Rezession stärker als 2008

Der deutsche Ökonom Hans Werner Sinn
Wachstumsminus von sieben bis acht Prozent. Diskussion der Ökonomen Hans Werner Sinn und Friedrich Schneider.

„Die Rezession wird stärker und schärfer als jene von 2008. Damals ist die Weltwirtschaft gesamt mit 0,5 Prozent betroffen gewesen. Und dabei verschiedene Länder noch in sehr unterschiedlichem Ausmaß. Jetzt sind alle relativ gleich betroffen. Und auch wenn Prognosen sehr schwierig sind, gehen die meisten Experten von einem Minus von 7 bis 8 Prozent aus“, so der deutsche Wirtschaftswissenschaftler und Ex-IFO-Chef Hans Werner Sinn am Freitag im JKU Corona Update der Johannes Kepler Universität Linz.

Rezession stärker als 2008

Friedrich Schneider

"In 40 Jahren nicht erlebt"

Friedrich Schneider, emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre der Johannes Kepler Universität Linz, bekräftigte diese Position Sinns: „Eine solche Situation habe ich in den 40 Jahren, die ich Ökonom bin, nicht erlebt. Die große Schwierigkeit bei allen Überlegungen ist, wir rasch kommen wir hier wieder raus. Das kann man nur sehr schwer einschätzen.“ Beide Ökonomen betonten, dass es richtig gewesen sei, dass in einem ersten Schritt die Mediziner die Entscheidungen getroffen haben. „Es ging darum, dass man mit dem Virus fertig ist. Da haben sich Ökonomen zuerst einmal hintenanzustellen“, so Sinn. Es sei positiv, dass man deutlich niedriger Todeszahlen als im Süden Europas und den USA sehe und dies sei wohl auf das rasche Reagieren der Politik zurückzuführen: „Die aktuellen Daten lassen hoffen, dass man einen Weg aus dem Lockdown findet und langsam und unter Auflagen aber doch zurück zur Beschäftigung kommt.“

Strukturen kaum zerstört

Die Tatsache, dass an den wirtschaftlichen Strukturen per se wenig zerstört werde, lasse auch hoffen, „dass es schnell wieder losgehen kann“, erläuterte Sinn, der auch darauf verwies, dass die deutschen Institute zwar für höher einen Wirtschaftseinbruch von über 4 % prognostizieren, für das kommende Jahr aber ein Wachstum von über 5 %. „Das wäre dann also immer noch ein kleines Wachstum über zwei Jahre gerechnet.“

Problem im Tourismus und in der Kultur 

Schneider erwartete auch für Österreich, dass sich die Industrie sehr ähnlich wie in Deutschland erholen könnte. „Der Tourismus und die Kultur, die bei uns ökonomisch bedeutender sind als in Deutschland werden es aber schwerer haben“, so Schneider. Deshalb werde der Saldo in Österreich über zwei Jahre wohl ein leicht negativer bleiben.

„In Deutschland zu viel Geld auf den Tisch gelegt“

Sinn bezeichnete die Gegenmaßnahmen Deutschland als „grundsätzlich richtig“. „Ich bin der Meinung, dass das Retten von Unternehmen jetzt richtig ist.“ Die Frage sei aber, ob das aktuelle Ausmaß richtig sei. „Whatever it takes. Da muss man ehrlich sein, bei einem schlimmen Krisenverlauf gibt es nicht so viel Geld, damit man das halten kann. Aktuell sehe ich in Deutschland sogar zu viel Geld auf den Tisch gelegt.“

Wie kommen Unternehmen zum Geld?

„Auch für Österreich gilt, dass wir hier grundsätzlich richtig handeln“, betonte Schneider. Das Problem sei im Moment aber, dass sich die Frage stelle, ob die nötigen Liquiditätsmittel ausreichend schnell bei den Unternehmen ankommen, um Konkurse zu verhindern. „Kleine, aber auch mittelgroße Unternehmen haben im Moment ein echtes Problem, rasch zu diesem Geld zu kommen. Natürlich gibt es das Problem, dass sich sorgfältige Prüfung und rasche Hilfe manchmal widersprechen, aber hier wäre ich großzügiger.“

Staatliche Beteiligung an AUA und Lufthansa

Die Situation der Fluglinien Lufthansa und AUA beschrieben beide Ökonomen als klassische Betroffene der Situation. „Die Lufthansa ist in normalen Zeiten wettbewerbsfähig. Ihr Problem ist die aktuelle Situation“, so Sinn. Gleichzeitig sei er dafür, dass eine staatliche Beteiligung im Gegenzug gerecht sei. „Wir sollten auch der AUA helfen, aber diese Hilfe muss auch wirklich der AUA zu gute kommen. Ich wäre also für Hilfen aber auch für eine Beteiligung. Die AUA ist wettbewerbsfähig und warum sollte der Steuerzahler nach dieser Krise nicht von dieser Wettbewerbsfähigkeit profitieren?“

„Das Klimaproblem bleibt ein Problem“

Zur Frage der Ökologisierung des Steuersystems und zur Klimapolitik hielten beide fest, dass dies auch nach der Krise ein wichtiges Thema bleiben müsse. „Wir brauchen aber eine Entideologisierung der Umweltpolitik. Wir müssen so manche teure Spielerei der letzten Jahre aufgeben, weil sie nicht gewirkt hat. Unwirksame und teure Maßnahmen konnten wir uns nur in Zeiten des Überflusses leisten“, so Sinn.

Nahverkehr vorziehen

Schneider zeigte sich überzeugt, dass man nun in Österreich sogar manche Teile des Regierungsprogramms vorziehen könne. „Investitionen in die Schiene, der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Das 1-2-3-Ticket. Das sind Dinge, die helfen der Wirtschaft und dienen der Umwelt. Das wäre jetzt wichtig.“

Besser höheres EU-Budget als unklare Hilfen

„Es ist ein Erfolg Angela Merkels, dass Corona-Bonds nun vom Tisch sind“, sagte Sinn. Dies sei positiv zu sehen, da eine gemeinsame Verschuldung Europas ein falsches Signal sei.Friedrich Schneider forderte als Antwort auf die aktuelle Situation eine klare, spürbare Erhöhung des EU-Budgets und eine damit einhergehende Aufwertung des europäischen Parlaments. „Das EU-Budget könnte durchaus auf 1,5% des BIP erhöht werden. Damit könnte man die Kommission ganz anders in die Pflicht nehmen, aber vor allem: Wenn wir einzelnen Staaten helfen, dann haben wir sehr wenig Steuerungsmöglichkeit, wofür das Geld ausgegeben wird. Der EU-Haushalt kann hier ganz anders steuern“, sagte Schneider.

 

 

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