„Perspektivensuche“ zu geheimen Nazi-Stollen auf KZ-Gelände
Neue Indizien und Spekulationen über ein möglicherweise bislang nicht bekanntes riesiges unterirdisches Konzentrationslager der Nazis bei St. Georgen an der Gusen im unteren Mühlviertel führen zu nächsten Reaktionen. Neben weiteren Aufforderungen zu neuen Forschungsarbeiten am KZ-Areal der Rüstungsfabrik „Bergkristall“ in Gusen, werden Entscheidungsträger nächste Woche zu Beratungen zusammentreffen.
Wie berichtet hatte eine vergangenen Sonntag ausgestrahlte ZDF-Dokumentation neue Unterlagen und Luftbilder präsentiert, die ein viel größeres Stollensystem der NS-Rüstungsindustrie in Gusen vermuten lassen, als bisher bekannt war. Neben der bekannten Düsenflieger-Produktion könnten die Nazis hier sogar an Raketen und Atomprogrammen gearbeitet haben, wurde spekuliert.
Schon 2015 hatte eine Expertenkommission derartige Behauptungen des Dokumentarfilmers Andreas Sulzer entkräftet. „Wir kennen die neuen Fakten und Dokumente nicht, deshalb kann ich nicht sagen in welche Richtung es weitergeht“, kommentiert Barbara Glück, die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen zu der auch die Gedenkstätte Bergkristall gehört, die Situation.
Widersprüche
Etliche Dokumente seien bislang nicht bekannt, erklärt sie im KURIER-Gespräch. Andere Aussagen in der Doku bestritt Glück bereits am Montag. So wurde im Film behauptet, dass im April 1945 18.500 Häftlinge in den Nazi-Lagern in Gusen von einem Tag auf den anderen aus den Bestandslisten verschwunden seien. Eine Datenbank in der Gedenkstätte belege aber, dass in Gusen immer rund 23.000 Menschen gefangen gehalten wurden.
Neuen Dokumenten sei man aber immer aufgeschlossen, sagte Glück. Deshalb berief sie für Montag einen „Perspektiven-Workshop“ ein. In dieser Runde werden Bürgermeister der umliegenden Gemeinden, Vertreter der Bundesimmobilien-Gesellschaft als Eigentümer und die Repräsentanten der Gedenkkomitees die neue Lage besprechen.
In dieser Runde wird Martha Gammer vom Gedenkdienstkomitee Gusen ihre Forderung nach neuen Untersuchungen wiederholen. Wie der Historiker Stefan Karner sieht Gammer in den neuen Quellen allen Grund dafür: „Über Jahrzehnte war das KZ in der Region mit Tabus behaftet, es sind längst noch nicht alle Fakten am Tisch“, sagte sie auf Anfrage des KURIER.
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