Schaller zu Klimazielen: "Zu viel Bürokratie, zu wenig Anreize"
Heinrich Schaller (64) ist seit 2012 Generaldirektor der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich.
KURIER: Der Neubau des Möbelkaufhauses Lutz an der Linzer Donaulände wird demnächst eröffnet. Wann können Sie den bisherigen Lutz-Standort in der Goethestraße übernehmen und wann beginnt dort der NeubauIhrer Bankzentrale?
Heinrich Schaller: Wir rechnen mit der Projektübergabe Mitte Juli. Ich kann momentan schwer abschätzen, wann wir tatsächlich mit dem Neubau starten. Es braucht noch einige Detailplanungen. Aber Ende des Jahres könnte es losgehen.
Wann erwarten Sie die Fertigstellung?
Nachdem es Verzögerungen gegeben hat, wird das vor 2028 nicht der Fall sein.
Die wirtschaftliche Situation ist schwierig.
Sie wird bis Mitte des Jahres schwierig bleiben, dann rechne ich mit einer leichten Erholung. Im Jahr 2025 wird es besser werden.
Wie wird sich das auf das Ergebnis der Bank auswirken?
Die Nachfrage nach Krediten, insbesondere nach Investitionskrediten, ist sehr gedämpft. Der Wohnbau ist fast zum Erliegen gekommen. Ich hoffe, dass es durch das Wohnbaupaket der Regierung besser wird. Nach dem Durchschreiten der Talsohle in einem halben Jahr hoffe ich, dass die Stimmung wieder besser wird. Die Wirtschaft lebt ja nicht zuletzt auch von der Stimmung.
Aufgrund der Lohn- und Gehaltsabschlüsse müsste es von den Konsumenten eine entsprechende Nachfrage geben.
Der Konsum ist nicht so stark eingebrochen wie ursprünglich befürchtet. In Österreich ist die Inflation im EU-Vergleich am höchsten. Eine der Ursache sind sicherlich die hohen Lohnabschlüsse. Ich bin bei einer so hohen Inflation für vernünftige Abschlüsse, aber man sollte hier mit Maß und Ziel vorgehen, weil sich das früher oder später auf die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft auswirken wird. Wir könnten hier im internationalen Wettbewerb Probleme bekommen.
Warum sollen die Arbeitnehmer die Suppe der hohen Inflation auslöffeln, für die sie keine Verantwortung tragen?
Wenn die Konjunktur nach unten geht, und wir sind in einer derartigen Phase, dann spüren das alle. Das war immer so. Dass die Schwächsten der Gesellschaft unterstützt werden, darüber darf es keine Diskussion geben. Es entspricht jedoch nicht der wirtschaftlichen Realität, dass alles so ausgeglichen wird, dass wir überhaupt keine Veränderungen spüren.
In solchen Situationen ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Löhne nicht dauerhaft in dieser Höhe steigen. Wir hatten in den beiden vergangenen Jahren deutlich höhere Lohnabschlüsse als in Deutschland, das unser wichtigster Abnehmermarkt ist.
Der wesentlichste Grund für die hohe Inflation ist doch, dass die Bundesregierung hier versagt hat.
Ja, das sehe ich auch kritisch. Man kann in der Politik nicht alles ausgleichen, was man aufgrund wirtschaftlicher Gegebenheiten einsparen muss, zumindest eine gewisse Zeit lang. Die unteren Einkommen muss man stützen, die Gießkanne ist übertrieben. Ist es wirklich notwendig, dass ich einen Energieausgleich von 500 Euro bekomme?
Für die Unternehmen sind die enorm gestiegenen Energiekosten ein Problem. Vor allem im internationalen Wettbewerb. Was ist hier notwendig?
Die massiv gestiegenen Energiekosten rühren in Europa ganz wesentlich vom Krieg Russlands gegen die Ukraine her. Die Bezugsquellen der Energie müssen besser gestreut werden.
Das hätte Europa schon vorher einfallen können.
Aber das Gas aus Russland war günstig. Wenn sich ein Unternehmen nur auf einen Kunden verlässt, ist das hochriskant, denn wenn der Kunde ausfällt, ist das Unternehmen erledigt.
Die Vertreter der Industrie sprechen von Deindustrialisierung, von einem Weggehen der Unternehmen aus Europa. Findet diese tatsächlich statt?
Ob sie jetzt schon stattfindet, kann ich nicht sagen. Aber die Gefahr besteht. Die Unternehmen, die expandieren wollen, überlegen sehr wohl, ob sie das noch in Europa oder in anderen Teilen der Welt machen sollen. Die Abwanderung der Industrie ist das Schlechteste, was Europa passieren kann.
Der Zins ist in der Finanzwirtschaft das Um und Auf. Es soll heuer ab Mitte des Jahres zwei bis drei Zinssenkungen geben.
Ich habe Ende vergangenen Jahres vermutet, dass die Zinssenkungen erst später kommen werden. Ich rechne mit zwei bis drei leichten Zinssenkungen in diesem Jahr. Die Inflation geht stark zurück, in Deutschland auf 2,5 Prozent. Es gibt aber Euroländer, die sind noch immer sehr weit oben. Es ist nicht einfach, wie die Europäische Zentralbank hier den Ausgleich schaffen kann.
Welche Folgen werden diese Senkungen zeitigen?
In dem Moment, in dem die Zinssenkungen beginnen, kommt das Vertrauen zurück. Es wird wieder mehr investiert und konsumiert. Die Wirtschaft geht nach oben. Die Zinssenkung ist wichtig, aber sie darf nicht zu bald sein, sonst wird das Gegenteil erreicht, dass die Inflation noch einmal nach oben geht. Das ist auch der Grund, warum die EZB wartet.
Die Bauwirtschaft ist von der Zinserhöhung besonders getroffen. Wie kann der Wohnbau angekurbelt werden?
Ich halte das Paket der Bundesregierung für richtig und wichtig, weil wir insbesondere in den Zentralräumen Wohnungen brauchen. Wir sehen, dass der private Wohnbau, insbesondere wenn es um den Erwerb von Eigentum geht, mehr oder weniger zum Erliegen gekommen ist. Ich halte es für problematisch, wenn Menschen sich Eigentum nicht mehr leisten können. Es wird ein bisschen dauern, bis die Maßnahmen greifen.
In Krisenzeiten sollten Infrastrukturmaßnahmen getätigt werden. Das ist Aufgabe der öffentlichen Hand. Investitionsförderungen haben immer geholfen. Das hat man in der Pandemie wieder gesehen. Es gibt jetzt noch immer Investitionen, die aufgrund von Förderungen während der Pandemiezeit begonnen wurden. Solche Maßnahmen wirken sehr gut.
Ihre Bank ist im Wohnbaubereich stark engagiert. Zu Ihnen gehören die Realtreuhand, die OÖ Wohnbau und die WAG.Warum engagieren Sie sich hier so stark?
Es hat bisher immer Sinn gemacht, sich im Immobilienbereich zu engagieren. Das betrifft sowohl den Erwerb von Eigentum als auch die Finanzierung. Warum sollten wir das aufgeben? Es rechnet sich.
Wie läuft das Geschäft mit Ihren vielen Firmenbeteiligungen? Das sind ja rund 350.
Nach wie vor sehr gut.
Obwohl die Wirtschaft am Rande einer Rezession ist.
Natürlich sind auch Unternehmen dabei, die Ertragsrückgänge verzeichnen. Das ist völlig klar in so einer Phase. Das heißt aber nicht, dass sie an Wert verlieren. Für uns ist die Wertentwicklung wesentlich. Sie ist nach wie vor eine sehr gute, wir sind hochzufrieden und denken nicht daran, das aufzugeben.
Gibt es weitere Zukäufe?
Dort, wo es möglich ist und Sinn macht, werden wir zukaufen.
Wie ist Ihre Renditeerwartung? Zehn Prozent? Gibt es hier Vorgaben?
Vorgaben gibt es keine. Aber es gibt natürlich eine interne Vorstellung, die
wir allerdings nicht nach außen kommunizieren.
Die Digitalisierung verändert auch die Finanzwirtschaft. Fast jeder Kundewickelt seine Bankgeschäfte online ab. Führt das zu einer Reduzierung der Mitarbeiter?
Derzeit nicht, ich glaube auch in Zukunft nicht. Im Gegenteil, wir ringen darum, genug Mitarbeiter zu bekommen. Momentan ist eine Phase, in der es leichter ist, Personal zu bekommen. Wir nutzen sie, weil wir überzeugt sind, dass wieder eine Zeit kommt, in der wir nicht genügend Leute bekommen.
Was machen diese?
Es sind sehr viele im IT-Bereich, sehr viele im Risikomanagementbereich, in der Beratung, im regulatorischen Bereich. Das sind die vier Hauptbereiche. Es ist wichtig, dass die Digitalisierung im Bankbereich weiter vorangetrieben wird, vor allem, wenn es nicht genügend Mitarbeiter gibt. Sie ist für alle Beteiligten sehr hilfreich.
Im Juni wird das Europaparlament neu gewählt, im Herbst der Nationalrat. Welche Impulse erwarten Sie von den beiden Wahlgängen?
Ich würde mir wünschen, dass eine vernünftige Wirtschaftspolitik mit weniger Regulierung betrieben wird. Vernünftige Wirtschaftspolitik heißt, dass wir nicht mit der Gießkanne Leistungen verteilen, die wir noch gar nicht erwirtschaftet haben.
Was meinen Sie? Die Coronahilfen?
Bei den Coronahilfen bin ich vorsichtig, ein schnelles Urteil zu fällen. Ich möchte nicht vor der Situation stehen, beurteilen zu müssen, welche Hilfe notwendig waren und welche nicht. Im Nachhinein klüger zu sein, ist hier gewagt. Aber grundsätzlich muss man sich genau ansehen, wer unterstützt wird. Das Gießkannenprinzip halte ich für schlecht.
Was heißt vernünftige Wirtschaftspolitik?
Unterstützung und Freiräume für die Wirtschaft. Wenn man politisch in eine bestimmte Richtung drängt, wie zum Beispiel den CO2-Ausstoß zu eliminieren, dann wäre es vernünftig, das mit Förderungen zu machen und nicht mittels Regulierung. Das, was den Unternehmen inzwischen an Umweltregulierung aufgebürdet wird, wird sich in massiv erhöhten Kosten niederschlagen, und ist teilweise nicht mehr bewältigbar. Wenn die Unternehmen nur mehr mit Verwaltung beschäftigt sind, sind sie nicht mehr produktiv. Das ist ein Problem.
Die Gefahr der Verzerrung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist ebenfalls gegeben, denn die hiesigen Unternehmen müssen die Auflagen erfüllen, in anderen Weltregionen nicht.
Ich halte die Ziele für richtig, nur der Weg dorthin ist ein falscher. Viel zu viel Bürokratie, zu wenig Anreize. Die Amerikaner setzen auf Anreize.
US-Präsident Biden gibt 370 Milliarden Dollar für die Energiesicherheit und den Klimaschutz aus. Sollte die EU etwas Ähnliches machen?
Ja. In einem ähnlichen Umfang.
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