Sery-Froschauer steht für die Werbebranche.
Ich selbst decke die Industrie einerseits und andererseits die Branche der Unternehmensberater und Marktforscher ab.
60 Prozent der Wirtschaftskammer-Mitglieder sind Ein-Personen-Unternehmen. Ist diese Entwicklung positiv oder negativ?
Sie ist so, wie sie ist. Ich finde es großartig, dass es eine Gesellschaft gibt, in der es so viel Unternehmergeist gibt.
Wir brauchen alle Unternehmensgrößen. Diese Dienstleistungsketten machen uns auch stark. Die Breite des Wirtschaftsstandortes hat uns in der Wirtschaftskrise 2008/’09 gut durchgeholfen.
Viele hören auch wieder auf.
Es gibt eine Änderung in den Beschäftigungsformen. Früher waren die Mitarbeiter bei einer Firma angestellt und sind dort in Pension gegangen. Wir haben heute eine Gesellschaft, in der es Wechsel zwischen Selbstständigkeit und Angestelltenverhältnis gibt. Deshalb ist der Schritt zum Ein-Personen-Unternehmen ein viel schnellerer. Das wird nicht weniger werden.
Die Neos sagen, neun Bundesländer-Kammern und eine Bundeswirtschaftskammer sind zu viel, denn das sind zehn, die alle dasselbe machen. Es genügten drei, vier Kammerstellen für ganz Österreich.
Das ist das typische Zentralismus-Denken, das einer Wien-gesteuerten Politik entspricht. Die Neos sollten sich die Zeit nehmen und eine Bezirksstelle besuchen. Wenn ich zum Beispiel in Rohrbach bin und sehe, welche Initiativen dort gesetzt werden, um Arbeitskräfte und Kaufkraft in der Region zu halten, dass der Ausbau des Breitbands rasch erfolgt, dann sehe ich, wie wichtig dezentrale Strukturen vor Ort sind.
Es gibt sicher auch Bereiche, wo es ein Leadkammermodell braucht, wo die Expertise von einzelnen Kammern übernommen wird. Es soll ganz klare Zuständigkeitsbereiche in den jeweiligen Kammern geben, das muss nicht alles in Wien sein. Wir und die Steiermark sind ein Industriestandort. Wir können Expertisen und Interessenspolitik vielleicht von diesem Standort viel besser machen als von der Bundeshauptstadt aus.
Maßgebliche Vertreter der Wirtschaft und der Bauern kritisieren die Sanktionen, die die EU wegen der Besetzung der Krim und der Ostukraine gegen Russland verhängt hat.
Meine Aufgabe ist Interessensvertretung für die Wirtschaft zu machen. Als Sprachrohr der Wirtschaft lehne ich diese Sanktionen ab. Sie schwächen unseren Standort. Jeder Handelspartner, den wir selbst aussperren, macht uns verletzlicher. Wirtschaftliche Zusammenarbeit kann Gräben auch wieder schließen. Wir sollten versuchen, mit Russland in ein neues Fahrwasser zu kommen.
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