Agentenkrimi mit Spur nach Wels
Es ist der Stoff, aus dem Krimis gemacht sind: Inmitten des Kalten Krieges wird an einem grauen Septembertag ein bulgarischer Regime-Kritiker mit einem präparierten Regenschirm vergiftet.
Es war einer der spektakulärsten Mordfälle in der Spionagegeschichte, der sich 1978 mitten in London ereignet hatte – bekannt unter dem Titel „Regenschirm-Attentat“: Zum Ziel des Attentats wurde der Schriftsteller Georgi Markow. Der Dramatiker flüchtete einst aus seiner Heimat, nachdem er mit der Parteispitze aneinandergeriet. Er nutzte einen Italien-Aufenthalt um sich abzuseilen.
In London fing der Schriftsteller ein neues Leben an, arbeitete unter anderem für die BBC und übte heftige Kritik am kommunistischen Regime seines Heimatlandes. Dieses soll dann einen Spion auf den ungeliebten Landsmann angesetzt haben – ausgerüstet mit einer Tatwaffe, die man sonst nur aus James-Bond-Filmen kennt.
Auf der Waterloo-Bridge spürte Markow einen Stich im Bein. Als er sich umdrehte, sah er einen dicklichen Mann mit Regenschirm, der sich entschuldigte und flüchtete. Innerhalb weniger Stunden bekam der 49-Jährige hohes Fieber, drei Tage später war er tot. Bei der Obduktion fanden Ärzte ein 1,5 mm großes Projektil aus Platin und Iridium. Darin befand sich das Gift Rizin. Austreten konnte es, weil sich zwei winzige mit Zuckerlösung verschlossene Öffnungen bei Körpertemperatur auflösten – das Gift drang in den Körper ein.
Spion „Picadilly“
Als Hauptverdächtiger geriet ein bulgarischer Spion mit dem Decknamen „Piccadilly“ ins Visier der Geheimdienste. Dahinter soll sich G. verbergen. Der gab bei einem Verhör in den 1990er-Jahren durch britische Ermittler sogar zu, als Agent gearbeitet zu haben. Doch am Mord des Regime-Kritikers will er keine Mitschuld getragen haben. Dann verliert sich die Spur des Mannes. Er soll sich in Tschechien und Budapest aufgehalten haben.
In Wels, OÖ, tritt er seit Ende der 90er-Jahre regelmäßig auf Flohmärkten in Erscheinung. Er soll als selbstständiger Händler arbeiten. „Ich habe den Francesco vor mehr als 20 Jahren bei einer Antiquitätenmesse in Paris kennen gelernt, damals wollte er mir ein antikes Glashaus verkaufen“, erinnert sich Antiquitätenhändler Erwin Marchgraber aus Marchtrenk. Ende der 90er-Jahre habe er den gebürtigen Italiener plötzlich in Wels wiedergesehen. „Er hat damals für meinen Kollegen Jürgen H. Botendienste gemacht und gedolmetscht, wenn italienische Kunden da waren.“
Von heimischen Behörden wurde G. zum Mord in London nie einvernommen. „Es gibt kein Rechtshilfeansuchen“, bestätigt Bruno Gutmann, Sprecher der Polizei OÖ.
Kommentare