Selbstachtung & Selbstvertrauen

Selbstachtung & Selbstvertrauen
Der Philosoph und Theologe Clemens Sedmak über die Voraussetzungen, die die Gesellschaft den jungen Menschen schuldet.

Clemens Sedmak ist  gebürtiger Bad Ischler und leitet das Zentrum für Ethik und Armutsfroschung an der Universität Salzburg. Weiters unterrichtet der 40-jährige  Universitätsprofessor am King’s College in London. Er war Hauptredner  beim Pfingsttreffen der ÖVP  im Stift Riechersberg und referierte  zum Thema  „Was schulden wir der Jugend?“ Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern.  

KURIER: Warum schuldet die Gesellschaft der Jugend etwas?
Clemens Sedmak: Dass Eltern ihren Kindern, die sie in die Welt gesetzt haben, etwas schulden, dürfte einleuchten. Die Kinder  wurden nicht gefragt, die Kinder sind verwundbar und angewiesen auf Begleitung, die Eltern haben Sorgepflichten. Ähnliche Gedanken kann man auf die Gesellschaft als solche übertragen.  Jede  Generation hat zweifache Pflichten:  gegenüber der Vorgängergeneration, die aufgebaut und ermöglicht hat, und gegenüber der Nachfolgegeneration, die weiterbauen wird. Die Gesellschaft ist ein Ganzes und bildet eine Schicksalsgemeinschaft, bei der die Schicksale der einzelnen Generationen miteinander verwoben sind.

Was schuldet die Gesellschaft der Jugend?
Die Gesellschaft schuldet der Jugend ein gutes Lebensfundament und einen guten Start ins Leben. Ein gutes Lebensfundament sind Selbstwissen, Selbstachtung und Selbstvertrauen. Junge Menschen müssen wissen, wer sie sind, was sie wollen, was sie können, wenn sie im Leben einen guten Weg gehen möchten. Der gute Start ins Leben hat mit  offenen Türen und echten Gelegenheiten zu tun. Kurz, die Gesellschaft schuldet den jungen Menschen die Möglichkeit, das eigene Leben in die Hand zu nehmen und an einer Existenz zu bauen.

Welche Rolle kommt den Vätern zu?
Väter sind Sorgende, die die Kinder mit „starker Sorge“ begleiten, mit Verantwortung und der Freude, wenn Kinder blühen. Väter sind Ermöglicher, die Räume erschließen können. Väter sind Vorbilder, die einen Weg zeigen, wie Leben möglich ist. Väter sind Gesprächspartner, die ein Gespräch anbieten. So wäre zumindest die Idee. Das ist nicht sehr weit weg von dem, was ich über Mütter geschrieben hätte.

 Was brauchen die Jungen, um zu einem erfüllten Leben zu finden?
Eine Lebensrichtung, eine Lebenstiefe, Lebenskraft, ein „Warum“ im Leben.

Was heißt Lebensplatz? Wie findet man ihn?
Lebensplatz“ ist analog zum „Arbeitsplatz“ mehr als nur „Leben“ so wie ein Arbeitsplatz mehr als nur Arbeit ist. Es ist eine Verankerung im Leben mit wichtigen Bezugspersonen, mit wichtigen Tätigkeiten, mit dem Wissen um Zugehörigkeit. Die Suche nach einem Lebensplatz ist wie die Suche nach einem Zeltplatz. Jede Bindung, die ich eingehe und erfahre, ist wie ein Pflock, der das Zelt verankert.

Wie finden die Jungen Anerkennung?
Anerkennung durch Peers (Gruppe von Gleichgestellten), Anerkennung durch Begleiterinnen und Begleiter, Anerkennung durch Gruppen, denen sie angehören, Anerkennung durch erbrachte Leistung. Für das Selbstvertrauen ist Zugang zu Quellen von Anerkennung entscheidend. Da können auch Arbeitsumfeld und Bildungssystem Wesentliches beitragen, aber auch der öffentliche Diskurs, wie über die Jungen gesprochen wird. Raunzen hilft hier nicht.

Sie verwenden den Begriff „starke Sorge“. Was bedeutet er?
„Starke Sorge“ (Robust Concern)  ist ein Begriff des amerikanischen Philosophen Harry Frankfurt und meint eine Verantwortung, für die man sich ernsthaft entschieden hat.

Sie sagen, die  Jungen benötigen Companionship. Wie kann sie aussehen?
Begleitung möge durch Menschen erfolgen, die nicht an sich selbst und der eigenen Autonomie in erster Linie interessiert sind, sondern „generative Menschen“ sind, wie das Erik Erikson genannt hat, also Menschen, die selbst auf festem Grund stehen, Vertrauen vermitteln und Freude am Blühen anderer haben.

Wie wichtig ist Innerlichkeit?
Innerlichkeit sind innere Ressourcen, aus denen man schöpfen kann, die nicht von äußeren Umständen abhängen, die man überallhin mitnehmen kann, die auch angesichts widriger Umstände halten können.
Innerlichkeit ist „innerer Reichtum“ und meint auch die Fähigkeit, in sich zu ruhen, eine Mitte zu haben.  Entscheidend!

Was heißt kulturelles Kapital, was soziales Kapital?
Kulturelles Kapital sind Bildung und Werte, soziales Kapital sind Kontakte und Zugang zu Netzwerken. Beides ist entscheidend für das Leben und auch für einen guten Start ins Leben.

Wie können die Jungen zu Netzwerken finden?
Sinnvoll wäre es, wenn die Bildungsinstitutionen hier Zugänge erschließen würden. Denkbar ist auch ein Mentoring-System, in dem jeder junge Mensch weiß, dass er Begleiter hat, die einen Zugang zu Netzwerken erschließen können. Zugang finden heißt, eingeladen zu werden.

Wie sollte die Teilhabe junger Menschen aussehen?
Mitgestalten, „Co-Ownership“ der Gesellschaft und des öffentlichen Raums. Das bedeutet, die Jungen bei  bei Entscheidungen einzubinden und ihnen  auch Verantwortung übertragen. 

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