„Swap-Deal nie rechtswirksam“
Bruno Binder ist Vorstand des Instituts für Wirtschaftsrecht an der Johannes-Kepler-Universität Linz. Weiters ist der 62-Jährige Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Binder-Broinger-Miedl-Lughofer.
KURIER: Der Richter hat im Streit um das Franken-Spekulationsgeschäft ein Mediationsverfahren angeregt. Hat ein derartiger Schlichtungsversuch einen Sinn?
Bruno Binder: Ein erfahrener Richter mit guten, erfahrenen Anwälten in einem ordnungsgemäß geführten Prozess ist immer noch das beste Mediationsverfahren, das es gibt. Denn natürlich geht man in einem Verfahren auf den Standpunkt des anderen ein und versucht, Vergleiche zu finden. Ob hier eine Mediation, die außerhalb des Verfahrens völlig abgekoppelt stattfindet, Sinn macht, bezweifle ich.
Die Stadt Linz will nichts unversucht lassen.
Das Gericht hat es empfohlen, dem will man sich nicht verweigern. Für das Gericht ist natürlich auch verlockend, das einmal vom Tisch weg zu haben.
Es geht um sehr viel Geld, um 421 Millionen Euro. Selbst wenn der Vergleich 80 zu 20 für Linz ausgehen sollte, sind das noch immer 80 Millionen.
Das wäre ohne Zweifel eine enorme finanzielle Belastung, wenn das herauskommen sollte. Der Standpunkt der Stadt Linz ist im Prozess sehr gut. Ich meine, die Stadt müsste gewinnen.
Warum?
Der Gesetzgeber hatte immer schon Bedenken gegen die Gemeinden. Er meinte, da seien unprofessionelle Lokalpolitiker am Werk. Verstehen die denn das? Bis indie 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts ist im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch ein Paragraf 21 drinnen gestanden, den man sich als Hintergrund auf der Zunge zergehen lassen sollte. Er lautet: Diejenigen, die wegen Mangels an Jahren, Gebrechen des Geistes oder anderer Verhältnisse wegen ihre Angelegenheiten selbst gehörig zu besorgen unfähig sind, stehen unter dem besonderen Schutz der Gesetze. Dazu gehören Kinder, Minderjährige, Rasende, Wahnsinnige, Blödsinnige und die Gemeinden.
Von wann ist der Text?
Er stammt aus 1811, aber er hat bis in die 70er-Jahre gegolten. Es war immer die Meinung des Gesetzgebers, dass die Gemeinden ein bisschen unter Schutz stehen müssen. Heute gilt dieser Paragraf nicht mehr, aber es sind in den Gemeindeordnungen und Stadtstatuten Restbestimmungen übrig geblieben, wo immer noch drinnen steht, dass die Gemeinden nicht alles tun dürfen und für gewisse Dinge die Genehmigung durch die Landesregierung brauchen. Genehmigungspflichtig sind unter anderem Bürgschaften und Haftungen, die 30 Prozent der Einnahmen des ordentlichen Voranschlags übertreffen würden. Dass 400 Millionen das übersteigen, darüber braucht man nicht einmal reden.
Und dann heißt es unter Paragraf 73, Absatz 3, die die ganz entscheidende Bestimmung ist: Genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte der Stadt werden Dritten gegenüber, also der Bawag, erst mit der aufsichtsbehördlichen Genehmigung rechtswirksam. Dieses Geschäft konnte nie wirksam sein, weil es keine aufsichtsbehördliche Genehmigung gibt. Das Land hat nicht nur nicht genehmigt, sondern als die Stadt Linz vorsichtshalber noch einmal den Antrag auf Genehmigung gestellt hat, diese ausdrücklich mit Bescheid verweigert.
Das heißt, es ist nicht rechtswirksam. Es ist kaum vorstellbar, dass das Gericht hergeht und sagt, das, was die Aufsichtsbehörde in einem förmlichen, rechtskräftigen Bescheid versagt hat, soll trotzdem gelten. Deshalb meine ich, dass der Standpunkt der Stadt Linz vollkommen intakt ist. Es ist vielleicht keine charmante Lösung der Rechtsfrage, weil die Schutzbedürftigen nicht genau wissen, was sie tun, aber ich halte das für eindeutig. Ich glaube, das Geschäft muss rückabgewickelt werden. Die Stadt kann daraus nicht in Anspruch genommen werden.
Diese Bestimmung, dass das Geschäft der Genehmigung durch das Land bedarf, werden auch die Finanzverantwortlichen der Stadt gekannt haben. Aber sie haben es trotzdem gemacht.
Man muss sich tatsächlich fragen, wie kommt es überhaupt zu so einer Situation, dass die Stadt Linz solche Verträge abschließt und sie irgendwer unterschreibt und dass das so ein Ausmaß annimmt? Das Hauptproblem liegt darin, dass offensichtlich in der Bürokratie der Stadt den Vertrag niemand verstanden hat. Und dass niemand damit gerechnet hat, dass sich der Schweizer Franken so entscheidend verändert. Zur Ehrenrettung der Bürokratie muss ich aber sagen, dass damals, 2007, dieses neoliberale Märchen, dass es eine Finanzwirtschaft gibt, in der das Geld in alle Ewigkeit vermehrt wird, gang und gäbe war. Es gibt viele andere Gemeinden, die damit ebenfalls Probleme haben und Privatpersonen, die dem auch aufgesessen sind. Wenn das Finanzmanagement der Stadt gesagt hätte, wir machen das nicht, hätte es sich dem Vorwurf ausgesetzt, es wäre verzopft und hinterwäldlerisch. Man hat das Risiko nicht abgeschätzt.
Es dürfte der Stadt Linz aber nun nichts passieren, mit der Einschränkung, die man immer sagen muss: Auf hoher See und vor Gericht ist man immer in Gottes Hand.
Hatte die Bawag von der Untersagung des Geschäfts durch das Land Kenntnis?
Selbst wenn sie es nicht gewusst hat, ist es ein im Gesetzblatt kundgemachtes Gesetz. Niemand kann sich durch die Unkenntnis entschuldigen. Und es gibt den negativen Bescheid, der das Geschäft untersagt. Damit gilt das.
Vom Argument, dass das Geschäft der Zustimmung des Gemeindesrates bedurft hätte, halten Sie nicht so viel?
Das ist auch ein Argument. Der Standpunkt der Stadt stützt sich auf zwei Punkte. Erstens hat es der Gemeinderat nicht beschlossen. Zweitens: Es fehlt die aufsichtsbehördliche Bewilligung.
Es gibt bereits Gerichtsentscheidungen in ähnlichen Fällen, vor allem in Deutschland. Ein großer Teil ging gegen die Banken aus.
Die Rechtslage ist nicht eins zu eins wie in Deutschland. Weiters sind diese Gesetze Landessache. Es ist relativ schwer, hier aus ausländischen Urteilen auf die österreichischen zu schließen. Aber in Deutschland geht die Tendenz in die Richtung zu sagen, dass diese Verträge nicht wirksam sind.
Was bleibt?
Es bleibt die Frage, wie das passieren konnte. Das ist eine Frage der Verantwortlichkeit. Ich meine hier nicht nicht die rechtliche, sondern die politische Verantwortlichkeit. Diese ist in Österreich nicht sehr ausgeprägt. Die Politiker pflegen zu sagen, ich habe nichts gewusst, ich habe nichts getan, das waren meine Leute. Die Idee der politischen Verantwortlichkeit ist aber, dass jemand, der Zuständigkeiten hat, dafür verantwortlich ist, dass diese Zuständigkeiten ordnungsgemäß ausgeführt werden. Ob er nun selbst die Akten liest oder sie nur unterschreibt, das ist für die politische Verantwortung keine Frage. Aber die politische Verantwortung zu beurteilen, ist noch zu bald, solange noch nicht feststeht, wo die Probleme gelegen sind. Aber dass die Bürokratie nicht optimal gearbeitet hat, liegt auf der Hand.
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