Antifa und Stadt Wels mit getrenntem Pogromnacht-Gedenken
Ein Gedenkanlass, zwei Feiern. Alleine in Wels. Am Montag hatte die Welser Initiative gegen Faschismus zum Gedenken in den Pollheimerpark beim Mahnmal für die Welser Juden geladen, mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen als Ehrengast.
Am Mittwoch laden Bürgermeister Andreas Rabl (FPÖ) und die Stadt Wels zum "offiziellen Gedenken" an den gleichen Ort.
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Der Welser Antifa-Vorsitzende Werner Retzl betont im Vorfeld: Die Kundgebung erinnere nicht nur an die Opfer des Holocaust, sondern rufe auch zur Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus in der Gegenwart auf: „Leider ein hochaktuelles Thema."
Antisemitismus steigt
Laut Justizministerium hat es im Vorjahr fast 2.400 Strafverfahren wegen NS-Wiederbetätigung und Holocaust-Leugnung gegeben."
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Seit dem "mörderischen Hamas-Überfall auf Israel ist die Zahl antisemitischer Delikte auch in Österreich sprunghaft gestiegen", betont Retzl, der "wirksamere Maßnahmen der Behörden gegen Hasskriminalität sowie besseren Schutz für die jüdische Bevölkerung und ihre Einrichtungen" fordert.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen war jedenfalls am Montag in Wels, in Begleitung seiner Gattin Doris Schmidauer. Kommen sonst rund 300 Teilnehmer zu diesem Gedenken, waren diesmal zumindest 600 bei der Gedenkfeier.
Kamrat: "Schwer, richtige Worte zu finden"
Vizepräsident der Israelitischen Kultusgemeinde Linz, Martin Kamrat, fiel es "heuer besonders schwer", angesichts des Hamas-Terrors "die richtigen Worte zu finden".
Gefunden hat er sie. Und er erinnerte daran, wie schnell im Nationalsozialismus in der Reichspogromnacht im November 1938 "die Juden als Schuldige schnell gefunden" worden seien.
Das Versprechen, das "nie wieder zuzulassen" sei auch die Aufgabe der jungen Generation, betonte er: "Sie muss gegen Intoleranz und Rassismus auftreten, denn aus Hass und Intoleranz wird schnell Gewalt."
Die angesprochene Jugend präsentierte dann die Namen und Geschichten von 15 ermordeten Welser Juden, ehe Van der Bellen das Wort ergriff.
"Immerwährende Verantwortung gegen Antisemitismus"
Auch er mahnte "unsere immerwährende Verantwortung gegen jede Form des Antisemitismus" ein, jenen aus den stickigen Kellern, jenen christlicher Herkunft, jenen nationalsozialistischer und auch islamistischer Prägung. Aber auch gegen den antiisraelischen Rassismus forderte er: "Keine Toleranz."
Und Van der Bellen betonte abschließend: "Der Aufruf niemals wieder ist heute aktueller denn je, wir müssen zeigen, dass es uns damit wirklich ernst ist."
Mit Werner Retzl trat zuletzt der Veranstalter ans Rednerpult. Er warnte vor "Rechtsextremismus in politischen Funktionen" und vor den deutschnationalen Burschenschaften: "Antisemitismus musste in Österreich nicht importiert werden, ein guter Teil der Bevölkerung trägt ihn immer noch in sich."
Die lokale Erinnerungskultur bezeichnete er als "rückständig", die Landes- und Kommunalpolitik kritisierte er dafür, dass auf der einen Seite bei der Gedenkfeier getöteter Juden gedacht werde, während wenige Kilometer weiter Judenhetzer mit Straßennamen und Denkmälern geehrt werden: "Die haben im Straßenbild nichts verloren."
Danach gab es noch die Kranzniederlegung, ehe sich die Gedenkgäste um Van der Bellen scharten, um Selfies mit ihm zu ergattern.
FPÖ-Bürgermeister Rabl hätte nicht reden dürfen
Das "offizielle Gedenken der Stadt Wels" findet jedenfalls am Mittwoch statt. Der Welser Bürgermeister Andreas Rabl (FPÖ) sagt, es habe von seiner Seite immer wieder das Bemühen gegeben, wie vor dem Machtwechsel 2015 ein gemeinsames Gedenken mit der Antifa abzuhalten.
Das sei abgelehnt worden. Zum diesjährigen Gedenken mit dem Bundespräsidenten habe er zwar eine Einladung gehabt, allerdings mit klaren Botschaft, das eine Rede des Stadtchefs nicht vorgesehen sei. Rabl: "Das ist dann schon ein bisschen scheinheilig."
Außerdem richte Retzl ihm und der FPÖ laufend ohne Differenzierung aus, dass "wir die ärgsten Rechtsextremisten sind. Das soll ich mir dann auf einer Veranstaltung vom Rednerpult anhören?"
Und eine Kritik will Rabl dem Bundespräsidenten nicht ersparen: "Dass er gerade zu einer Veranstaltung der Antifa geht, die die FPÖ derart ausschließt, trägt auch nicht unbedingt dazu bei, die Gesellschaft zusammenzuführen."
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