Teures Posting im sozialen Netzwerk

Hält das kürzlich gefällte Urteil, könnten leichtsinnige Postings und Verlinkungen in sozialen Netzwerken künftig teure Konsequenzen für die User haben.
Mann setzte Link auf kreditschädigende Webseite und muss für Widerruf und Gerichtskosten zahlen.

Ein Gerichtsurteil von Anfang September könnte den Umgang mit sozialen Netzwerken gravierend verändern. Am Linzer Landesgericht wurde der Oberösterreicher Thomas W. in einem Zivilrechtsprozess verurteilt, weil er auf der Plattform Google+ zu seinem Posting einen Link gesetzt hat, der zu einer kreditschädigenden Webseite führte. Laut Rechtsexperten hat es in Österreich einen derartigen Schuldspruch noch nicht gegeben.

Ausgangspunkt des Verfahrens ist ein Rechtsstreit zwischen dem Oberösterreicher Bernhard Costa und der Sparkasse OÖ. Gestritten wird unter anderem um eine Umschuldung eines Fremdwährungskredits. Die Bank hat bereits mehrere Verfahren gewonnen. Costa musste Behauptungen auf seiner Internetseite widerrufen.

Jetzt wurde – ebenfalls auf Betreiben der Sparkasse – Thomas W. in einem Zivilrechtsprozess verurteilt. Der Mann, zugleich Schwager von Costa, hatte auf seiner Google+-Site folgende Frage gepostet: "Bank vs. Endkunde: 150.000 Euro Schaden bei einem kleinen Bürger – und die Bank kommt damit durch?"

Was ihm zum Verhängnis wurde, war nicht dieser Wortlaut, sondern der Anhang‚ den er gesetzt hatte. Der zeigte nämlich eine Vorschau auf die Webseite von Bernhard Costa. Die Sparkasse klagte W. auf Unterlassung und Widerruf – und bekam Recht. Unterm Strich könnte dem Poster der Widerruf und die Gerichtskosten bis zu 19.000 Euro kosten.

Die Richterin begründete die Verurteilung wie folgt: W. habe sich durch das Setzen des Links den Inhalt der Webseite zu eigen gemacht und den kreditschädigenden Inhalt der Website bewusst verbreiten wollen.

Musterurteil?

Doch der Urteilsspruch geht noch einen interessanten Schritt weiter: "Eine intellektuelle Beziehung des Verbreiters zu den weitergegebenen Gedankeninhalten ist nicht erforderlich. Es genügt bereits das technische Verbreiten … auch wenn man sich mit dessen Äußerungen nicht identifiziert".

Wenn das Urteil in allen Instanzen hält – W. will dagegen berufen – hätte das weitreichende Folgen für die sozialen Netzwerke. Jeder, der auf Facebook, Twitter und Co verlinkt, kann zur Verantwortung gezogen werden, auch wenn er den verlinkten Inhalt nicht kennt.

Laut Urteilsschrift seien 491 Internet-User dem Verweis auf Costas Homepage gefolgt, aber bloß "eine Person" hätte für die Klage bereits genügt. W. könne sich auch nicht auf die freie Meinungsäußerung stützen, denn unwahre Tatsachenbehauptungen seien durch dieses Grundrecht nicht gedeckt.

"Das Urteil könnte sich zu einem Multiplikator entwickeln", sagt Alexander Koukal, Rechtsexperte im Bereich Social Media. Denn bei den Geschädigten könnte ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass man sich gegen rechtswidrige Postings erfolgreich zu Wehr setzen kann. Andererseits werde auch die Sensibilität bei Postern gesteigert, nicht mehr leichtfertig verlinken und jemanden zu kritisieren.

Sven Thorstensen, der Anwalt von W., hofft, das Urteil in der nächsten Instanz erfolgreich bekämpfen zu können. "Mit einem Link auf eine Homepage ist man doch nicht verantwortlich für deren Inhalt. Schon gar nicht mit einer Einladung zur Diskussion. Mein Mandant hat lediglich eine Frage formuliert."

Prominente Rechtsexperten halten das Urteil für hoch brisant, wollten sich aber mit Hinweis auf das noch nicht rechtskräftige Verfahren vorerst namentlich nicht äußern. Aufgeben will übrigens auch Costa nicht. Am Donnerstag prozessiert er in Linz erneut gegen das Bankinstitut.

Seit Monaten tobt bei uns im Internet ein Streit darüber, ob man sich bei Postings hinter lustigen Pseudonymen verstecken darf oder ehrlich seinen Namen nennen muss, wenn man seine Meinung äußern will. Die Diskussion hat oft eine einfache Wahrheit verschwiegen: Unrecht wird nicht dadurch Recht, dass es im World Wide Web stattfindet. Konkret: Kreditschädigung hat auch juristische Folgen, wenn der Text nur über ein Posting auf eine andere Website verlinkt wird. Dieses Urteil 1. Instanz wird noch Diskussionsstoff in mehrfacher Hinsicht bieten.

Generell ist es aber sonderbar, dass viele Menschen Kinderstube und Anstand vergessen, sobald sie hinter einem Computer sitzen. Und wie traurig sieht es um die Zivilcourage in unserem Land aus, wenn sich Leute hinter dem digitalen Baum verstecken, wenn sie Politiker oder andere Prominente kritisieren wollen. Manchmal müssen wir auch auf kurier.at Postings lesen, für die sich die Autoren genieren sollten.

Das Wissen ums Internet ist aber auch in der EU noch beschränkt. Der deutsche Kommissar Günther Oettinger schrammte gestern bei seinem Hearing im EU-Parlament an einer Blamage vorbei, als er meinte, Promis, die ihre Nacktfotos ins Netz stellen, seien blöd. Konkret geht es darum , dass Daten von modernen Smartphones automatisch auf Servern in der Datenwolke ("Cloud") gespeichert und dort widerrechtlich gehackt wurden. Keine Rede davon, dass sie "ins Netz gestellt wurden".

Oettinger machte unfreiwillig darauf aufmerksam, dass wir in Europa den Anschluss an die digitale Welt suchen und schnell finden müssen. Das gilt für Unternehmen, Politiker und alle Bürger.

Hitler hat eindeutig zu wenig gemacht“, postete ein 25-jähriger Angestellter aus Wien-Umgebung auf der Homepage von Außenminister Sebastian Kurz nach dessen Nahost-Friedensappell auf seiner Facebook-Seite im Sommer und muss sich dafür vor Gericht verantworten.

Dem Mann wird von der Staatsanwaltschaft Korneuburg Verhetzung vorgeworfen. Und der 25-Jährige ist nicht alleine: Bei der Staatsanwaltschaft Wien laufen weitere sechs Ermittlungsverfahren gegen Beschuldigte, die beim Posten auf der Kurz-Facebookseite in strafrechtlich relevante Aufrufe zu Gewalt gegen Staaten oder Glaubensgemeinschaften abgedriftet sind. Österreichweit wurde gegen acht Personen ermittelt.

Eine Causa in Wien und eine in Korneuburg wurden mittlerweile eingestellt. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Korneuburg begründet dies unter anderem damit, dass in diesem Fall der Facebook-Kommentar keine Aufforderung zu Gewalt enthielt.

Der Verfassungsschutz ermittelt wegen der Anwort eines Users auf einen Tweet der grünen Nationalrätin Berivan Aslan. Die Tirolerin hatte den IS kritisiert und daraufhin eine Nachricht erhalten, die sie als Morddrohung wertet: „Erst, wenn du das Schwert des Islamischen Staates am Nacken spürst, wirst du wissen, was Ehre bedeutet.“

In den sozialen Netzwerken gingen die Wogen aufgrund eines KURIER-Beitrags am Montag hoch. Wie berichtet, hatte ein Mitarbeiter des Wiener Arbeitsmarktservice (AMS) einen Artikel über ein gerettetes Flüchtlingsboot wie folgt kommentiert: „Würde der afrikanische Kontinent schneller untergehen, hätten wir auch kein Problem mit den Flüchtlingen! Atombomben sind ja schon erfunden.“

Der KURIER informierte das AMS über das fragwürdige Posting – einige Leser kritisieren das nun im Internet. In den AGBs für die Mitglieder der KURIER-Community ist aber eindeutig nachzulesen, dass diese Vorgehensweise rechtens ist. Der Mann wurde übrigens gekündigt.

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