Primar Lamprecht: „Alternative Rauchformen sind eine Illusion“
Bernd Lamprecht ist Universitätsprofessor für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie an der Linzer Johannes Kepler Universität. Der 48-jährige Corona-Experte ist seit 2023 auch Präsident der Gesellschaft für die österreichischen Lungenfachärzte.
KURIER: Viele Menschen leiden an Verkühlungen. So manche von ihnen haben Covid. Wie stark ist momentan die Covid-Welle?
Bernd Lamprecht: Derzeit ist sie noch nicht sehr ausgeprägt. Wir sehen, dass nach einigen Monaten mit sehr niedrigen Infektionszahlen diese allmählich steigen. Das ist aber im Rahmen dessen, was wir im Sommer 2023 beobachtet haben.
Sie werden im Herbst deutlich zunehmen und in den Wintermonaten einen neuen Höhepunkt erreichen, und danach abklingen.
Soll man sich impfen lassen?
Eine Impfempfehlung gibt es für drei Gruppen. Für Menschen über 60 Jahre, weil das Gedächtnis des Immunsystems nicht so gut funktioniert und die Antikörper nicht so lange vorhanden sind.
Für wie lange?
Man schätzt, dass der Schutz für ein gutes Jahr gewährleistet ist. Daher auch die Empfehlung, den Schutz nach einem Jahr zu erneuern.
Zu den drei Risikogruppen gehören: Personen über 60, Menschen, die an chronischen Erkrankungen leiden und Mitarbeiter des Gesundheitssystems, die aufgrund ihrer Berufsausübung regelmäßig Kontakt mit Infizierten haben.
Der Krankheitsverlauf hat sich inzwischen stark abgeschwächt.
Er ist dadurch abgeschwächt, weil wir nicht mehr naiv, sondern grundimmunisiert sind. Das heißt, wir hatten mehrere grundimmunologische Ereignisse, unser Immunsystem ist gut vorbereitet. Die Regelverläufe sind deshalb nicht mehr schwer. Oft ist es so, dass sie unbemerkt sind.
Ist es ein Fehler, dass nicht mehr erhoben wird, ob jemand an Covid erkrankt ist oder nicht?
Es wird im Regelfall nicht mehr erhoben, weil das auch bei anderen Infekten nicht gemacht wird. Aber bei Risikopersonen ist eine Testung nach wie vor möglich.
Sehen Sie auf Ihrer Station vermehrt Covid-Fälle?
Wir haben fast durchgängig eine geringe Zahl an Covid-Patienten. Eine starke Zunahme ist derzeit nicht zu beobachten.
Themenwechsel. Die Anzahl der Menschen, die E-Zigaretten rauchen, nimmt relativ stark zu. Ist das ein Befund, den Sie teilen?
Es ist ein objektivierbarer Befund, dass die konventionelle Rauchform etwas rückläufig ist, aber alternative Formen des Tabakkonsums bzw. des Rauchens oder des Dampfens im Zunehmen begriffen sind. Bei jüngeren Menschen scheint das en vogue zu sein.
Ist diese neue Form besser oder schlechter?
Es besteht hier die Gefahr, dass zum Wort alternativ das Adjektiv gesunde Alternative dazukombiniert wird. Das ist nicht zutreffend. Sie ist sicher nicht gesund. Man kann darüber nachdenken, ob sie weniger risikoreich ist. Man darf aber nicht vergessen, dass diese alternativen Formen weiterhin eine kontinuierliche Nikotinzufuhr bedeuten.
Nikotin ist ein Stoff, der für eine Reihe von Erkrankungen und Abhängigkeiten verantwortlich ist. Die körperliche Abhängigkeit veranlasst einen, das immer wieder zu konsumieren. Nikotin ist dafür verantwortlich, dass die Durchblutung im Köper eingeschränkt ist, dass wir dazu neigen sogenannte, thrombembolische Ereignisse wie Thrombosen oder Embolien zu erleiden. Die Herzfrequenz steigt, der Blutdruck steigt, die Arteriosklerose wird gefördert.
Wenn man nun von einer konventionellen Zigarette auf eine E-Zigarette umsteigt, die nikotinhaltig ist, hat man das Gefahrenpotenzial von Nikotin nicht eliminiert.
Das ist also eine Illusion?
Eine Illusion. Der Unterschied zwischen dem Rauchen einer E-Zigarette oder dem Dampfen einer Zigarette ist, dass es nicht zu einer Rauchentwicklung kommt. Bei Letzterem gibt es keine Verbrennung und daher keinen Rauch. Viele Schadstoffe sind Verbrennungsrückstände, die bei der Verbrennung entstehen, zum Beispiel Teer. Er ist bei der E-Zigarette nicht enthalten. Umgekehrt ist die Inhalation von Dampf nicht zwingend gefahrlos.
Welche Gefahr geht vom Dampfen aus?
Dampf stellt für unsere Atemwege ein Risiko dar, ein regelmäßiges Inhalieren beeinträchtigt die Selbstreinigung der Atemwege. Die kleinen Flimmerhaärchen, die Sekret aus der Tiefe nach oben transportieren und das Abhusten ermöglichen sollen, werden in ihrer Funktion beeinträchtigt.
Das bedeutet, dass die Lunge nicht so stark belastet wird?
Die Schadstoffe, die im Zigarettenrauch enthalten sind, sind nicht in derselben Zusammensetzung im Dampf enthalten. Man muss aber über die Risikopotenziale von Nikotin weiter nachdenken genauso wie über die zugesetzten Aromastoffe. Und über das Dampfen an sich und die negativen Auswirkungen auf die Selbstreinigung der Atemwege.
Haben diese zugesetzten Aromastoffe negative Auswirkungen?
Es gibt mehrere Formen des alternativen Rauchens, die nicht von allen sofort durchschaut werden. Da gibt es die klassische E-Zigarette, bei der eine Flüssigkeit, ein sogenanntes Liquid, mit einer Batterie oder einem Akku erwärmt wird. Dabei entsteht ein Dampf, der inhaliert wird.
Hier kommt es darauf an, ob diese Flüssigkeit nikotinhaltig ist oder nicht. Ist sie nikotinhaltig, gewöhnt man sich mit dieser E-Zigarette eine neue Gewohnheit an, die zu einer kontinuierlichen Nikotin-Zufuhr führt und das ist sicherlich negativ.
Es gibt aber auch nikotinfreie E-Zigaretten.
Ist sie nikotinfrei, das gibt es auch bei den E-Zigaretten, dann ist Vorsicht bei den Aromenstoffen geboten. Denn es konnten hier schon gesundheitsgefährdende Auswirkungen gezeigt werden. Bei anderen Aromastoffen, die wir aus Nahrungsmitteln kennen, weiß man bis heute nicht, wie der Körper darauf reagiert, wenn sie erwärmt und verdampft werden. Es bestehen gewisse Risiken, deshalb warnen österreichische und deutsche Fachgesellschaften, diese Aromastoffe in die Flüssigkeiten zu integrieren.
Neben diesen E-Zigaretten mit den Flüssigkeiten gibt es noch die Heatsticks oder Heats.
Sie werden auch IQOS genannt.
Hier werden Tabakblätter erwärmt. Die Feuchtigkeit, die sich in diesen Tabakblättern befindet, wird dadurch verdampft. Dieser Dampf wird inhaliert. Nachdem es sich hier um Tabak handelt, kommt es zu einer kontinuierlichen Nikotinzufuhr. Eine Verbrennung findet hier aber nicht statt, daher gibt es auch nicht die klassischen Verbrennungsrückstände wie Teer.
Die Heats sind also auch bedenklich.
Sie sind absolut bedenklich. Denn die Konzentration von Nikotin ist unabhängig von der Größe. Sie kann durchaus ident sein mit einer konventionellen Zigarette. Es konnte in Studien gezeigt werden, dass die Zufuhr von Nikotin, egal von einer E-Zigarette oder einer konventionellen Zigarette, dieselben negativen Effekte auf die Durchblutung in unserem Köper hat. Und die Häufigkeit von Blutgerinnseln gleich hoch ist, egal von welcher Zigarettenform.
Ist es legitim zu sagen, dass die E-Zigaretten und die Heatsticks gleich gefährlich sind wie die konventionellen Zigaretten?
Ganz seriös kann man es deshalb nicht sagen, weil wir die Langzeitbeobachtungen noch nicht haben. Wir können nur definitiv sagen, dass es nicht ungefährlich ist, und dass es einige Gefahren gibt, die schon identifiziert und ganz klar erkannt sind. Und andere, die noch schlummern, die wir noch nicht exakt benennen können, weil wir hier noch keine Langzeitstudien haben.
Klar ist, dass das Nikotin dieselben schädlichen Effekte wie in einer Zigarette hat. Und dass die Aromastoffe Risikopotenzial mit sich bringen. Durch das Dampfen wird die Selbstreinigung der Atemwege behindert und damit werden Infekte häufiger.
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