Rollstuhlfahrerin lenkt 40-Tonner

Rollstuhlfahrerin lenkt 40-Tonner
Um anderen Mut zu machen, hat Edith Grünseis-Pacher als erste Rollstuhlfahrerin den Lkw-Führerschein gemacht.

Geht nicht, gibt’s nicht“, so lautet das Credo von Edith Grünseis-Pacher, die einen Kleinwagen genauso gekonnt in eine Parklücke bugsiert wie einen 18,75 Meter langen 40-Tonner mit Anhänger. Und das, obwohl die 45-Jährige ihren Alltag sonst nur auf zwei Rädern bewerkstelligt: in einem Rollstuhl.

Grünseis-Pacher ist die europaweit erste Rollstuhlfahrerin, die einen Lkw-Führerschein besitzt, erzählt sie stolz. Damit habe sie nicht nur 90 Prozent der gesunden Weltbevölkerung überholt, sondern auch die Männer, die mit ihr den Fahrschulkurs besucht haben. In nur einem Monat hat die Oberösterreicherin den Kurs absolviert, die theoretische Prüfung mit 100 Prozent bestanden, 60 Fahrstunden genommen und rund 1000 Kilometer auf Österreichs Straßen zurückgelegt.

Lebenswillen

Rollstuhlfahrerin lenkt 40-Tonner

Eine Karriere als Truckerin plant sie nicht. Den Führerschein habe sie nur gemacht, um etwas zu beweisen. „Ich wollte allen – den Gesunden und den Behinderten – zeigen, dass mit Ehrgeiz und Fleiß alles geht. Und es musste etwas Spektakuläres sein“,  sagt Grünseis-Pacher und lacht. Das ist ihr gelungen: Ihr Fahrprüfer soll sehr gestaunt haben,  als die zierliche Rothaarige von ihrem Lehrer in die Fahrerkabine gehoben wurde und den Lkw samt Anhänger per Handbedienung und Automatikgetriebe wie ein Profi lenkte.

Für die 45-Jährige war ihre Behinderung nie ein Hindernis  – auch nicht dafür, sich wie eine vollwertige Frau zu fühlen. Sie achte sehr auf ihr Äußeres und habe eine Leidenschaft für Schuhe. So könne sie auch in der Fahrerkabine eines 40-Tonners nicht auf ihren Stöckelschuh, den sie immer auf ihrem nicht steifen Fuß trägt, und schöne Kleider verzichten. „Wer sagt, dass man als Behinderte nicht gut aussehen darf?“

Grünseis-Pacher hat 1997 den Verein CLUB MOBIL gegründet und gibt beim ÖAMTC in Marchtrenk Fahrsicherheitskurse für Menschen mit Beeinträchtigung. Ein „kann ich nicht“ lässt die international renommierte Mobilitätsexpertin bei ihren Klienten nicht gelten. „Viele verzweifeln und lassen sich gehen. Aber man kann im Leben nicht darauf warten, dass einem etwas geschenkt wird.“

Mut und Ehrgeiz

Ihren Lebenswillen habe sie nach der Diagnose Querschnittslähmung nur mühsam wiedererlangt, erzählt sie. Im Alter von 22 Jahren hatte die junge Mutter einen schweren Autounfall, lag sechs Wochen im Koma und musste vom Blinzeln bis zu alltäglichen Handgriffen alles neu lernen. „Nach meinem zweiten Selbstmordversuch hab’ ich mir dann gedacht: ,Wenn du zu blöd bist zum Sterben, musst du eben leben. Und zwar nach deinen Regeln.‘“ Heute will die resolute Karrierefrau für Menschen mit einem ähnlichen Schicksal der Mutmacher sein, den sie damals selbst gebraucht hätte, sagt sie.

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