„Staat allein kann Pension nicht zur Gänze sichern“

Finanzminister Hartwig Löger, KURIER–Chefredakteurin Martina Salomon und Landeshauptmann Thomas Stelzer
Landeshauptmann Stelzer will von Finanzminister Löger Geld für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, der sich dafür offen zeigt. Eine Diskussion in der Oberbank, die spritzig war und von KURIER-Chefin Salomon moderiert wurde.

Es war ein "versprechungsvoller" Abend. Finanzminister Hartwig Löger (53) versprach, im heurigen Budget erstmals seit 65 Jahren einen Überschuss zu erzielen. Das sei zuletzt 1954 unter Finanzminister Reinhard Kamitz der Fall gewesen, sagte er. Und Generaldirektor Franz Gasselsberger (59) versprach der Regierung ein Denkmal zu setzen, sollte es ihr tatsächlich gelingen, den Schuldenstand von derzeit 74 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf 62 Prozent im Jahr 2021 zu senken. 1500 Gäste waren Dienstagabend in das Donauforum der Oberbank in Linz geströmt, um Löger zuzuhören und der anschließenden Diskussion mit Landeshauptmann Thomas Stelzer (51) beizuwohnen. Martina Salomon, Chefredakteurin des KURIER und gebürtige Traunerin, moderierte. Ein Auszug.

Martina Salomon: Herr Landeshauptmann, Sie betonen immer, dass Oberösterreich Nettozahler für das Bundesbudget ist. Wollen Sie, dass das vom Finanzminister stärker berücksichtigt wird?

Thomas Stelzer: Wären wir eine Staatenunion, wären wir Nettozahler, weil das Steueraufkommen, das von Oberösterreich erbracht wird, nur zu rund 50 Prozent in das Bundesland zurückfließt.

Salomon: Das Geld wird dann unter anderem für den U-Bahn-Bau in Wien verwendet, kritisieren Sie.

Stelzer: Ich wäre ein schlechter Landesvertreter, würde ich sagen, ich habe jemals genug Geld vom Bund. Das Steueraufkommen zeigt die Stärke des Landes.Wir sind aber beim öffentlichen Verkehr nicht gut genug aufgestellt. Wien, das zugegebenermaßen größer ist als Linz, hat viele U-Bahnen bekommen. Wir brauchen ein verlässliches öffentliches Verkehrssystem, vor allem im Zentralraum. Alleine sind wir damit überfordert. Aber hier laufen Gespräche.

Salomon: Sie wollen Arbeitslose in Wien bewegen, nach Oberösterreich zu gehen, um damit dem Fachkräftemangel zu begegnen. War das ein politischer Gag oder machen Sie sich da wirklich Hoffnung? Ich nehme an, Sie kennen den neuesten Spruch, der da lautet, ein echter Wiener wird nicht munter. (allgemeines Lachen)

Stelzer: Wir können zur Zeit bereits 30.000 Facharbeitskräftestellen nicht besetzen. Die Arbeitslosigkeit ist in Wien mehr als doppelt so hoch wie in Oberösterreich. Deshalb wäre das eine Chance für viele. Mit dem Zug ist man nun in einer Stunde 15 Minuten in Linz. Wir bemühen uns ernsthaft. Unser Spruch lautet, willst Du weiterkommen, musst Du nach Oberösterreich kommen.

Salomon: Es gibt eine zunehmende Konkurrenz zwischen Wien und dem Bund. Sind das bereits Vorboten des Wahlkampfes? Die Gemeinderatswahl findet ja erst 2020 statt. Aber die Regierung wird schon jetzt nicht müde darauf hinzuweisen, dass Wien die Stadt mit den vielen Arbeitslosen ist und die Stadt, wo die Menschen fauler sind.

Löger: Man muss aufpassen, kein Wien-Bashing zu betreiben. Ich bin nicht nur in Diskussion mit Wien, sondern auch in Linz wird mein Name da oder dort kritisch kommentiert. Ich nehme für mich in Anspruch, die Dinge anzusprechen, wenn es kritische Fakten gibt, die gelöst werden müssen. Ich habe mir in Linz erlaubt, im Rahmen meiner Verantwortung für die Finanzpolizei eine Stellungnahme abzugeben (Aktenaffäre der Stadt Linz, Anm.d.Red.). Es ist richtig, hier genauer hinzusehen.

Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit einem Wiener Unternehmer. In seiner Branche gibt es 1800 gemeldete arbeitslose Kräfte. Diesen stehen 1600 offene Stellen gegenüber. Hier haben wir offensichtlich ein Problem in der Motivation. Ich kann es schon verstehen, wenn dann ein Landeshauptmann einmal kritisch nach Wien sieht. Es kann nicht sein, dass wir das alles mitfinanzieren. Das gehört angesprochen. Das ist für mich eine fachliche Diskussion.

„Staat allein kann Pension nicht zur Gänze sichern“

Franz Gasselsberger lud ein, 1500 kamen.

Salomon: Was passiert, wenn Wien die vom Bund beschlossene Änderung der Mindestsicherung nicht umsetzt?

Löger: Ich gehe davon aus, die verantwortlichen Politiker in Wien erkennen, dass es Gesetze gibt, die umzusetzen sind und dass sie das auch tun werden. Die Linie, die hinter der Mindestsicherung steckt, ist zu trennen zwischen jenen, die berechtigte Forderungen haben, und jenen, die in Lage sind zu leisten und dazu auch positiv stimuliert werden. Wenn es Wien gelingen würde, das so umzusetzen wie der Durchschnitt der Bundesländern, könnte es einen positiven Milliardenbeitrag für sein Budget leisten. Ich verstehe nicht, dass Wien nicht in der Lage ist, seine eigenen Probleme zu lösen und das auf eine andere Art versucht.

Salomon: Sie haben beide die Freiheitlichen als Koalitionspartner. Deren Handschrift ist in der Bundespolitik schon zu sehen. Es wird eine Politik für den kleinen Mann gemacht. Große, unangenehme Reformen wie die der Pensionen scheut man eher, weil man geliebt werden will.

Löger: Die Formulierung geliebt zu werden mag überzogen sein. Es ist aber schon ein Faktor, dass man in einer politischen Funktion möglicherweise wieder gewählt werden will.

Wir haben viele Menschen, die deutlich vor dem offiziellen Pensionsalter in Pension gehen. Das größte Problem ist hier ist die Altersteilzeitregelung. Wir haben hier mit Jänner 2019 bereits einen ersten Schritt gesetzt, der nächste folgt 2020. Es werden aber weitere Schritte für die nachhaltige Sicherung des Pensionssystems notwendig sein. Wir werden die betriebliche und private Vorsorge zusätzlich stimulieren müssen. Denn es wird in keinem Land Europas möglich sein, das zur Gänze und auf Dauer auf rein staatlicher Pension sichern zu können.

Salomon: Wie sieht es in Oberösterreich aus?

Stelzer: Wir versuchen, Politik für jede Frau und jeden Mann zu machen. Die Koalition von ÖVP und FPÖ wird von zwei Drittel der Bevölkerung getragen. Wir sind uns in vielen Fragen vom Ziel her einig. Koalition bedeutet, dass es trotzdem zwei verschiedene Parteien sind. Man will gemeinsam Ziele errreichen. Wenn die Oberösterreicher unter dem Strich sagen, wir haben für sie etwas weitergebracht, dann bin ich zufrieden. Die Kleine-Mann-Politik ist bei mir ein bisschen ein unfairer Anspruch, denn Sie wissen, dass der Unterschied zu meinem Vorgänger 20 Zentimeter sind. (Lachen)

Salomon: Bei der Steuerreform sollen die unteren Stufen auf 20, 30 und 40 Prozent gesenkt werden, wie der KURIER in seiner aktuellen Ausgabe berichtet.

Löger: Wir werden bei den unteren Stufen überproportionale Kürzungen vornehmen. Ob der Prozentsatz genau so sein wird, kann heute noch nicht fixiert werden.

Themen wie Kleine-Mann-Politik oder ideologische Fixierungen oder Klientel-Politik haben bei mir keinen Platz. Österreich ist ein tolles Land. Aus dem heraus haben wir das Richtige zu machen. Das tun wir. Unabhängig von der Farbe, von der Körpergröße oder anderen Vergleichen.

Salomon: Sie haben den Familienbonus eingeführt, Sie entlasten die unteren Einkommen. Sie stehen im Geruch neoliberal zu sein, dabei sind Sie nicht einmal wirtschaftsliberal, denn Sie greifen Themen wie die Vermögenszuwachssteuer gar nicht an. Für Menschen, die beispielsweise Aktien haben, passiert relativ wenig.

Löger: Wir wissen, dass die Entlastung von Menschen mit einem geringen Einkommen direkt Auswirkungen auf den Konsum hat.

Salomon: So argumentieren die Sozialdemokraten auch.

Löger: Was die Sozialdemokraten dazu sagen, ist mir egal. Es ist eine Chance, diesen Menschen wieder einen größeren Teil ihres Einkommens zurückzugeben. Das ist ihnen gegenüber nur fair.

Wir werden auch etwas für die mittleren Einkommen und für die Unternehmer tun. Wir machen das aus der Logik heraus, dass wir derzeit noch immer eine gute Konjunktur haben. Das ist ökonomisch sinnhaft.

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