Eva-Maria Holzleitner: Definitiv mehr. Unser Ziel ist, stärker zu werden. Es ist mir wichtig, vor allem jene Menschen anzusprechen, die das Vertrauen in die Politik verloren haben und möglicherweise bei der EU-Wahl nicht ihre Stimme abgegeben haben. Das war ein relativ hoher Prozentsatz.
Warum bevorzugen so viele Wählerinnen und Wähler die Freiheitlichen und nicht die SPÖ?
Die Freiheitlichen versuchen, den Bauch anzusprechen. Auf eine Art und Weise, die mir nicht gefällt. Das habe ich bei ihrem Wahlkampfauftakt in Wels wieder feststellen müssen. Sie bedienen die emotionale Ebene. Sie versuchen, Risse in der Gesellschaft, die sich in den vergangenen Jahren gebildet haben, zu vertiefen und noch stärker zu spalten. Sie haben kaum Lösungen.
Sie kommen aus Wels, das bis 2015 eine sozialdemokratische Hochburg war. Seit neun Jahren wird die Stadt von einem freiheitlichen Bürgermeister regiert. Was hat Ihre Partei falsch gemacht?
2015 war ein extremer Einschnitt für die Welser SPÖ, auch für die Stadt. Die Entwicklung hat sich über viele Jahre gezogen, in denen es Konflikte in der Stadtpartei gegeben hat, die die Menschen gespürt haben. Es wurde zwar Freundschaft gesagt, sie wurde aber nicht gelebt.
Die Auftrag für die Gemeinderatswahl 2027 ist, eine klare, kantige Politik zu machen. Man muss auch ganz klar kommunizieren, wenn der Bürgermeister den sozialdemokratisch geführten Ressorts die notwendigen Mittel verweigert. Wir wollen gestalten.
Sie sind 31 Jahre jung, Sie haben schnell Karriere gemacht. Was sind die Gründe für Ihren raschen Aufstieg?
Ich habe mir in meinen kühnsten Träumen nie vorstellen können, Bundesfrauenvorsitzende zu werden. Es gab drei Kandidatinnen für diese Position. Mir ist die Dialogfähigkeit und das miteinander reden sehr wichtig. Generell ist es ein bisschen schwierig, über sich selbst zu reden.
Neben der Dialogfähigkeit werden Sie noch über andere Stärken verfügen?
Ich bin pragmatisch-optimistisch. Ich brenne für sozialdemokratische Themen. Dafür laufe ich wahnsinnig gerne. Ich stand 2021 vor der Entscheidung, als Frauenvorsitzende volle Berufspolitikerin. zu werden. Zuvor habe ich nebenbei noch an der Fachhochschule gearbeitet. Der volle Einsatz für die SPÖ und für die Frauen allgemein war eine Lebensentscheidung, die ich auch in Absprache mit meiner Familie getroffen habe.
Was ist das größte Problem für Frauen?
Der Unterschied zwischen Mann und Frau fängt nach wie vor in der Geldbörse an. Die finanziellen Möglichkeiten sind ein ganz wesentlicher Faktor.
Werden Frauen nach wie vor schlechter bezahlt? In manchen Bereichen wie dem öffentlichen Dienst sind Frauen und Männer doch gleichgestellt.
Auch da gibt es nach wie vor Gehaltsunterschiede, die man nicht so offen im Blick hat, wie zum Beispiel Arbeitsplatzbewertungen oder die Einstufung von Vordienstzeiten. Auch hier ist die völlige Gleichbezahlung noch nicht erreicht. Selbst das AMS gibt zu, dass es den Gender Pay Gap noch nicht zu 100 Prozent bereinigt hat.
Es gibt Arbeitsbereiche, die von Frauen dominiert und schlecht bezahlt sind.
Frauenjobs werden nach wie vor schlechter bezahlt. Das beginnt bei der Elementarpädagogik und betrifft Teile des Gesundheitsbereiches wie die Pflege. Das sind die Jobs, die unser Land am Laufen halten. Die Wertschätzung auf das Gehalt bezogen ist ein wesentlicher Punkt. Selbstbestimmung beginnt bei dem, was ich im Geldbörserl habe. Finanzielle Unabhängigkeit stärkt Frauen allumfassend.
Ein Beispiel, wo das gut funktioniert hat, ist Island. Dort wurde ein Lohntransparenzgesetz eingeführt, das zur Offenlegung der Gehälter verpflichtet. Die Unternehmen benötigen dafür alle drei Jahre eine Zertifizierung. Bei ungleicher Bezahlung gibt es Strafen. Die bei uns teilweise verbreitete Geheimniskrämerei bei den Gehältern ist zum Nachteil der Frauen.
Mit wem soll die SPÖ nach dem 29. September regieren?
Die FPÖ ist ausgeschlossen. Die Bierzeltreden von Kickl & Co. verstärken unsere ablehnende Haltung.
Dann verbleiben als mögliche Koalitionspartner die ÖVP, die Neos und die Grünen.
Frauenpolitisch haben wir mit den Grünen die meisten Überschneidungen. Nach den aktuellen Umfragen wird sich Rot-Grün nicht ausgehen. Man muss sich die Mehrheiten im Parlament ansehen.
Ist eine Koalition mit der ÖVP und den Neos eine Möglichkeit?
Es kommt darauf an, ob sich eine Zweierkoalition ausgeht oder ob es eine Dreierkoalition braucht.
Ist Ihnen eine Koalition mit den Grünen statt den Neos lieber?
Bei Frauenangelegenheiten sind wir mit den Grünen am ähnlichsten. Der Politiker, der sich in der Regierung am stärksten für die Frauen einsetzt, ist Johannes Rauch.
Wenn die SPÖ in die Regierung kommt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie Ministerin werden.
Ich trete nicht an, um irgendwelche Positionen zu bekommen, sondern um der Sache und der Inhalte Willen.
Die Position der Frauenministerin wäre für Sie naheliegend, da könnten Sie sich verwirklichen.
Ein Frauenministerium muss es in jeder Regierung geben. Wenn es das nicht gäbe, würde das bedeuten, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung der Regierung nicht wichtig sind. Eine Regierung ohne Frauenministerin würde von Anfang an versagen.
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