Steinschleifer im Löckermoos

Löckermoos
Gosau – Idyllischer, kleiner See auf 1400 Metern Höhe – Die Gipfel des Gosaukamms spiegeln sich in der Wasseroberfläche.

Es gibt keine Gosauer. Sie heißen "Gosinger". Ein Besuch in Gosau beginnt am besten schon am Vorabend in der Stube einer Gosinger Familie. Die Geschwister Elisabeth und Gust vom Koglerhäusl sind mütterlicherseits Nachkommen einer alten Steinhauerfamilie, die von Maria Theresia das Recht verbrieft erhielten, Schleifsteine zu brechen. Sie wissen so manche Geschichte aus früheren Zeiten zu erzählen.

Richtig eingestimmt geht es früh am Morgen vom Gosauer Ortsteil Mittertal hin- auf zum Löckermoos. Das nächtliche Sommergewitter hat die Luft abgekühlt. Wir haben Glück. Zwei seltene Birkhühner nehmen ihr verspätetes Frühstück ein und verschwinden wieder lautlos im Unterholz. Nach eineinhalb Gehstunden ist auf 1400 Metern das Löckermoos-Plateau erreicht. Wir passieren die dorfähnlich gruppierten Steinhauerhütten und folgen einem vier Kilometer langen, mit Holzplanken befestigten Rundweg. Der größte Teil des Hochmoors ist mit Latschen bedeckt, die im Dialekt der Gosinger "Löckern" genannt werden. Daher der Name des Moores. Der uns begleitende Naturführer erzählt über die Besonderheit dieses Ortes: "Ausnahmsweise hat sich hier auf der Kuppe eines Berges durch Versumpfung ein Moor gebildet. Über acht Jahrtausende hat sich durch Pollenablagerung und viel Niederschlag das zwei Meter tiefe Moor entwickelt." Wir entdecken seltene Pflanzen in diesem sensiblen Biotop wie den fleischfressenden Sonnentau und die Rosmarinheide. Gerne kosten wir von den zahlreichen Heidelbeeren, lassen aber die Finger von den ähnlich aussehenden Rauschbeeren.

Schließlich ist der idyllische, nur zehn mal zwanzig Meter große Löckersee erreicht. Im moorig-dunklen Wasser des Gewässers spiegeln sich die markanten Gipfel des Gosaukamms. Eine Idylle in doppelter Ausgabe. Ein Glücksplatz zum Innehalten.

Auf dem weiteren Rundweg springen eigenwillig geformte Ameisenhügel ins Auge. Sie sind nicht harmonisch kegelförmig, sondern wirken leicht deformiert. Der Naturführer kennt den Grund dafür. Birkhühner setzen sich mit ausgebreiteten Flügeln auf den Ameisenhaufen und "baden" sich geradezu darin. Die erregten Ameisen befreien die Vögel mit der von ihnen versprühten Säure von den Parasiten und benutzen diese ihrerseits als Nahrungsquelle. Eine perfekte Symbiose.

Der Weg führt an der Wildfrauenhöhle vorbei. Eine Karsthöhle, die rasch Abkühlung bringt. Nach der Mythologie hausten in diesem finsteren Felsspalt lange vor der menschlichen Zivilisation die "Wildfrauen". Die Phantasie hat dazu freien Lauf. Schließlich werden die Schleifsteinbrüche erreicht, ein bedeutendes Kulturgut dieser Gegend. In der Kreidezeit lagerte sich Sandstein mit Quarzeinlagerungen ab. Ab dem 16. Jahhundert wurde dieser spezielle Stein abgebaut und zum Wetzen der Sensen und zum Schärfen der Holzwerkzeuge verwendet. In der Blütezeit wurden so 20 Waggons á dreizehn Tonnen Schleifsteine pro Jahr erzeugt. Wir wandern durch den letzten noch aktiven Steinbruch und lassen uns bei der Badstub´n nieder. In der ehemaligen Steinhauerhütte gibt es jetzt kulinarische Hausmannskost. Der Badstub´n Franz ist noch immer als Steinbrecher tätig. Er kennt die vielen Arbeitsschritte bestens, die notwendig waren, um einen Schleifstein zu erzeugen. Jetzt helfen ihm Maschinen. Ein von ihm persönlich gefertigter Wetzstein wird beim Mähen des heimatlichen Wiesengrases am Stadtrand von Linz an diesen Ausflug erinnern.

Autor: Josef Leitner. Er ist Universitätslektor und besucht mit seinem Reisemobil interessante Stätten der Natur und Kultur in Oberösterreich

Kommentare