„Es wird einfach drübergefahren“

Rudolf Trauner ist ein Diplomat. Er weiß schwierige Situationen gut zu bewältigen. Morgen, Montag, findet im Kaufmännischen Vereinshaus in Linz die offizielle Feier zum 60er statt.
Der Wirtschaftskammerpräsident übt heftige Kritik an ÖVP-Obmann Michael Spindelegger

Wirtschaftskammerpräsi-dent Rudolf Trauner feierte, gestern, Samstag, seinen 60. Geburtstag.

KURIER: Teilen Sie die Meinung Ihres Präsidenten Christoph Leitl, dass Vizekanzler Michael Spindelegger ein Gefangener seines Finanzministeriums und ein schlechter ÖVP-Obmann sei?Rudolf Trauner: Inhaltlich gibt es einige Punkte, die ich nicht verstehe. Man kann nicht sagen, man macht eine Ges.mb.H. neu, feiert sie vor der Nationalratswahl und jetzt kurz nach der Wahl schafft man sie wieder ab. Es kann nicht sein, dass man das, was man für die Jungen gemacht hat, einfach wieder zurücknimmt. Das Zweite ist der Steuerfreibetrag Es geht hier um die Siebtelbegünstigung für Selbstständige, das entspricht bei den Unselbstständigen der Steuerbegünstigung beim 13. und 14. Gehalt. Hier wurden die Bedingungen verschlechtert. Das Dritte ist der Handwerkerbonus, um den Pfusch zurückzudrängen. Das kostet nichts. In Deutschland hat man das eingeführt, bei uns tut sich gar nichts.

Sind Sie von Spindelegger enttäuscht?

Hier sind wir enttäuscht. Was gut verhandelt wurde, aber das war in erster Linie Christoph Leitl, war die Verhinderung der Überstundenstrafsteuer, der Urlaubsverlängerung für alle, der Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuern. Dass jetzt die Kfz-, die Schaumwein- und Tabaksteuern kommen, also Steuern von fünf Milliarden Euro, war in keiner Art und Weise zu erwarten. Das ist für uns absolut nicht akzeptabel.

Wie werden sich die Abgeordneten des Wirtschaftsbundes bei der Abstimmung im Nationalrat verhalten?

Ich nehme an, es wird noch Gespräch zwischen Leitl und Spindelegger geben. So wie das Paket jetzt ist, wurde es nie vereinbart und es ist auch nicht zustimmungsfähig. Das geht einfach nicht.

Der Wirtschaftsbund fühlt sich überfahren?

Die Inhalte, die jetzt beschlossen werden sollen, sind in keiner Art und Weise mit der Wirtschaft akkordiert. Es wird einfach drübergefahren.

Es gibt durch die neue Partei der Neos einen politischen Druck. Diese verzeichnen starke Zuwächse.

Die Neos kommen aus dem Wirtschaftsbund. Matthias Strolz war auch einmal Moderator des Wirtschaftsbundes. Er kennt das System. Ich bekenne mich in jeder Art und Weise zur ÖVP, das ist überhaupt keine Frage, aber es muss auch erlaubt sein, mit anderen zu reden, wenn man sieht, dass es absolut nicht mehr funktioniert. Wir müssen die Möglichkeit haben, uns andere Verbündete zu suchen. Wir dürfen die Wirtschaft nicht kaputtgehen lassen.

Die Neos sind ein ernsthafter Gesprächspartner für den Wirtschaftsbund?

In der Form, dass wir inhaltlich ernsthafte Abstimmungsgespräche führen. Aber auch nicht mehr. Das heißt nicht, dass wir aus der ÖVP herausgehen oder dass wir die ÖVP nicht mehr als unsere Partei sehen. Inhaltlich müssen wir uns aber überlegen, wie es weitergeht.

Die Neos graben dem Wirtschaftsbund zunehmend das Wasser ab.

Die Jungen laufen stark zu den Neos über. Man muss aber auch sagen, wer bei den Neos ist. Das sind Hans Peter Haselsteiner, das Liberale Forum, die Leute des Kirchenvolksbegehrens. Das sind Leute, mit denen ich Probleme habe, das ist nicht meine Welt. Sie sind ein zweites Liberales Forum, das mir viel zu weit geht und das nicht unsere Zukunft sein kann.

Die Neos mussten bisher kein Tagesgeschäft bestreiten. Wenn sie das machen müssen, werden auch sie Probleme bekommen.

Nächstes Jahr ist Wirtschaftskammer-Wahl. Wie werden Sie den Neos begegnen?

Durch wirtschaftsfreundliches Denken, auch innerhalb der ÖVP. Man muss das, was man ausgibt, auch einmal verdienen. Man kann nicht nur Ansprüche stellen. Auf diesem Boden muss die ÖVP wieder verstärkt tätig sein.

Wird zu viel Geld für Soziales ausgegeben?

Wir haben ein soziales Netz, das wir uns nicht mehr leisten können. Wir sind eben von einer Amerika-Reise zurückgekehrt. Die Arbeitnehmer verdienen eine bestimmte Summe von Dollar, die sehr hoch ist. Aber nur er als Person ist versichert, die Frau und Kinder muss er selbst versichern und bezahlen. Wir haben in Österreich ein tolles soziales Netz, aber wir sind an den Grenzen angekommen. Wir müssen uns anschauen, was wir uns auf Dauer leisten können und was nicht.

Wo müsste es Reformen geben? Geht es in Richtung Selbstbehalte?

Dort, wo Geld ausgegeben wird, muss es auch Selbstbehalte geben. Ich meine beispielsweise, dass es an den Universitäten Studiengebühren geben sollte. Wer sich das Studieren nicht leisten kann, sollte ein Stipendium bekommen.

Viele Unternehmer beklagen die Bürokratie. Das Wirtschaftsressort ist sowohl auf Landesebene als auch auf Bundesebene seit vielen Jahren in schwarzen Händen. Warum wurde hier nicht mehr unternommen?

Die ÖVP hat nicht allein regiert, sondern war in Koalitionen. Ich könnte mir vorstellen, die Lohnnebenkosten aus einer Hand zu zahlen. Es gibt hier so viele verschiedene Positionen wie Sozialversicherung, Pensionsversicherung, Arbeitslosenversicherung, etc. Überall gibt es eigene Prüfungen.Warum kann man das nicht als eine Position abführen, die dann aufgeteilt wird?

Derzeit gibt es in den Firmen 76 verschiedene Beauftragte. Diese sollte man auch reduzieren.

Sie sind gestern, Samstag, 60 Jahre alt geworden, Sie sind nun zehn Jahre Präsident der Wirtschaftskammer. Wie schaut Ihre Lebensplanung aus?

Ich möchte nächstes Jahr noch einmal als Spitzenkandidat für die Wirtschaftskammer antreten. Ich will aber die fünfjährige Periode nicht beenden, sondern im Laufe der Zeit die Übergabe vorbereiten.

Sie sind Druck- und Verlagsunternehmer, das ganz stark von Ihrer Frau geführt wird und in dem auch Ihr Sohn bereits tätig ist.

Wenn ich in der Kammer aufhöre, möchte ich 2020 die Übergabe im Unternehmen machen. Dann bin ich 65 bzw. 66. Ich möchte reisen und werde mir auch Fußballmatches anschauen.

Ich habe Sie kürzlich sonntags mit Ihrer Frau beim Walken getroffen.Wie schaut es mit den sportlichen Aktivitäten aus?

Leider mache ich wenig. Am Montag spiele ich bei einer Fußballrunde mit. Ich schaue, dass ich fit bleiben.

Ihr Vater war als Landesrat und Wirtschaftskammerpräsident eine prägende Figur in der Landespolitik. Was unterscheidet Sie von Ihrem Vater?

Die Zeit hat sich verändert. Damals wurde anders agiert als heute. Es gibt heute andere Anforderungen und Problemstellungen. Jeder hat seine eigene Persönlichkeit, jeder geht seinen eigenen Weg.

Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung, kritisiert die Arbeiterkammer. Die Sozialpartnerschaft funktioniere schlecht bis gar nicht, beklagt er.

Die Sozialpartnerschaft ist in Oberösterreich sicherlich belastet. Die Unternehmer werden von der Arbeiterkammer als Vampire und Blutsauger hingestellt, Versicherungsmakler werden als Kinderschänder dargestellt. Das sind Geschmacklosigkeiten und Unterstellungen. Wir brauchen Sozialpartner auf Augenhöhe. Bei entscheidenden Dingen können wir aber miteinander reden. Bei neuen Projekten kommen wir aber nicht weiter.

Kommentare