„Neue TU soll Geschäftsideen initiieren“
Heinrich Schaller (62) ist Generaldirektor der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich und Vorsitzender des Universitätsrates der Johannes Kepler Universität (JKU).
KURIER: Der Gesetzesvorschlag des Wissenschaftsministeriums für die geplante Linzer Technische Universität ist rundherum auf Kritik gestoßen. Wie sehen Sie den Entwurf?
Heinrich Schaller: Der Universitätsrat hat sich vollinhaltlich der Stellungnahme des Rektors angeschlossen. Eine neue Universität mit dem Thema Digitalisierung zu gründen finde ich für sehr, sehr gut. Sie eröffnet völlig neue Perspektiven, aber im Entwurf sehe ich noch Schwachpunkte. Vor allem gilt es zu verhindern, dass es am Linzer Universitätsstandort zu Doppelgleisigkeiten kommt. Das muss man unter allen Umständen vermeiden. Würde es dazu kommen, würde es zu einem Feilschen um gute Leute kommen. Man kann darüber nachdenken, dass einzelne Universitätsinstitute von der Johannes Kepler Universität in die neue Uni transferiert werden.
Zum Beispiel die künstliche Intelligenz (KI). Mankönnte auch die gesamte technisch-naturwissenschaftliche Fakultät (TNF) zu einem Grundpfeiler der neuen TU machen.
Das hielte ich für übertrieben. Man spricht eher von der Informatik, vielleicht von der Mechatronik, und natürlich von der künstlichen Intelligenz. Das ist mit den Instituten im Detail zu besprechen. Man kann hier nicht einfach drüberfahren.
Es war einigermaßen überraschend, dass mit den Professoren der JKU überhaupt nicht gesprochen worden ist.
Da und dort war Rektor Meinhard Lukas schon in Gespräche eingebunden. Aber nicht in der Findungskommission. Der Rektor hat mit dem Ministerium und der Politik sehr wohl Gespräche geführt und seine Vorstellungen kundgetan. Jetzt müssen wir abwarten, was aufgrund der Stellungnahmen herauskommt. Doppelgleisigkeiten darf es nicht geben. Es ist mit den jeweiligen Instituten intensiv darüber zu reden, wie das gestaltet werden kann. Ich halte es für wichtig, dass die neue Universität mit der JKU im Verwaltungsbereich sehr eng kooperieren kann. Hier können Effizienzen gehoben werden.
Das ist schwierig, da die neue TU organisatorisch völlig anders aufgestellt werden soll als die JKU.
Ja, zumindest am Anfang. In der Stellungnahme an das Ministerium ist ebenfalls enthalten, dass die Leistungsvereinbarungen, durch die den Unis Geld zugewiesen wird, auch für die neue Universität gelten soll. Damit wäre das schon wieder wesentlich einfacher. Wenn eine neue Universität in Form einer Ges.mb.H. gegründet wird, ist das etwas anderes, als wie wenn man eine Universität nach dem Universitätsgesetz aufbaut. Da wird es dann tatsächlich schwierig, eine Kooperation aufzubauen.
Unter Rektor Lukas hat eine Neuorientierung der JKU stattgefunden. Der Schwerpunkt liegt auf der Digitalisierung. Jetzt kommt die neue TU, die sich ebenfalls mit der Digitalisierung beschäftigen wird.
Doppelgleisigkeiten darf es nicht geben. Dieses Thema durch eine neue Universität noch stärker zu forcieren, halte ich für in Ordnung. Es kann natürlich sein, dass die JKU Starthilfe leistet. Digitalisierung ist nicht immer nur Technik, sie spielt sich in unserem gesamten Leben ab. Wir müssen nachdenken, wie wir aufgrund der digitalen Möglichkeiten unser Leben in Zukunft neu organisieren. Das betrifft alle Lebensbereiche und damit alle Fakultäten der Kepler-Universität. Daher ist eine enge Zusammenarbeit der beiden Universitäten wichtig.
Die beiden Universitäten sollen zusammenarbeiten. Aber wodurch sollen sie sich unterscheiden?
Digitalisierung ist kein reines Technikthema, es ist Themenvielfalt. Wenn man die Chance bekommt, so etwas zu machen, soll man es unbedingt machen. Es wird Hauptaufgabe der neuen TU sein, neue Geschäftsideen zu initiieren.
Die neue TU soll 150 Professoren und 6.000 Studenten umfassen. Ist das realistisch?
Das hängt vom Zeitplan ab. Der geplante Start im Herbst 2023 ist sehr, sehr ambitioniert. Ich hoffe, dass er eingehalten werden kann. Die Zeit drängt massiv. Die Anzahl der Studierenden wird ganz wesentlich davon abhängen, wie attraktiv die TU international ist. Wenn es wirklich gelingt, ein Leuchtturmprojekt zu schaffen, das die Blicke des Auslands auf sich zieht, dann zweifle ich nicht an den 6.000 Studenten.
Sehen Sie das Leuchtturmprojekt?
Es ist als solches angekündigt. Wir werden sehen, wie es tatsächlich umgesetzt wird. Die Chance ist gewaltig. Es ist ein Jahrhundertprojekt für den Standort Oberösterreich.
Das vergangene Jahr war mit einem Gewinn von mehr als einer halben Milliarde Euro (vor Steuern) sehr erfolgreich. Was macht die Bank mit so viel Geld?
Wir stärken unsere Kapitalbasis weiter. Wir wollen weiter wachsen, dafür braucht man Kapital. Wir haben sicher einige Rückschläge aufgrund von Marktbewertungen hinzunehmen (Unternehmensbeteiligungen mit Börsenbewertung). Wir müssen trachten, dass die Eigenkapitalquote steigt, weil auch die Bankenaufsicht immer strenger wird. Wir wollen weitere Firmen- und Privatkunden akquirieren.
Raiffeisen International, an der Ihr Institut mit rund zehn Prozent beteiligt ist, überprüft sein Engagement in Russland. Wie stehen die Dinge?
Überlegungen und Konzepte, wie so etwas überhaupt funktionieren könnte, sind im Laufen. Ich weiß noch nicht, wann sie abgeschlossen sind. Jetzt geht es einmal darum, wie ginge das überhaupt und welche Auswirkungen würden sich daraus ergeben. Dann wird es eine Entscheidung geben. Hauptzuständig ist die RBI.
Das Engagement in der Ukraine bleibt?
Mit ist derzeit nichts anderes bekannt. Die Bank ist zum Teil aktiv, soweit das überhaupt möglich ist.
Die Inflation hat massive Auswirkungen. Die Zinsen werden in jedem Fall steigen. Unter anderem ist der Wohnbau stark betroffen, 65 da Bauen einfach noch teurer wird.
Es könnte durchaus sein, dass wir im Wohnbau eine gewisse Bremse sehen werden. Auf der anderen Seite ist noch immer viel Geld vorhanden. Menschen, die viel Geld haben, suchen in so einer Situation Sicherheit, vor allem wegen der Inflation. Das kann auch Grund und Boden heißen. Es gibt hier zwei unterschiedliche Entwicklungen. Welche sich wirklich durchsetzt, ist derzeit noch nicht absehbar. Steigen die Preise weiter oder stoßen wir an eine gewisse Grenze? Man muss hier als Bank aufpassen. Wenn die Finanzierungskosten steigen, müssen das die Privaten auch wirklich bedienen können. Insofern kann es im privaten Bereich zu einer gewissen Bremse kommen.
Die Nationalbank hält den Immobiliensektor mit 30 bis 40 Prozent für überbewertet. Ist das so?
Das halte ich für ein bisschen zu viel.
Ist er überbewertet?
Da und dort sicher, aber nicht überall. Eine flächendeckende Überbewertung in dieser Höhe sehe ich nicht. Man muss berücksichtigen, dass zu der Zeit, als die Immobilienpreise stärker gestiegen sind, wir in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern von seinem sehr niedrigen Niveau ausgegangen sind.
Für viele Menschen ist Wohnen schon extrem teuer.
Das sehe ich auch als Problem. Ein noch größeres Problem ist es, wenn aufgrund der Kostensteigerungen und der Inflation die gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften mit den Kostenplafonds, die sie haben, nicht mehr auskommen und damit das Bauen deutlich vermindert wird. Denn dann gibt es keine neuen, geförderten Wohnungen mehr am Markt.
An den Aktienmärkten findet derzeit eine Korrektur statt. Die Technologiewerte sind im Bärenmarkt. Manche erwarten eine zwei- bis dreijährige Korrektur.
Eine Korrektur über zwei, drei Jahre sehe ich nicht. Es geht an den Börsen immer sehr rasch nach oben, wenn das Tal durchschritten ist. Die Kurse sind derzeit im Fallen. Es gibt aber Einzeltitel, die sind inzwischen so niedrig bewertet, dass sie schon wieder für den Einstieg interessant sind. Man kann bereits jetzt schauen, wo wären günstige Einstiegsszenarien, wenn man einen längeren Investmentzeitraum verfolgt. So schlimm wie es derzeit viele schreiben, sehe ich die Märkte nicht.
Zum Thema Raiffeisen. Der Sektor will 60 Filialen schließen. Das ist ein herber Einschnitt für eine Institution, die sich Regionalität und Subsidiarität auf die Fahnen heftet.
Es könnte bis zu 60 Filialen betreffen, die nicht zugesperrt werden, sondern mit anderen zusammengelegt werden. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Das impliziert, dass wir aus der Region nicht weggehen. In der unmittelbaren Umgebung wird es weiter Raiffeisen-Standorte geben.
Was heißt unmittelbar?
In einem Umkreis von fünf bis zehn Kilometer. Der Raiffeisen-Sektor Oberösterreich hat Ende 2021 400 Standorte betrieben. Wenn man davon ausgeht, dass bis zu 60 Filialen, was bis zu 15 Prozent wären, zusammengelegt werden, sind wir immer noch bei 340. Wir werden auf 340 bis 360 Standorte kommen. Da kann uns niemand vorwerfen, wir würden die finanzielle Nahversorgung nicht ernst nehmen. Die Zusammenlegung wurde nicht von der Landesbank den Raiffeisenbanken verordnet. Es gab ein Projekt, das 2020 begonnen hat. Wir haben darüber nachgedacht, was wir aufgrund der veränderten Kundenbedürfnisse ändern müssen. Da sind wir für den gesamten oberösterreichischen Sektor auf dieses Ergebnis gekommen. Wir müssen uns an den neuen Kundenbedürfnissen orientieren. Es hat der Kunde relativ wenig davon, wenn es einen vollwertigen Bankstandort gibt, wo niemand mehr hingeht. Wir kennen die Kundenfrequenzzahlen genau. Wir konzentrieren Know-how an bestimmten Standorten, die nicht allzu weit weg sind von den jetzigen Standorten.
Man muss sich überlegen, wie man die Standorte anders verwenden kann. Einige sagen, wir könnten dort Wohnungen bauen, andere sagen, wir könnten ein Caféhaus mit Einmietungen von Ärzten, Physiotherapeuten, gesundheitlicher Vorsorge machen. Wenn es wo einen erhöhten Bargeldbedarf gibt, muss man schauen, wie man ihn zufriedenstellen kann.Man muss sich jeden einzelnen Fall ansehen, es muss sich jedenfalls um durchdachte Konzepte handeln, die von den Verantwortlichen vor Ort erarbeitet werden. In vielen Gemeinden ist das völlig problemlos über die Bühne gegangen.
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