Der Staat gegen das Reich

Ewald Nowotny inmitten der Festwochen-Damen Brigitte ZIerhut-Bösch (li.) und Intendantin Jutta Skokan (re.).
Schuh und Herz-Kestranek über den Nationalismus.

Ist der Nationalismus, eine "Erscheinung der Moderne", nur negativ zu sehen? Franz Schuh, Philosoph und Autor, wies bei seiner Diskussion mit dem Schauspieler Miguel Herz-Kestranek Mittwochabend im Klostersaal Traunkirchen auf eine Dialektik hin. Der Nationalismus sei zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Zugehörigkeit zu einer Nation verstanden worden, "als Teil der Selbstbestimmung, wie wir sie kennen". Der Konflikt der K.-u.-k.-Monarchie mit den westeuropäischen Staaten sei nicht nur eine kriegerische Geschichte gewesen, sondern habe den Staat gegen das Reich hervorgebracht. Die nichtdeutschen Völker hätten die Monarchie als Unterdrückung und den eigenen Staat als Befreiung empfunden.

Schuh und Herz-Kestranke diskutierten im Rahmen des Salzkammergut-Festwochen-Themas Also sie ham uns den Ferdinand erschlagen, das den Ersten Weltkrieg zum Inhalt hat. Mittwochabend ging es um die Wiederkehr des Nationalismus. "Also sie ham uns den Ferdinand erschlagen" ist ein Zitat aus dem Stück Der brave Soldat Schwejk, der eine tschechisch-nationale Figur und ein Gegner der Monarchie ist.

Herz-Kestranek las aus dem Stück 3. November 1918 von Franz Theodor Csokor und aus den Letzten Tagen der Menschheit von Karl Kraus. Der Schauspieler deklarierte sich überzeugter Pro-Europäer und warnte gleichzeitig vor einem europäischen Nationalismus. Schuh zitierte in dem Zusammenhang den deutschen Autor Hans Magnus Enzensberger, der vor einer europäischen Herrschaft warnt, die Lücken erzeuge, in denen Entscheidungen getroffen würden, die völlig undemokratisch legitimiert seien. Als Beispiel nannte er das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA.

Schuh vermerkte eine weitere Dialektik: Die sogenannte Thukydides Falle, die der Historiker Christopher Clark in seiner Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele beschrieben hatte. Clark: "Die Konturen des alten Systems sind im Auflösen begriffen, die neuen Konstellationen sind noch nicht klar erkennbar. Gerade in solchen Momenten, wo das Gleichgewicht ins Wanken kommt, häuft sich das Risiko. Es waren das Aufkommen Athens und die dadurch in Sparta ausgelöste Furcht, die den Peloponnesischen Krieg unvermeidlich machte, schrieb Thukydides, der größte Historiker der griechischen Antike."

Festwochen-Intendantin Jutta Skokan begrüßte unter den Gästen den leidenschaftlichen Salzkammergut-Urlauber Nationalbank-Präsident Ewald Nowotny und Erich Peter Klement, Vizepräsident der Internationalen Akademie Traunkirchen. Heute, Sonntag, lesen um 19.30 Uhr die Schauspielerin Maria Hofstätter und Franz Schuh im Stadttheater Gmunden aus den Letzten Tagen der Menschheit von Karl Kraus.

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