Stelzer: „Erneuerbare Energie beschleunigen“

Landeshauptmann Thomas Stelzer
Um die Energiewende voranzutreiben, sollen die Umweltverträglichkeits-prüfungen zeitlich auf zwei Jahre eingegrenzt werden, fordert der oberösterreichische Landeshauptmann.

Thomas Stelzer (55) ist seit fünf Jahren Landeshauptmann von Oberösterreich.

KURIER: Ist der russische Präsident Wladimir Putin überhaupt noch ein Gesprächspartner nach der Invasion in der Ukraine?

Thomas Stelzer: Es ist für meine Generation unfassbar, dass so ein Krieg überhaupt, und noch dazu in Europa stattfindet. Es ist für uns nicht einfach, uns angesichts unserer Abhängigkeiten anders aufzustellen. Ein Gasstopp würde ein Niederfahren unseres Industriestandortes und Massenarbeitslosigkeit zur Konsequenz haben. Solange wir von russischen Gaslieferungen abhängig sind, müssen wir schauen, dass wir diese bekommen und entsprechend in Kontakt bleiben.

Das Land ist Mehrheitseigentümer der Energie AG. Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass man mittel- und langfristig die Gas-Abhängigkeiten abbaut?

Gerade unsere Energie AG ist sehr stark in Richtung erneuerbare Energie unterwegs. Sie hat Fotovoltaikanlagen schon vor Jahrzehnten installiert. Mit der Netz OÖ Ges.m.b.H., der Netztochter der Energie AG, sind wir ein zweites Mal gefordert, denn für diese Energiequellen müssen die entsprechenden Netze da sein. Wir brauchen auch mehr Speichermöglichkeiten wie zum Beispiel das geplante Pumpspeicherkraftwerk Ebensee. Auch wenn wir schnell sind, geht die Umstellung nicht von heute auf morgen. Die Umsetzung dauert einige Jahre. In der Zwischenzeit müssen wir eine verlässliche Versorgung garantieren.

Sie haben vor der Landtagswahl ein Programm für erneuerbare Energien vorgelegt. Sollte man diese Projekte nicht aus Anlass des Krieges und der nicht akzeptablen Russland-Abhängigkeit zeitlich vorziehen?

Ja, das sehe ich so. Was immer beschleunigt werden kann, soll beschleunigt werden. Es müssen die Verfahren zur Realisierung beschleunigt werden. Hier sind wir von Bundesgesetzen abhängig. Es geht hier häufig um Umweltverträglichkeitsprüfungen, diese Verfahren müssen beschleunigt werden. Es geht nicht an, dass man sich rühmt, dass ein Verfahren eh nur vier, fünf Jahre dauert. Das entspricht nicht den Herausforderungen. Die zweite Herausforderung ist die Verfügbarkeit von Material. Es gibt ein großes Interesse der Menschen an Fotovoltaik, aber es sind die Anlagen oft nicht schnell genug verfügbar. Wir brauchen hier ein höheres Tempo.

Es gibt die Möglichkeit, rund 20 Prozent des russischen Gases durch heimisches Biogas zu ersetzen. Wird es hier einen Schwerpunkt des Landes geben?

Ich bin für alle Maßnahmen, die uns die Möglichkeit zur Diversifizierung und zu mehr Unabhängigkeit geben. Manmuss sich die konkreten Realisierungszeiträume ansehen.

Eine Konsequenz der russischen Ukraine-Invasion ist die Neuaufstellung des österreichischen Heeres. Welch’ konkreter Maßnahmen bedarf es?

Es geht hier um Grundlagen. Wer immer in Kasernen unterwegs ist, sieht, dass sie nicht mehr zeitgemäß ist. Es gibt jetzt die breite Zustimmung, dass wir das Heer besser ausstatten müssen. Es ist vernachlässigt worden, weil man das Heer als Katastrophenhelfer sehr beklatscht hat, was eine wichtige Rolle ist. Die sicherheitspolitische Rolle hat eine untergeordnete Rolle gespielt. So hat auch die Ausstattung ausgesehen. Es gibt nun ein 100-Millionen-Paket, das mit der Verteidigungsministerin schon im vergangenen Jahr ausgehandelt worden ist. Das Geld dient für die Standorte. Hörsching bleibt Fliegerstandort mit Hubschraubern und Transportmaschinen. Das Geld kommt auch den Panzern zugute, denn Ried ist ein wichtiger Panzer-Standort. Zu diesen 100 Millionen muss jene Ausstattung dazukommen, damit das Heer die Neutralität unseres Landes sichern kann.

Verteidigungsministerin Tanner will eine Steigerung des Heeresbudgets auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den nächsten fünf Jahren. Ist diese Forderung gerechtfertigt?

Die Bereitschaft zur Erhöhung ist grundsätzlich da. Ich hoffe nur, dass wir auch dann noch bereit sind, in das Heer zu investieren, wenn der Schrecken des Krieges nachlässt. Die Bereitschaft zur Sicherung der Neutralität muss nachhaltig sein. Das Ausmaß der konkreten Erhöhung sollte die Verteidigungsministerin definieren.

Es gab kurz eine Debatte, ob Österreich der NATO beitreten soll. Wie ist hier Ihre Position?

Neutralität gehört zu unserer Identität. Wir müssen dieses Status auch sichern können. Nach dem Vorbild der Schweiz. Wir haben uns als neutral belobigt, das steht in der Verfassung, wir feiern das auch, aber es ist nicht unterfüttert worden. Das muss jetzt dringend passieren.

Themenwechsel. Es leiden alle unter den hohen Energie- und Rohstoffpreisen, sowohl die Unternehmen als auch die Arbeitnehmer und die gesamte Bevölkerung. Es gibt erste Unterstützungsmaßnahmen sowohl der Landes- als auch der Bundesregierung. Sie werden aber nicht als ausreichend angesehen.

Das tägliche Leben darf für die Menschen kein Problem sein. Wir im Land haben schon mit der Unterstützung begonnen. Der Zugang zur Wohnbeihilfe wurde erweitert, wir haben den Heizkostenzuschuss deutlich erhöht. Der Bund hat auch ein Riesenpaket geschnürt, mit der Pendlerpauschale und mit den 150 Euro für die Energie in jedem Haushalt. Wenn sich herausstellen sollte, dass die Hilfe nicht ausreicht, dann muss es weitere Hilfen geben. Und es darf keine weiteren Belastungen geben.

Für die neue TU Linz soll es einen Gründungspräsidenten geben. Im Gespräch ist JKU-Rektor Meinhard Lukas. Halten Sie ihn für geeignet?

Wir brauchen eine Persönlichkeit, die Zugkraft und Konsequenz hat, eine neue Universität aus dem Boden zu stampfen. Das ist eine gewaltige Leistung, die man auch organisatorisch erbringen können muss, nicht nur inhaltlich. Das muss man stemmen können. Ich hoffe sehr, dass wir dafür eine geeignete Persönlichkeit finden. Ich schätze Rektor Lukas und arbeite mit ihm gut zusammen. Es muss der Gründungskonvent nominiert werden, der den Präsidenten wählt.

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