Schaller: „Digitaluni in die Kepleruniversität integrieren“
Heinrich Schaller ist seit 2012 Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Von 2006 bis 2012 war der heute 64-Jährige Vorstand der Wiener Börse. Sein Vater Karl Schaller leitete von 1949 bis zu seinem Tod bei einem Verkehrsunfall 1973 die Raiffeisen Zentralkasse, die Vorgängerin der Raiffeisenlandesbank. Heinrichs Bruder Martin Schaller (59) ist Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenlandesbank Steiermark.
KURIER: Raiffeisen hält 350 Unternehmensbeteiligungen und ist ein starker Kreditgeber für Unternehmen. Was benötigen diese Unternehmen von der neuen Regierung?
Heinrich Schaller: Insbesondere jetzt zeigt sich, dass die Industrie für den Standort extrem wichtig ist. Viele Menschen sind in diesem Bereich beschäftigt, Oberösterreich steht für 25 Prozent der österreichischen Exporte. Die Industrie bringt eine enorme Wirtschaftsleistung, was Wohlstand bedeutet. Man muss alles versuchen, den Wohlstand und damit weitergehend die Industrie im Land zu halten.
Das ist nicht nur der Einzige, aber auch ein Grund, warum wir sagen, unsere Geschäftspolitik ist auch für den Standort Oberösterreich wichtig. Wir wollen nicht, dass Headquarters (Unternehmenszentralen) plötzlich ins Ausland verlegt werden, weil sie von internationalen Firmen übernommen werden.
Die Industrie spricht von einem Arbeitsplatzabbau von fünf bis zehn Prozent. Dieser Arbeitsplatzverlust ist doch erheblich.
Er ist ganz stark darauf zurückzuführen, dass die Industrie im gesamten europäischen Raum von der EU-Gesetzgebung massiv behindert wird. Da wird da oder dort in Österreich noch aufgedoppelt. Dazu kommt noch das Problem, dass wir in den vergangenen Jahren gewaltige Lohnsteigerungen hatten. Innerhalb der EU eine der stärksten. Da wird es für die Betriebe sehr schwer, international konkurrenzfähig zu bleiben.
Die Gewerkschaft fordert die Abgeltung der hohen Inflation, die in Österreich deutlich über dem europäischen Durchschnitt lag. Das ist doch eine berechtigte Forderung.
Die Frage ist, ob es im gleichen Ausmaß sein muss. Denn das sind Maßnahmen, die die Inflation weiter befeuern statt sie einzudämmen. In Spitzenzeiten der Inflation muss nicht alles ausgeglichen werden, man kann das zu einem späteren Zeitpunkt nachholen, wenn die Zeiten wieder besser sind.
Ihrer Meinung nach waren die Kollektivvertragsabschlüsse zu hoch?
Ja.
Um wie viel zu hoch?
Das kann ich nicht im Detail sagen. Deutschland hat deutlich niedrigere Abschlüsse gehabt.
Haben Österreich und Europa nicht ein viel grundsätzlicheres Problem? Opel-Chef Florian Hüttl sagt, sie können in Deutschland keine Elektroautos bauen, die zwischen 25.000 und 30.000 Euro kosten, mit deutschen Lohn- und Energiekosten gehe das nicht. Ähnliches gilt wohl für Österreich. Die Produktion ist hierzulande zu teuer?
So ist es.
Zum Beispiel in Relation zu Asien.
Dort sind die Personal-und Energiekosten deutlich niedriger. Österreich und Deutschland haben vom günstigen Gas profitiert. Das ist weggefallen. Dazu kommt, dass aufgrund der Nachhaltigkeitspolitik, die in Europa in den vergangenen fünf bis sieben Jahren betrieben worden ist, Auflagen aufgebürdet worden sind, die zu immensen Kostensteigerungen geführt haben.
Zum Beispiel?
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist völlig übertrieben. Oder das Lieferkettengesetz. Die Unternehmen müssen dafür einen unglaublichen Aufwand betreiben. Das verursacht Kosten, die auf die Produktpreise überwälzt werden müssen. Das sind alles Nachteile, die wir zu tragen haben. Das wurde von der europäischen Politik viel zu wenig beachtet.
Die Perspektiven sind nicht rosig?
Man muss versuchen, die Überregulierung zurückzuschrauben. Es genügt nicht, weniger Gesetze zu erlassen, sondern es muss der aktuelle Bestand massiv reduziert werden. Dann hätte man im internationalen Bereich wieder einen gewissen Gleichstand.
Die Politik singt das Lied des Bürokratieabbaus schon seit Jahrzehnten. Und es wird immer schlimmer.
Das ist leider der Fall, wir kriegen es offensichtlich nicht in den Griff.
Das Versagen liegt primär auf der europäischen Ebene?
Ja, was die Regulierung betrifft.
Wo liegen unsere Chancen?
Österreich hat es bis jetzt geschafft, im technischen Bereich sehr viel Know-how zu entwickeln. Wenn wir das beibehalten können, haben wir nach wie vor gute Chancen. Dafür braucht es die entsprechenden Ausbildungen. Der schulische Bereich und die Universitäten müssen gestärkt werden. Wenn wir bei den Preisen nicht mithalten können, müssen unsere Produkte besser sein. Die Digital-Universität ist wichtig in der weiteren Entwicklung und bietet Chancen für den Standort. Sie muss interessant sein, damit sie neue Studenten anzieht.
Die Digital-Universität kommt aber nicht wirklich auf die Beine.
Sie bietet Chancen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Digital-Universität auch innerhalb der Johannes-Kepler-Universität (JKU) gut aufgehoben wäre. Weil die JKU im naturwissenschaftlichen Bereich Institute hat, die gute Leistungen und gute Ausbildungen liefern. Der einzige Vorteil für eine eigene Universität ist, dass sie nicht unmittelbar dem Universitätsorganisationsgesetz unterliegt. Es ist ein Konstrukt sui generis (der eigenen Art), und damit ist mehr Flexibilität gegeben.
Die technisch-naturwissenschaftliche Fakultät (TNF) hat international einen guten Ruf. Es ist unverständlich, dass man bei der Aufsetzung der Digital-Universität nicht stärker versucht hat, die beiden stärker zu verzahnen.
Es wurde darüber diskutiert, aber der politische Wille für eine eigene Universität war sehr stark, weil man geglaubt hat, dass man sie so besser durchbringt. Die Argumentation der stärkeren Flexibilität in der Organisation hat etwas für sich.
Die Variante für eine Integration in die JKU ist nach wie vor gegeben?
Die Variante ist möglich, ich würde sie nicht für falsch halten.
Was bedeutet US-Präsident Donald Trump für die Europäer?
Das ist extrem schwer einzuschätzen. Er ist stark Amerika-bezogen, aber das sind andere Staaten wie zum Beispiel China auch. Er kann der europäischen Wirtschaft massiv schaden. Er ist aber sehr sprunghaft. Er sagt einmal dies, das andere Mal das. Er hat einen gewissen Hang zum Isolationismus.
Den hat es in den USA immer schon gegeben.
Ja, schon. Aber die USA waren immer darauf bedacht, zu Europa ein sehr gutes Verhältnis zu haben. Hier bin ich mir bei Trump nicht sicher.
Die Europäer werden ihre Verteidigungsanstrengungen erhöhen müssen. Halten Sie das für gut?
Ja. Seit Jahrzehnten haben wir uns auf die Amerikaner verlassen. Jetzt sehen wir, dass wir weit hinten nach sind, wenn sich die USA zurückziehen sollten. Europa muss schauen, dass es gut dasteht, falls das passieren sollte.
Das Verhältnis zu Russland ist aufgrund des Krieges gegen die Ukraine gestört. Was ist an Lösungen möglich?
Im Moment überhaupt nichts. Selbst wenn die kriegerischen Auseinandersetzungen gestoppt werden, werden die Sanktionen gegen Russland nicht von heute auf morgen wegfallen. Das wird noch lange dauern.
Raiffeisen hat über die Raiffeisen Bank International gute Geschäfte mit Osteuropa und Russland gemacht. Kann man diese in absehbarer Zeit wieder aufnehmen?
Es schaut im Moment nicht so aus. Man muss auch zwischen Osteuropa und Russland unterscheiden.
Wie sollte Europa das Verhältnis zu China gestalten?
Es wäre gut, wenn sich Europa mit China auf vernünftige Handelsabkommen einigt. Natürlich muss berücksichtigt werden, dass die chinesischen Produkte wie zum Beispiel Elektroautos nicht staatlich gestützt werden. Für die europäischen Unternehmen darf es keine unfaire Behandlung geben. Vernünftige Handelsbeziehungen zu China sind extrem wichtig.
Haben sich die Europäer nicht zu sehr von der Produktion in China abhängig gemacht? Es gibt auch andere Länder in Asien.
China ist ein extrem großer Markt, daher hat man sich darauf konzentriert.
Halten Sie eine Regierungskoalition von ÖVP, SPÖ und Neos für vernünftig?
Man muss sich das Ergebnis dieser Verhandlungen ganz genau anschauen. Ein derartiges Regierungsprogramm müsste detailliert sein, sodass relativ wenig Spielraum besteht. Die ÖVP muss Wert darauf legen, dass wirtschaftspolitisch viel gemacht wird. Damit es zu einem Konjunkturaufschwung kommt. Wenn diese beiden Voraussetzungen gegeben sind, warum nicht? Man muss das Verhandlungsergebnis abwarten. Streitereien wie in Deutschland wären das Schlimmste, was uns passieren könnte.
Die FPÖ hat die Wahl gewonnen, mit Herbert Kickl will niemand koalieren. Wie soll man mit der FPÖ umgehen?
Man muss sich der Realität stellen. Wenn mit dem Wahlgewinner niemand koalieren will, ist das zur Kenntnis zu nehmen.
Es ist das eine, Wahlen zu gewinnen, das andere, Regierungsverhandlungen zu gewinnen.
Für eine tragfähige Regierung braucht es im Parlament eine tragfähige Mehrheit. Diese Mehrheit ist mit 28,8 Prozentpunkten nicht da.
Wie steht Raiffeisen Oberösterreich heute da?
Sehr gut. Raiffeisen Oberösterreich ist noch nie so stark dagestanden wie jetzt.
Sie feiern heute, Montag, Ihren 65. Geburtstag. Was wünschen Sie sich?
Viel Gesundheit.
Wie werden Ihre weiteren Jahre aussehen?
Mehr Sport. Aber da sagt man immer, der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. (lacht) Ich werde früher oder später mehr reisen, denn das mache ich gerne. Was meine berufliche Tätigkeit betrifft, bin ich am Sondieren. Aber das macht mir keinen Stress.
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