"Oberösterreich muss laut vernehmbar sein"

Michael Strugl
Der Landeshauptmannstellvertreter über die ernüchternden Regierungsverhandlungen.

Michael Strugl (54) ist Landeshauptmannstellvertreter (ÖVP) und primär für das Standortressort ist verantwortlich.

KURIER: In der neuen Bundesregierung gibt es weder das von Ihnen forcierte Standortministerium zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Österreich noch sind Sie Minister geworden, obwohl Kanzler Sebastian Kurz Sie darauf angesprochen hat. Wie groß ist Ihre Enttäuschung?

Michael Strugl: Es geht nicht um eine Befindlichkeit, sondern um Funktionalität. Wir haben in Oberösterreich die standortrelevanten Kompetenzen in einem Standortressort gebündelt. Das sind im Wirtschaftsressort der Arbeitsmarkt, der Tourismus, die Energie, Forschung und Wissenschaft und die Raumordnung. Das hat sich bewährt. Wir haben gesehen, dass es schwierig ist, integrierte Politik zu machen, wenn die Kompetenzen auf mehrere Regierungsmitglieder aufgesplittert sind. Wir haben in Oberösterreich dieses Lehrgeld bezahlt. Jetzt funktioniert es besser, denn man kann Standortpolitik aus einem Guss machen.

Diese Erfahrung haben wir in den Regierungsverhandlungen auch dem Bund in einer Expertengruppe zum Thema Standort vermittelt. Ich war da dabei. Alle haben dieses Thema unterstützt, ob das nun Unternehmer wie Stefan Pierer oder Martin Kocher, der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS) waren. Passiert ist das Gegenteil. Vom Wirtschaftsressort ist nur ein Torso übrig. Die Energie ist ins Landwirtschafts- und Umweltressort gekommen, die Forschung ist ganz weg. Positiv ist, dass die Digitalisierung im Wirtschaftsressort ist. Es ist aber kein Standortressort mit Gestaltungsmöglichkeiten.

Zum Persönlichen. Meine Enttäuschung hält sich in Grenzen. Es war erkennbar, dass Kurz eine Frau sucht. Daher war klar, dass es mich nicht mehr betrifft. Und ein Wirtschaftsressort mit diesem Zuschnitt hätte ich auch nicht gemacht, weil der Aktionsradius viel zu klein ist. Ich glaube aber, dass Expertise in Oberösterreich durchaus zu finden gewesen wäre. Da hätte es neben mir andere Möglichkeiten gegeben. Ein Oberösterreicher in der Regierung wäre durchaus ein Vorteil für das Land gewesen. Das wird immer unter der falschen Überschrift diskutiert. Es geht nicht um die Machtlogik einer Partei, weil man sagt die Länder und die Bünde. Es geht um die Interessen von einem wesentlichen Wirtschafts- und Industriestandort. Wir haben es schon erlebt, dass es etwas wert ist, wenn ein Oberösterreicher in der Regierung ist.

Das konnte man an den Beispielen des Linzer Westrings und der Medizinfakultät sehen.

Im Ministerrat herrscht Einstimmigkeitsprinzip. Reinhold Mitterlehner hat die Streichung des Linzer Westrings damals einfach nicht durchgehen lassen. Wir stehen jetzt nicht im Trotzwinkel.Wir haben jetzt niemanden in der Regierung. Wir haben August Wöginger, der als Klubobmann eine wichtige Drehscheibenfunktion hat.Wir haben vitale Standortinteressen in nächster Zeit zu verhandeln. Zum Beispiel die Universitätsfinanzierung und die Klima- und Energiestrategie. Ein Wirtschaftsstandort, der industriell geprägt ist wie Oberösterreich hat andere Interessen wie ein dienstleistungsgetriebener Standort. In der Digitalisierung gehört das Breitbandregime dringend verändert. Wir werden uns öfter von hier aus zu Wort melden.

Das heißt, Sie werden öfter nach Wien fahren.

Ich bin relativ oft in Wien. Wir müssen unseren Standort engagiert und energisch vertreten. Das ist nicht eine Frage der Lautstärke, denn Argumente werden mit mehr Dezibel nicht besser. Aber wenn man nicht in der Regierung ist, muss man die Anliegen von außen herantragen. Damit man gehört wird, muss man laut vernehmbar sein.

Rektor Meinhard Lukas will für die Kepleruniversität in den nächsten Jahren 40 zusätzliche Lehrstühle, wovon 25 in den technischen Richtungen sein sollen. Ist das ein realistisches Ziel?

Wir haben Pläne für die Erweiterung der Kepleruniversität, ebenso für die Fachhochschulen. Sie sind für uns wesentliche Treiber in der Attraktivierung und Wettbewerbsfähigkeit des Standortes. Der Wettbewerb ist wissens- und innovationsgetrieben. Wir müssen vor allem in den technischen Fächern stark zulegen. Deswegen unterstütze ich das. Und ich halte es für machbar.

Ich habe mit der Kepleruniversität eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen, wonach wir in den nächsten fünf Jahren insgesamt 40 Millionen Landesgeld investieren.

... obwohl der Bund dafür zuständig ist ...

Wir sind eigentlich nicht für die Finanzierung zuständig, aber wir wollen beim Aufbau des Linz Institute of Technology (LIT) ganz bestimmte Schwerpunkte setzen. Auch im eigenen Interesse. Wir müssen diese Vision verfolgen, obwohl sie anspruchsvoll ist. Wenn es unser Ziel im europäischen Wirtschaftsraum ist, zu den Innovationsleadern zu gehören, dann müssen wir das machen.

Der französische Präsident Macron hat sich für 20 Spitzenuniversitäten in Europa ausgesprochen, Karel Schwarzenberg plädiert ebenfalls für europäische Universitäten auf Weltniveau, um ein Gegengewicht zu den angelsächischen Universitäten zu bilden. Linz ist dafür wohl zu klein.

Nach dem derzeitigen Stand wäre Linz wohl nicht dabei. Die Post geht derzeit dort ab, wo man eine Spitzenuniversität hat, wie Standford, Harvard, Berkely, Boston , Singapore, etc.

Es braucht weiters eine entsprechende Unternehmensbasis, die die Erkenntnisse wirtschaftlich kapitalisiert. Dazu benötigt man große Kapitalgeber. Und man braucht das beste verfügbare internationale Talent. Studenten, Forscher, Lehrende, Fachkräfte. Wer über so einen Innovations cluster mit der entsprechenden Qualität verfügt, gehört zur internationalen Spitze. Insofern haben Macron und Schwarzenberg Recht, dass wir so etwas nicht nur in Asien und den USA benötigen, sondern auch in Europa.

Das bedeutet für uns, dass wir Zugang und Anschluss zu diesen internationalen Hubs finden. Und Forschungskooperationen mit den internationalen Universitäten abschließen. Das geht nur, wenn wir selbst Exzellenz heranbilden. Wenn Linz Spitzenforscher hat, zum Beispiel bei künstlicher Intelligenz und Deep Learning, dann sind wir bei diesen Kooperationen dabei. Wenn wir diese nicht haben, sind wir nicht dabei.

Deshalb ist es notwendig, an der Kepleruniversität diese Exzellenz aufbauen. Guter Durchschnitt reicht dafür nicht. Die eigenen Leute reichen dafür nicht, wir brauchen die Internationalisierung.

Im neuen Regierungsprogramm wird die Frage nach der Vision für Österreich weder gestellt noch wird sie beantwortet. Wo wird Österreich in 20 Jahren stehen?

Die Regierung hat sie auf der Meta-Ebene beantwortet, indem sie sagt, wir wollen Österreich wieder an die Spitze führen.

Aber inhaltlich wird das nicht dargelegt.

Vieles muss noch in konkreten Programmen erarbeitet werden, damit es konkrete Maßnahmen und Aktionen gibt. Das haben wir noch nicht überall, das ist richtig. Es wird die Richtung angezeigt, die eingeschlagen wurde. Was sie wollen, ist meiner Meinung nach richtig.

Sie sind für die Landesbeteiligungen zuständig. Nun sollen die Landesspitäler (gespag) und die Universitätsklinik zusammengeführt werden.

Wir haben allein in der Landesholding zwei Spitalsträger. Das sind zwei Overheads (Gemeinkosten des Unternehmens). Da sind Synergien möglich.

Wir müssen beim Universitätsklinkum die Stadt Linz mit ins Boot holen. Ich habe mit Bürgermeister Klaus Luger vereinbart, dass wir im Jänner darüber ein längeres Gespräch führen, um zu sehen, welche Organisationsmodelle denkbar sind und in welchem Modell wir uns als Gesellschafter finden. Wir haben neben der Gespag und dem Universitätsklinikum auch andere Träger. Diese haben ebenfalls Fusionen zum Ordensklinikum durchgeführt. Wir wollen mit diesem Klinikum Forschungsnetzwerke bilden. Damit wir auch dort Synergien und Hebelwirkung erzeugen. Denn es geht um kritische Massen und entsprechende Fallzahlen. Es ist nicht wirklich effizient, wenn jeder ein bisschen vor sich hinforscht.

Welche weiteren Reformprojekte verfolgen Sie? In der Standortagentur haben wir ein wesentliches Projekt abgeschlossen. Wir haben die vielen Gesellschaften zusammengeführt. Die weiteren Gesellschaften in der Landesholding sind funktional gut aufgestellt, bis auf den Gesundheitsbereich, der jetzt angegangen wird. Wir wollen in der Landesholding nicht nur eine Anteilsverwaltung, sondern eine strategische Steuerung der Gesellschaften. Denn sie sind ein wesentlicher Hebel für die Standortstrategie. Ein Beispiel ist der Flughafen. Wir haben dort wegen der problematischen Situation gesagt, wir wollen uns als Eigentümer nicht nur wie ein Shareholder verhalten und fragen, wie viel Dividende erhalten wir, sondern der Flughafen hat eine wichtige Infrastrukturfunktion. Deswegen haben wir einen Strategieprozess aufgesetzt, der mit Beginn 2018 startet. Deswegen haben wir auch die Suche nach einem neuen Vorstand begonnen, das wäre erst im Frühjahr fällig gewesen, damit wir ihn in den Prozeß bereits integrieren können. Ich nehme diese strategische Steuerung ganz aktiv wahr und das ist auch ein Paradigmenwechsel.

Welche Projekte haben Sie sich für 2018 vorgenommen? Wir werden in der Digitalisierung, insbesondere im Breitbandausbau, große Projekte umsetzen. Mit der Fiberservice haben wir jetzt einen eigenen Player. Digitalisierung ist eine Querschnittsmaterie. Wir haben nicht nur in der Hardware, sondern auch in der Software einiges zu machen. Das sind insbesondere Forschungs- und Bildungsprojekte. Im Tourismus ist alles auf Schiene, hier geht es nun um die Umsetzung. Das Tourismusgesetz tritt in Kraft mit der größten Strukturreform, die es je in Österreich gab. Die Zahl der Verbände wird von 103 auf 19 reduziert. In der Pyhrn-Priel-Region werden in Summe 67 Millionen investiert. Die Verhandlungen mit Peter Schröcksnadel wurden gut abgeschlossen. Wir haben ein Mega-Projekt des Klima- und Energiefonds an Land gezogen. Hier geht es um den Einsatz erneuerbarer Energien in der industriellen Produktion. Das Volumen ist mit 110 Millionen Euro beträchtlich. Im Arbeitsmarkt setzen wir auf eine Fachkräfteoffensive. Wir brauchen hier mit Hilfe des Bundes nochmals einen echten Schub. Hauptsächlich durch Qualifizierungsanstrenungen. Bei der Forschung haben wir unsere Schwerpunkte schon ausgeschildert: künstliche Intelligenz, Automotive, Leichtbau, Logistik und IT-Security. Hier starten wir in Hagenberg mit einer neuen Leitung und einer Investition von 14 Millionen Euro neu durch. In den genannten Bereichen entstehen große Projekte an der Kepleruniversität (JKU) und an den Fachhochschulen. An der JKU kommt es zu mehreren Bauprojekten. LandesentwicklungIn der überörtlichen Raumordung verfolgen wir ein großes Projekt. Wir gestalten ein Landesentwicklungsprogramm. Wir führen mit wissenschaftlicher Begleitung regionale Spezialisierungen durch. Wir bilden Kleinregionen mit sieben bis neun Gemeinden, die strukturell zusammenpassen. Wir haben das untersucht. Im Jänner läuft in Rohrbach das erste Pilotprojekt an, das zweite im Frühjahr in Braunau. Das ist eine Unterlage für interkommunale Kooperationen, das soll den Gemeinden helfen. Es tut sich bei Standortflächen einiges, das werden wir größeren Flächen und Ansiedelungen mobilisieren. Im Innviertel und im Zentralraum. Im Sport werden wir das gesamte Subventions- und Förderwesen umkrempeln. Das ist zwar in den Budgets ein kleiner Bereich, aber in der Systemumstellung eine unglaubliche Herausforderung. Wir stellen alles auf neue Füße, sowohl in den Fach- als auch in den Dachverbänden. Es ist geknüpft an Leistungsvereinbarungen, es wird anders parametriert. Der gesamte Wildwuchs, der historisch gewachsen ist, wird ausgeholzt. In den großen Infrastrukturprojekten gibt es nächstes Jahr mit dem Olympiazentrum wieder einen Schub.

Kommentare