„Klimaneutralität bis 2040 ist eine absolute Utopie“

Verkehrslandesrat Günther Steinkellner
Verkehrslandesrat Günther Steinkellner über den Streit an der FPÖ-Spitze, das Verbot von Verbrennermotoren und von Gas- und Ölheizungen und die inakzeptable Vorgehensweisen des VW-Konzerns.

Günther Steinkellner ist langjähriger freiheitlicher Politiker. Der 59-Jährige war unter anderem Landesparteiobmann (2002– 2005) und 19 Jahre Klubobmann. Seit 2015 ist er Landesrat für Infrastruktur.

KURIER: Haben die Covid-Erkrankungen der Spitzenpolitiker die Freiheitlichen zurückgeworfen?

Günther Steinkellner: Mit dem Ausfall von unserem Landesparteiobmann Manfred Haimbuchner haben wir natürlich einen Rückfall, weil wir schon in der vollen Wahlkampfplanung und -Strategie gewesen wären. Das ist aber deshalb nicht schlimm, weil wegen der Covid-Situation allgemein alles nach hinten rückt. Es ist auch in Oberösterreich noch keine Wahlkampfstimmung spürbar. Es gibt andere Themen. Die Menschen wollen die Freiheit des Lebens spüren und warten darauf, endlich ins Wirtshaus gehen zu können und Menschen zu treffen.

Manche sagen, die Freiheitlichen bekommen mit den Erkrankungen jene Rechnung serviert, die sie aufgrund des leichtfertigen Umgangs mit Covid verdient hätten.

Wer meint, dass er aufgrund der schweren Krankheit eines anderen punkten kann, disqualifiziert sich selbst. Gerade bei Covid und den Impfungen gibt es unglaublich viele divergierende Betrachtungen und Expertenmeinungen. Wenn Österreich pro Kopf am meisten für Entschädigungen ausgegeben hat und in der Wirtschaftsentwicklung europaweit am stärksten verloren hat, dann stimmt etwas nicht. Da dürfte die Bundesregierung nicht alles richtig gemacht haben.

Es gibt erhebliche Differenzen zwischen Parteiobmann Norbert Gerwald Hofer und Klubobmann Herbert Kickl. Haimbuchner macht sich für den Weiterverbleib Hofers an der Parteispitze stark. Wie sehr belastet dieser Konflikt die FPÖ?

Bei jeder anderen Partei spricht man von Meinungsvielfalt, bei uns spricht man immer von Konflikten. Tatsache ist, dass verschiedene Meinungen zulässig sein müssen, wenn unterschiedliche Menschen miteinander arbeiten. Gerade Hofer und Kickl haben einen unterschiedlichen Stil. Die Oberösterreicher sind immer sehr loyal zum jeweiligen Parteiobmann gewesen. Wir schätzen aber auch die Angriffigkeit von Kickl. Manchmal ist die Tonalität für manche nicht ganz nachvollziehbar.

Sie haben vor zwei Jahren angekündigt, dass die Linzer Ostautobahn 2030 befahrbar sein wird. Es schaut aber nicht danach aus, weil die Grünen dieses Projekt ablehnen.

Wir nennen sie Osttangente, weil sie ein Stück von Linz begleitet. Es schaut nicht so gut aus, weil die strategische Prüfung im Infrastrukturministerium nicht mit jener Geschwindigkeit vorangetrieben wird, wie ich das gemacht hätte. Wir haben hier ein Riesenproblem. Ich habe kürzlich den tschechischen Vize-Verkehrsminister Jan Sechter getroffen, der darauf drängt, dass Österreich seine Hausaufgaben macht. Das ist die Verlängerung der S10 mit der Umfahrung Rainbach /M. und der Weiterführung bis Wullowitz. Denn Tschechien wird mit der Autobahn 2025 an der Grenze sein. Die Umfahrung Prag wird 2027/’28 fertig. Damit ist die Autobahn von Berlin nach Dresden, Prag, Linz und Graz fertig. Dies wird dazu führen, dass sich der Schwerverkehrstransit zu einem erheblichen Anteil von der Innkreisautobahn – dort ist er höher als auf der Brennerautobahn – auf diese neue Nord-Süd-Tranversale verlagern wird. Das bedeutet, dass wir die Osttangente benötigen, denn sonst wird der gesamte Schwerverkehr durch Linz rollen. Wir brauchen dringend die Entlastung für Linz. An jenen Stellen, wo Menschen in der Nähe der Osttangente leben, muss sie durch Tunnels geführt, bzw. eingehaust werden.

Es soll ja nicht nur die S10, sondern auch die Bahnstrecke nach Prag ausgebaut werden.

Das ist mir ganz wichtig. Dieses transeuropäische Netz, das nach Koper (slowenischer Mittelmeerhafen) führt, muss beschleunigt werden. Tschechien baut nicht nur die Straße, sondern es errichtet auch eine Bahn-Schnellstrecke, auf der man mit 160 bis 200 km/h bis Wullowitz fahren kann. Dann wird die Bahn in Österreich auf die Geschwindigkeit der Monarchie zurückgestuft. Es ist ganz dringend, ein gemeinsames Projekt mit Tschechien aufzustellen. Wenn man Linz–Graz in zwei Stunden mit dem Zug fahren kann, darf die Fahrt auf der Strecke Linz–Prag nicht länger dauern. Dazu bedarf es eines komplett neuen Bahnprojektes.

Experten, wie der renommierte Wirtschaftsforscher Karl Aiginger sagen, Diesel- und Benzinautos müssen ebenso wie Gas- und Ölheizungen ab 2030 verboten werden, ansonsten sei das von der Bundesregierung ausgerufene Ziel eines klimaneutralen Österreich 2040 nicht zu erreichen. Ist das realistisch gesehen erreichbar?

Nein. Das ist eine absolute Utopie. Man soll den Menschen die Wahrheit sagen. Es ist Technologieoffenheit notwendig, um die Mobilität zu ökologisieren. Es ist eine Sackgasse, ausschließlich auf batteriegetriebene Fahrzeuge zu setzen. Diese kosten viel Geld und verursachen Umweltbeeinträchtigungen in jenen Ländern, wo das Lithium für die Batterien abgebaut wird. In Südamerika wird den Abbaugebieten derart viel Wasser entzogen, dass dort Trockengebiete und Wetterkapriolen entstehen. Damit ist dem Planeten nicht gedient.

Wir brauchen auch den Wasserstoff und synthetische Treibstoffe. Sie sind Garant, dass die ökologische Mobilität in der Fläche ausgerollt werden kann.

Das Tankstellennetz kann dafür genutzt werden, aber die Energie, die synthetischen Kraftstoffe fehlen noch.

Sie sind noch nicht da, aber es sind auch die Ressourcen für den höheren Strombedarf der batteriebetriebenen Fahrzeuge nicht da. Die Klimaneutralität schon 2040 zu realisieren ist ein leeres Versprechen, das niemand wird einhalten können. Das ist absurd. Das Pariser Klimaabkommen definiert 2050 als Ziel.Wenn es 2030 keine Gas- und Ölheizungen mehr geben soll, möchte ich wissen, wer für den Umstieg bezahlt. Und mit welcher Energieform werden die Heizungen dann betrieben? Und woher kommt das Holz? Können wir den österreichischen Heizbedarf stillen? Man muss abgestimmt vorgehen und ehrlich sein, sonst fährt man in Sackgassen. Wir können ja nicht die Industrie und die Arbeitsplätze unserer Kinder vernichten.

Ich verstehe auch die Verdammung von Gas nicht. Da werden mit Milliarden Euro neue Gasleitungen nach Europa geführt, wo dann Europa gleichzeitig sagt, wir verabschieden uns vom Gas. Die OMV ist zum Beispiel an der Leitung Nord Stream II beteiligt, der österreichische Staat ist an der OMV beteiligt und die Regierung betreibt eine Politik, die gegen Gas gerichtet ist.

Die Forschungen bei E-Fuels und grünem Wasserstoff sollen mit der gleichen Intensität wie bei batteriegetriebenen Fahrzeugen vorangetrieben werden. Bei den Schwerlastern haben wir überhaupt keine Chancen, Batteriegetrieben unterwegs zu sein. Man stelle sich einen batteriegetriebenen Schneepflug bei minus 25 Grad vor. Wie lange wird der wohl in Betrieb sein?

Wie soll man gegen die Schließung von MAN in Steyr vorgehen?

Man muss den VW-Konzern in die Verantwortung nehmen. Dieser Konzern hat im Diesel-Skandal die Geschädigten in den USA und Deutschland entschädigt, nicht aber in Österreich.

Sie behandeln uns ja wie eine Kolonie?

Ich verstehe die Vorgangsweise überhaupt nicht. Ich verlange hier von Kanzler Kurz schon sehr klare Worte. Die österreichischen VW-Fahrer werden nicht entschädigt. Und jetzt werden noch Arbeitsplätze beseitigt. Es gibt massive Menschenrechtsdiskussionen in der Türkei und dann verlagert der Konzern seine Produktion von Steyr dorthin. Ich verstehe das überhaupt nicht.

Sie haben Bilanz über den Ausbau der Radwege gezogen. Die Radlobby hat dazu gemeint, dass zwar in den ländlichen Regionen investiert worden ist, aber im Zentralraum zu wenig passiert ist.

Mich freut das Lob der Radlobby. Im urbanen Bereich geht es mir auch viel zu langsam, aber genau dort es problematisch. Wegen der mangelnden Verfügbarkeit von Boden und der Platzbedürfnisse. Trotzdem ist es gelungen, tolle Hauptradrouten zu errichten. Ich denke an den Radweg Linz–Puchenau und an das Provisorium Linz-Waldeggstraße–Leonding. Der Hauptradweg von Traun Richtung Linz wurde fertiggestellt. Wir sind in der Pilotphase des Radverkehrchecks. Wir planen die Radtauglichkeit der neuen Mauthausen-Brücke. Wir haben große Projekte wie die Haager Lies mit einer Länge von

22 km in Bau. Im Sommer wird die Machbarkeitsstudie für die Verbindung Traunsee, Kremstal, Steyr mit dem Donauradweg vorliegen. Wir wollen die großen touristischen Gebiete miteinander verbinden.

Die FPÖ will die Koalition mit der ÖVP nach der Landtagswahl fortsetzen. Was sind Ihre Projekte?

Die Mauthausen-Brücke muss in der nächsten Periode gebaut werden. Es muss die erste Etappe der Linzer Stadtbahn umgesetzt werden. Wir beginnen mit der Verlängerung der Straßenbahn nach Ansfelden, Haid und zur neuen großen Park-and-Ride-Anlage. Ich will die Lilo nach Aschach erweitern und elektrifizieren. Ebenso steht die Elektrifizierung der Mattigtalbahn, der Mühlkreisbahn und der Donauuferbahn an. Ich will das S-Bahn-System in Wels erweitern, Richtung Attnang-Puchheim bzw. Grieskirchen. Wir wollen die S-Bahn Richtung Amstetten ausbauen. Das Wichtigste ist die Nord-Süd-Verbindung, mit der Summerauerbahn und der Pyhrnbahn nach Graz.Und wir brauchen natürlich ganz dringend die Linzer Osttangente zur Entlastung der Landeshauptstadt.

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