"Abzocke der Telekoms beenden"

„Die Klimaschutzziele sind ein Problem. Sie führen dazu, dass für Unternehmen andere Regionen in der Welt attraktiver werden. Europa hat seit 2008 acht Prozent der Industrie verloren.“: Paul Rübig
Der EU-Parlamentarier fordert mehr Industrie, Beschäftigung und Freihandel mit den USA.

Paul Rübig ist seit 18 Jahren Abgeordneter zum Europäischen Parlament und damit der längstdienende österreichische Mandatar. Der 61-jährige Welser ist, wie er selbst immer wieder betont, "gelernter Schmied". Er kandidiert für die Europawahl am nächsten Sonntag auf der ÖVP-Liste auf Platz drei. Er ist Spitzenkandidat sowohl der ÖVP Oberösterreich als auch des Wirtschaftsbundes.

KURIER: Sie kämpfen mit den Telekomgesellschaften und wollen niedrigere Roaminggebühren. Paul Rübig: Auslöser war eine Linzer Studentin, die mich in Brüssel besucht hat. Sie hat in der Nacht mit ihrem Freund in München telefoniert. Damals hat in Österreich die Minute sieben Cent gekostet, dieses Gespräch von Brüssel nach München 3,60 Euro. Sie war frisch verliebt und hat mehr als zwei Stunden telefoniert. Die Rechnung machte beinahe 500 Euro aus. Ich habe mich mit der Justizkommissarin Viviane Reding zusammengesetzt. Ich war der Chefverhandler bei diesem Thema. Innerhalb von sieben Monaten haben wir hier Änderungen durchgesetzt.

Die Kosten für aktive Telefonate sind seit 2007 bis 2013 um 51 Prozent gesunken, passive Telefonate sogar um 71 Prozent. Im Juni werden wir für Telefonate aus dem Ausland ins Heimatland nur mehr 19 Cent pro Minute zahlen müssen. Ende 2015 sollen die Auslandszuschläge ganz abgeschafft werden.

Die Telekomgesellschaften argumentieren nun, dass das europaweite Telefonieren ohne Roaming der Masse auf den Kopf fällt, weil die Grundtarife erhöht werden.Den Nutzen hätten jene, die viel in Europa unterwegs sind.

Die Preiserhöhungen, die derzeit durchgeführt werden, finden aufgrund der Versteigerungen der Lizenzgebühren statt. A 1 hat eine Milliarde bezahlt, Ministerin Doris Bures hat insgesamt zwei Milliarden Euro eingenommen. Das ist eine kalte Besteuerung der Telekomkunden. Ich verstehe die Politik der Telekomgesellschaften, im Ausland exorbitante Tarife zu verlangen, überhaupt nicht. So benützten zum Beispiel 94 Prozent der Menschen, die ins Ausland reisen, ihre sozialen Netzwerke nicht, weil es ihnen zu teuer ist. Das ergab eine Umfrage unter 28.000 europäischen Bürgern. Nur zehn Prozent nutzen ihre eMails. Das Gigabite beim Datenroaming kostet in Salzburg vier Euro, im benachbarten bayerischen Freilassing 540 Euro, außerhalb Europas 13.900. Das ist Wucher. Ich bin empört über diese Unverschämtheiten. Sie sollen ihre Geschäfte machen. Gerade ich als Industrievertreter habe dafür Verständnis. Aber was in dem Bereich geschieht,ist völlig unakzeptabel. Hier bin ich Konsumentenschützer, der sieht, dass diese Abzocke beendet werden muss.

Die Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts ist im Kern auch eine europäische. Ist die EU zu wenig industriefreundlich?

Europa hat seit 2008 acht Prozent der Industrie verloren. Andere Kontinente versuchen in Brüssel unsere Industrieunternehmen abzuwerben. Amerika und China bringen sich mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Brüssel ganz intensiv ein. Das ist eine massive Bewegung, die neu ist. Ich bin voestalpine-Generaldirektor Wolfgang Eder für seine Äußerung dankbar, denn er sorgt sich um die nächste Generation. Europa hat zwei Prozent der Fläche dieser Welt, sieben Prozent der Bevölkerung, 25 Prozent der Produktion und ich bin stolz darauf, dass wir 50 Prozent der Sozialleistungen der Welt in Europa verteilen können. Wenn wir diese Struktur sichern wollen, müssen wir uns im Bereich Infrastruktur anstrengen. Damit können wir laut EU-Kommission die größten Beschäftigungseffekte erzielen.

Das bedeutet beispielsweise den Ausbau des LTE-Breitbandnetzes. Wir müssen die Donau besser nutzen für den Schwerverkehr, die Eisenbahn und Autobahnen ausbauen. Die Bundesstraße B1 sollte auf vier Spuren erweitert werden. Dazu kommt der Ausbau der Pipelines. Gerhard Roiss von der OMV will die South-Stream-Pipeline bis nach Österreich bauen. Das ist eine gute und vernünftige Entscheidung, weil es den Druck von den Russen nimmt. Sie haben die Angst, dass die Pipeline durch die Ukraine irgendwann gestoppt wird. Europa zahlt Russland jährlich 130 Milliarden Euro für Energielieferungen, das ist ein Viertel des russischen Budgets. Durch South Stream wird der Konflikt in der Ukraine entschärft, weil ein Wettbewerb entsteht. Das hat für uns den Vorteil, dass uns das Gas möglicherweise günstiger kommen wird.

Neben der Infrastruktur ist die Forschung EU-Schwerpunkt. Österreich hat hier im Jahr 2012 von der EU 270 Millionen Euro abgeholt. Diese EU-Programme werden in Österreich gut genutzt. Die weiteren Punkte sind Aus- und Weiterbildung und Steuern.

Eder kritisiert die hohen Klimaschutzziele, die einen Verbleib der Stahlindustrie in Europa unmöglich machen.

Es gibt in Brüssel die Climate Foundation, die über ein Jahresbudget von 25 Millionen Euro verfügt. Sie wird finanziert von den USA und China. Ihr Ziel ist, Industrie nach Amerika und China zu bekommen. Je höher unsere Klimaschutzziele sind, umso leichter fällt es ihnen, für Ansiedelungen woanders zu werben.

Sind diese Klimaschutzziele ein Problem?

Ja, sie sind ein Problem. Die Verschärfung unserer Standards führt dazu, dass andere Standorte auf der Welt attraktiver werden. Wir brauchen auch das Ziel der Reindustrialisierung. Die Wirtschaft braucht Anreize, wieder in Europa zu investieren. Wir sollten wieder der attraktivste und nachhaltigste Standort dieser Welt werden. Wir sollten schauen, ob die Ziele, die wir im sozialen und ökologischen Bereich durchsetzen, auch beschäftigungswirksam sind.

Was wollen Sie in Brüssel für Oberösterreich durchsetzen?

Nachdem ich in Brüssel gut vernetzt bin, kann ich wichtige Informationen zielorientiert aufbereiten und an die Entscheidungsträger in Oberösterreich weiterleiten. Ich habe mir kürzlich an der Fachhochschule in Wels und an der Universität in Linz aufgesetzte Forschungsprojekte angesehen. Ich bin ganz begeistert, mit welcher positiven Emotion an der europäischen Szene mitgearbeitet wird. Wir haben zum Beispiel in der EU ein eigenes Projekt für Krebsforschung mit mehr als 180 Millionen Euro aufgelegt. Hier hoffe ich, dass wir mit der Linzer Medizinfakultät entsprechende Forschungsgelder abrufen können. Es geht nicht nur um die Krebsforschung, sondern auch um Alzheimer und ähnliche Projekte. Wir müssen einfach schauen, wie wir uns das attraktivste Wissen nach Oberösterreich holen. Ich habe Detailkenntnis über alle Programme und bemühe mich, das in Oberösterreich und Österreich bestmöglich zu kommunizieren.

Ein Hauptdiskussionspunkt ist das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU. Die SPÖ und die Grünen lehnen es ab.

Derzeit wird zwischen Brüssel und Washington auf der Beamtenebene sondiert. Das Ziel ist, dass der kaufkräftigste Raum der Welt, Europa mit einer Bevölkerung von 508 Millionen, und die USA mit 320 Millionen sich überlegen, wo es eine Harmonisierung geben soll. Zum Beispiel im technischen Bereich. VW muss beim Golf 100 Teile austauschen, weil diese in den USA nicht akzeptiert werden. Wir wollen die Zölle abbauen, damit die Produkte für die Konsumenten günstiger werden. Ich sehe die Verhandlungen positiv. Das Parlament wird rote Linien ziehen. Es darf die bestehende europäische Gesetzgebung, so zum Beispiel in der Lebensmittelproduktion, nicht ausgehöhlt werden. Ob es sich nun um das Chlorhuhn, um Hormonfleisch oder um gentechnische veränderte Produkte handelt. Hier wird es keine Zustimmung geben.

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