Soziallandesrat Dörfel: "Neue Pflegekräfte aus Indien, Indonesien, Kolumbien und Brasilien"
Christian Dörfel ist seit einem Monat Landesrat für Soziales, Integration und Jugend. Der 63-Jährige folgte in dieser Funktion Wolfgang Hattmannsdorfer, der in den Nationalrat gewechselt ist. Von 2020 bis 2024 war der Jurist Obmann des ÖVP-Landtagsklubs. Dörfel ist 2002 Bürgermeister der Gemeinde Steinbach bei Steyr und seit 2007 ÖVP-Bezirksparteiobmann von Kirchdorf an der Krems. Bürgermeister will er bis zum Herbst 2025 bleiben, damit sich sein Nachfolger nicht einer Direktwahl stellen muss, sondern durch den Gemeinderat gewählt werden kann.
KURIER: Haben Sie die Rolle des Dobermanns in der ÖVP?
Christian Dörfel: (lacht) Nein, habe ich nicht. Ich war Klubobmann und da hat man bestimmte Aufgaben, wie den Laden zusammenzuhalten und mahnende Worte zu sprechen, wenn der Landeshauptmann oder Regierungsmitglieder attackiert werden.
Welche Erwartungshaltung hat der Landeshauptmann Ihnen gegenüber ausgesprochen?
Er hat jemanden gesucht, der ohne Reibungsverluste direkt in die Nachfolge von Wolfgang Hattmannsdorfer einsteigen kann. Einen Mann mit Routine, der weiß, wie das politische Geschäft funktioniert, und der die handelnden Personen kennt.
2027 wird für die ÖVP und Thomas Stelzer eine schwierige Landtagswahl, denn die FPÖ ist sowohl bei der Europa- als auch bei der Nationalratswahl auch in Oberösterreich stärkste Partei geworden. Für viele Wählerinnen und Wähler ist die Migrationsfrage eine wesentliche Frage im Stimmverhalten. Was bedeutet das für Sie, wo Sie doch für Integrationsfragen zuständig sind?
Das Ressort ist eine Herausforderung. Es gilt die Weichen zu stellen, wie wir in Zukunft zusammenleben möchten. Die Integration ist das Entscheidende. Bei der Migration ist die EU auf einem guten Weg. Mit dem Asylpakt, mit Asylzentren an den Außengrenzen, mit Rückführungsabkommen, damit keine unkontrollierte Zuwanderung erfolgt. Den Worten müssen nun Taten folgen. Ich glaube, dass wir hier auf einem guten Weg sind.
Der zweite Punkt ist, wie wir mit jenen umgehen, die schon hier sind. Das sind Asylberechtigte und Migranten, die schon länger da sind und für die Stimmung im Land entscheidend sind. Wir wollen den von Hattmannsdorfer eingeschlagenen Weg fortsetzen. Mit Deutsch als gemeinsamer Sprache und mit Arbeit als Lebensmodell. Und vor allem mit Respekt vor unserer Lebensweise und unseren Werten. Da müssen wir nachsetzen, damit die Stimmung in der Bevölkerung besser wird.
So manche sind hier kritisch eingestellt.
Die Menschen unterscheiden nicht, ob es sich um einen Asylwerber handelt oder um jemanden, der schon länger da ist und nicht Deutsch kann und sich nicht in die Gesellschaft einfügt. Da müssen wir ansetzen.
Was heißt ansetzen konkret?
Wir werden die Wertekurse verstärken. Wir müssen noch stärker auf das Leben in Oberösterreich eingehen, damit die Migranten wissen, wie bei uns die Umgangsformen sind, worauf es ankommt. Ich rede hier nicht von der Kenntnis von Gesetzen. Diese setze ich sowieso voraus. Sie müssen wissen, wo sie sind und wie man sich bei uns benimmt.
Wie benimmt man sich in Oberösterreich?
Zum Beispiel respektvoll gegenüber Frauen. Klar ist auch, dass staatliche Gesetze gegenüber religiösen Regeln Vorrang haben. Dass man sich in die Augen schaut, wenn man miteinander redet. Dass man die Kinder so auf die Leben vorbereitet, dass sie sich im Kindergarten und in der Schule zurechtfinden. Dass sich die Eltern bemühen, dass die Kinder Deutsch lernen.
Es erwartet niemand, dass sie mit einer Lederhose oder einem Dirndlkleid herumlaufen, das machen die hier Geborenen auch nicht. Es geht um Alltägliches, wie man sich zum Beispiel in der Straßenbahn benimmt. Dinge, die für uns vielleicht selbstverständlich sind, aber für jene, die zu uns kommen, völlig neu sind, weil sie aus einem anderen Kulturkreis kommen.
Wie kann man das vermitteln? Das lässt sich durch Gesetze nicht erzwingen.
Wir machen das bereits in Ansätzen, aber das muss noch verstärkt werden. Es muss das Jugendreferat auch diese Richtung unterwegs sein, es ressortiert ebenfalls zu mir. Wir müssen in die Schulen gehen, was wir auch vorhaben. Zum Beispiel mit der Aktion Lernen fürs Leben.
Wir brauchen Vorbilder an Zugewanderten, die es geschafft haben. Im Sport, in der Wirtschaft, in allen Bereichen. Sie sollen signalisieren, schaut her, es gelingt, wenn ihr bereit seid, Leistung zu erbringen, wenn ihr gut Deutsch sprecht, dann habt ihr tolle Aufstiegsmöglichkeiten in Oberösterreich. Das muss in die Community rein.
Wo ist in der ÖVP der Integrationsvertreter?
Der bin ich. (lacht)
Sie sind aber kein Migrant. In den führenden Positionen ist keiner zu finden.
Efgani Dönmez ist im Familienbund aktiv.
Er musste sein Nationalratsmandat nach einem frauenfeindlichen Posting zurücklegen.
Wir haben Vertreter in den Gemeinden. Auf Landesebene haben wir zurzeit keinen.
Wäre es nicht an der Zeit?
Man kann das überlegen, wenn es jemand Geschickten gibt. Es geht aber gar nicht so sehr darum, ob jemand politisch aktiv ist oder nicht. Wir wollen nicht nur darüber reden, dass Migranten alle Chancen haben, sondern dafür den Beweis erbringen, dass es tatsächlich passiert. Das ist aussagekräftiger als, wie wenn wir noch so viele Wertekurse machen.
Ihr zweiter großer Bereich ist die Pflege. Wie wird es hier weitergehen?
Sie ist die große Herausforderung. Wir werden die Fachkräftestrategie fortführen, im Vorjahr konnten wir 400 zusätzliche Fachkräfte gewinnen.
Wie viele wollen Sie noch gewinnen?
Wir haben zur Zeit Posten ausgeschrieben. Die Liste der Länder wurde neben den Philippinen um Indien, Indonesien, Brasilien und Kolumbien erweitert. Agenturen wurden beauftragt, um neue Fachkräfte anzuwerben. Für die Sozialhilfeverbände haben wir die Service-GesmbH gegründet, die das für sie übernimmt. Gleichzeitig verstärken wir die Ausbildung in Oberösterreich.
In Wahrheit geht es darum, so viele Pflegekräfte wie möglich zu bekommen. Wie viele es insgesamt sein werden, kann ich noch nicht sagen. Fix ist, dass nächstes Jahr die nächsten hundert von den Philippinen kommen werden. Aufgrund der Kursbesuchszahlen gehe ich davon aus, dass wir nächstes Jahr auch wieder 400 zusätzliche Pflegekräfte haben werden.
Wird das reichen?
Der Bedarf wird nicht enden. Wir brauchen die Pflegekräfte nicht nur in den Altenheimen, sondern auch in den Krankenhäusern und in der mobilen Betreuung. Denn auch die Betreuung im Familienverband wird nicht weiter so funktionieren wie bisher. Daher werden wir schauen, welche alternativen Betreuungsmodelle wir als dritte Schiene entwickeln können. Wir werden den Sozialhilfeverbänden eine Art Werkzeugkoffer zur Verfügung stellen, die das in ihren Regionen ausrollen. Denn das, was in den Städten funktioniert, muss nicht am Land funktionieren, und umgekehrt.
In den Pflegeheimen stehen noch immer 1.000 Betten wegen des Fehlens von Pflegepersonal leer. Wann sind die 1.000 Betten belegt? Bis 2027?
Das wäre schön. Wenn ich das sagen könnte, wäre ich Nobelpreis-verdächtig. Unser Bestreben ist es, so wenig leere Betten zu haben wie möglich. Denn es muss die Sicherheit da sein, Betreuung zu bekommen, wenn sie benötigt wird. In der unterschiedlichsten Form. Die Grundphilosophie ist, ein Altern in Würde in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Das Eintrittsalter in die Altenheime steigt, weil die mobile Betreuung funktioniert.
Ist das alles finanzierbar?
Die Vorschau zeigt, dass das System an einer Grenze angelangt ist. Auf der einen Seite beim Personal, auf der anderen Seite bei der Finanzierung. Wir wollen andere Modelle entwickeln, die dieselbe qualitätsvolle Betreuung sicherstellen, aber vielleicht günstiger sind.
Was heißt das? Bitte ein Beispiel.
Wenn wir eine qualitätsvolle mobile Betreuung sicherstellen, braucht man nicht zwingend in ein Heim gehen. Wir müssen uns auch überlegen, wie wir die Überleitung vom Krankenhaus nach Hause bewältigen können. Wir brauchen Überleitungsstationen, denn die Patienten können nach dem Krankenhausaufenthalt oft noch nicht alleine zu Hause wohnen.
Wo sollen diese Überleitungsstationen sein? In den Spitälern?
Es gibt zwei Modelle. Das eine ist im Zusammenhang mit einem Alters- oder Pflegeheim, das andere am Gelände eines Krankenhauses, aber nicht im Rahmen der Krankenanstaltenfinanzierung. Hier gibt es verschiedene Überlegungen. Wir wollen im nächsten Jahr so weit sein, dass wir sagen können, was das Modell der Zukunft sein wird.
Parallel dazu gibt es den Pflegefonds des Bundes, der jährlich um 4,5 Prozent steigt. Das ist eine Erleichterung, aber es ändert nichts daran, dass man versuchen muss, wirtschaftlich vernünftige Modelle zu finden, die die gleiche Qualität haben wie die bisherige Betreuung. Wir stellen fest, dass die Fachkräfte in der Altenbetreuung besser ausgebildet sind, als was sie tun dürfen. Wir müssen hier das herrschende Kastldenken überwinden. Derzeit schaffen wir viele Kosten, ohne dass die Qualität erhöht wird. Wir müssen das Personal so einsetzen, wie es ihrem Wissen entspricht.
Wir haben einen Pflegetechnologiefonds geschaffen, wo wir mithilfe moderner Technologien die Tätigkeiten der Pflegekräfte erleichtern. Damit wird das Berufsbild noch attraktiver.
Wie beschreiben Sie sich selbst als Politiker?
Engagiert, getrieben von einem Gestaltungswillen, durchsetzungsstark, aber auch offen. Ich nehme schon Ratschläge an und versuche sie, mit meiner Linie zu kombinieren. Ich bin bekannt als Sachpolitiker. Wenn man etwas umsetzen will, braucht man einen breiten Konsens, über die verschiedenen Parteien hinweg.
Die ÖVP ist in einer Koalition mit den Freiheitlichen. Die FPÖ-Landespolitiker attackieren die Bundes-ÖVP. Wie ist das Verhältnis zu den Freiheitlichen?
Im Land funktioniert die Koalition mit der FPÖ gut, weil die gegenseitige persönliche Wertschätzung da ist. Für uns ist entscheidend, dass wir im Land für die Menschen etwas weiterbringen. Das passt. Wenn es Attacken gegen die Bundespartei gibt, ist das Teil der parteipolitischen Folklore. Aber das darf sich nicht negativ auf die Landespolitik abfärben.
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