Parlamentarismus nicht glaubwürdig

Parlamentarismus nicht glaubwürdig
Die parlamentarische Demokratie hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, diagnostiziert Ludwig Adamovich.

Der Parlamentarismus erscheint in der Öffentlichkeit oft in einem negativen Licht. Davon ist Ludwig Adamovich, ehemaliger Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofes und nunmehriger Berater von Bundespräsident Heinz Fischer, überzeugt. Er hält heute, Sonntagvormittag, die Eröffnungsrede des Brucknerfests in Linz, wobei er kritische Punkte in einer Demokratie anspricht. Der Eindruck vom Parlamentarismus sei ein schlechter, viele Menschen würden denken, dass die Repräsentanten nicht alles tun, was das Volk will. "Das geht aber auch gar nicht", weist der Verfassungsrechtler auf die Eigenverantwortung der Abgeordneten hin.
Ein weiteres Problem sei, dass viele nicht wüssten, was Politiker beschließen würden. Außerdem entstehe ein negativer Eindruck in der Öffentlichkeit, wenn Abstimmungsergebnisse im Vorhinein feststehen und trotzdem noch stundenlang darüber im Plenum des Hohen Hauses diskutiert werde. All das führe zu keiner positiven Stimmung. "Von populistischen Politikern wird der Ruf nach mehr direkter Demokratie laut, weil die Abgeordneten nur miteinander packeln würden."
Adamovich verweist in dem Zusammenhang auf den bedeutenden Rechtswissenschaftler Hans Kelsen, der den Parlamentarismus als die Grundlage für Demokratie angesehen hat. "Ein jeder Angriff auf den Parlamentarismus ist deshalb auch ein Angriff auf die Demokratie", erklärt Adamovich. Um die Glaubwürdigkeit der indirekten Demokratie zu verbessern, sind laut dem renommierten Juristen wieder lebendigere Auseinandersetzungen im Plenum notwendig.

Keine Rituale

"Man müsste schauen, dass die Vorgänge im parlamentarischen Raum nicht als eingefahrene Rituale wahrgenommen werden", sagt der Verfassungsrechtler. Den Menschen müsse klargemacht werden, wie wichtig eigentlich der Parlamentarismus ist.
"Das sagt sich aber leichter, als es tatsächlich ist." Dabei gehe es auch um die Grundfrage der Bildung. "Zwar verstehe ich die Bildungsdiskussion überhaupt nicht, ich traue mich aber sagen, dass es mit der politischen Bildung katastrophal aussieht." Viele Menschen würden keine Ahnung von Politik haben. Um das zu bemerken, müsse er nur Leserbriefe in den Zeitungen lesen.
Über diese und weitere kritische Angelegenheiten spricht Adamovich heute Vormittag in seiner Rede "Das Unbehagen in der Demokratie" im Linzer Brucknerhaus. Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes von 1984 bis 2002 hat die Abhandlung an Sigmund Freuds Schrift "Das Unbehagen in der Kultur" angelehnt.

Von Klassik bis Pop

Das Brucknerfest wartet mit einer Vielfalt an unterschiedlichen Musikstilen auf. Der KURIER stellt die Höhepunkte vor:

Klangfarben: Jazz-Posaunist Paul Zauner spielt gemeinsam mit dem gregorianischen Chor Ensemble Vox Clamantis aus Estland am Dienstag (13. 9.) um 19.30 Uhr im Brucknerhaus. Jazz wird in kosmische Klänge überführt.

Stardirigent: Der gefeierte Dirigent Riccardo Chailly führt mit dem Gewandhaus-Orchester Leipzig am Freitag (16. 9.) um 19.30 Uhr in der Stiftsbasilika St. Florian Anton Bruckners 6. Symphonie auf. Am Samstag (17. 9.) um 19.30 Uhr geben sie im Brucknerhaus Werke von Beethoven und Bartholdy zum Besten.

Pop: Jools Holland, einer der renommiertesten Musiker Englands, beehrt mit dem ehemaligen Soft-Cell-Frontman Marc Almond, der Soulsängerin Ruby Turner und dem Swing-Musiker Roger Cicero den Posthof (Samstag, 24. 9., 20 Uhr).

Oper: Mozarts Meisterwerk "Don Giovanni" über einen unmoralischen Lebemann wird am Sonntag, 25. 9., um 17 Uhr im Brucknerhaus aufgeführt. Unter der Leitung von Dirigenten Martin Sieghart begleiten das Bruckner Orchester und der Kammerchor der Anton Bruckner Privatuniversität den Opernabend.

Opernstar: Cecilia Bartoli, eine der erfolgreichsten Opernsängerinnen, singt ausgewählte Arien starker Frauen aus Opern Georg Friedrich Händels. Die Veranstaltung ist bereits ausverkauft (Freitag, 7. 10., 19.30 Uhr im Brucknerhaus).

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