ÖVP kritisiert Koalitionspartner: „Die FPÖ driftet in Europa rechts ab“
Florian Hiegelsberger (37) ist seit 2021 Landesgeschäftsführer der ÖVP Oberösterreich.
KURIER: Die Freiheitlichen waren stärkste Partei bei der EU-Wahl, sie wollen das auch bei der Nationalratswahl im Herbst werden. Wie wollen Sie verhindern, dass bei der Landtagswahl 2027 mit Manfred Haimbuchner ein Freiheitlicher Landeshauptmann wird?
Florian Hiegelsberger: Wir haben mit Thomas Stelzer einen Landeshauptmann, der viel Anerkennung genießt. Wir sind die Oberösterreich-Partei und eine der stärksten Regionalparteien im deutschsprachigen Raum. Wir werden die Landsleute überzeugen, dass wir die erste Wahl sind und dass es nur einen Landeshauptmann Stelzer geben kann.
Mit welcher Strategie wird die ÖVP dem neuen Machtanspruch der FPÖ begegnen?
Als Kanzlerpartei haben wir den Anspruch, bei der Nationalratswahl Erster zu werden. Die ÖVP hat bei der EU-Wahl besser abgeschnitten als von vielen Meinungsforschern prognostiziert. Wir lagen bundesweit nur 0,9 Prozentpunkte hinter der FPÖ, das waren rund 30.000 Stimmen.
Wir können das mit einem engagierten Wahlkampf aufholen. Im Herbst kommt es zwischen Herbert Kickl und Karl Nehammer zu einem Kanzlerduell. Mit dieser Zuspitzung haben wir die Chance, Erster zu werden.
In der Landespolitik treten ÖVP und FPÖ ziemlich geschlossen auf, es sieht nach einer einheitlichen Politik aus. Was unterscheidet die Landes-ÖVP eigentlich von der Landes-FPÖ? Oder gibt es gar keine Unterschiede?
In Oberösterreich war die ÖVP immer die Nummer-eins-Partei. Wir tragen Verantwortung für das Land, das geht nur im Miteinander. Wenn man in einer Koalition ist, wie wir das seit 2015 mit der FPÖ sind, dann muss man liefern. Die Leute wollen nicht, dass gestritten wird, sie wollen, dass man miteinander arbeitet.
Oberösterreich ist das wirtschaftlich stärkste Bundesland, wir sind die Vorausgeher in Österreich. Die handelnden Personen Thomas Stelzer und Manfred Haimbuchner können auch miteinander.
Die Grenzen verwischen sich, Haimbuchner tritt im bürgerlichen Habitus auf, obwohl er ein Rechter ist.
Wir als ÖVP sind mit 330 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern die Partei der Nähe, wir sind die Partei des Ehrenamtes. Wir gestalten in allen Winkeln des Landes mit. Wir wollen mit Verlässlichkeit überzeugen und wir führen das Land mit ruhiger Hand.
Haimbuchner ist da weniger zimperlich, für ihn ist das Nein der ÖVP zu einem Kanzler Kickl „Löwinger-Bühne auf sehr niedrigem Niveau“.
Die Zusammenarbeit mit der FPÖ funktioniert auf Landesebene sehr gut. Im Umgang mit Herbert Kickl gibt aber es unterschiedliche Auffassungen. Er hat als Innenminister bewiesen, dass er ein großes Gefahrenpotenzial für die Republik ist. Mit der Zerschlagung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hat er uns international lächerlich gemacht. Mit ihm ist kein Staat zu machen.
Können Sie sich ein holländisches Modell vorstellen, wonach die FPÖ und die ÖVP koalieren, ohne dass die Parteispitzen wie Herbert Kickl der Regierung angehören?
Zuerst wird am 29. September gewählt. Mit Kickl ist kein Staat zu machen. Alles Weitere wird man sehen.
Die Rechtskonservativen und die Rechten sind europaweit im Aufwind. Welche Schlüsse ziehen Sie aus dieser Entwicklung?
Man muss sich die Ergebnisse der EU-Wahl im Detail ansehen. In Deutschland ist die Ampelkoalition abgestraft worden. Regierende haben es zurzeit schwerer als in der Vergangenheit. Das liegt auch an den diversen Krisen. Deshalb ist es wichtig, das Vertrauen in die Institutionen zu stärken.
2019 musste der freiheitliche Landesrat Elmar Podgorschek nach einem Referat bei der deutschen AfD zurücktreten. Auch auf Druck der ÖVP. Heute verteidigt die FPÖ die Zusammenarbeit mit der AfD in der ID-Fraktion im Europäischen Parlament. Ist das nicht ein Rechtsruck?
Man sieht auf europäischer Ebene, dass die FPÖ stärker Richtung AfD agiert als in Richtung Mitte. Sie driftet rechts ab. Landeshauptmannstellvertreter Haimbuchner hat damals vom Narrensaum gesprochen, gegen den sie vehement auftreten. Hier nehmen wir Haimbuchner beim Wort.
Wie ordnen Sie die Politik der ÖVP Oberösterreich ein? Ist das Mitte? Ist das Mitte-rechts?
Wir sind eine Volkspartei, wir versuchen, immer breite Teile der Bevölkerung mit unserer Politik abzuholen. Wir machen Politik für die Mehrheit. Wir sind stark mittig ausgerichtet, wir versuchen auszutarieren, damit die Ränder nicht stärker werden. Diese sind zwar lauter, aber nicht stärker geworden.
In der Migrationsfrage gibt es keine wesentlichen Unterschiede zur Politik der FPÖ.
In Sicherheitsfragen machen wir eine Politik, die nicht nur Probleme beschreibt, sondern Lösungen anbietet. Wir wollen jenen helfen, die von Krieg und Terror verfolgt sind. Wir lehnen aber illegale Migration und das Schlepperwesen ab. Wir dürfen die Bevölkerung mit der Migration nicht überfordern.
Beim Grenzschutz muss man strikter sein. Wir wollen Asylverfahren in Drittstaaten. Jene, die da sind und eine hohe Bleibewahrscheinlichkeit haben, müssen integriert werden. Der Schlüssel dafür ist die deutsche Sprache. Heimische Gepflogenheiten wie Leistungsbereitschaft sollen angenommen werden.
Wo zeigen Sie Kante, wo Sie sagen, da ist Politik der ÖVP, dort ist freiheitliche Politik?
ÖVP-Politik ist eine vernünftige Standortpolitik. Wir sind ein starker Industriestandort. Wir begleiten ihn bei den Veränderungen, wir reduzieren die klimaschädlichen Emissionen. ÖVP-Politik ist Familienpolitik und sie ist Sicherheitspolitik. Es geht um Hilfe zur Selbsthilfe, gleichzeitig muss sich Leistung lohnen.
Wir sind die Partei der Regionen, da ist in Oberösterreich viel gelungen. Fortschritt passiert nicht nur im Zentralraum, sondern auch in den Regionen, in allen Vierteln des Landes. Gute Arbeitsplätze zu haben, heißt auch, gute Perspektiven zu haben.
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