Neue Aufregung um geheime Nazi-Stollen

Eines der drei überirdischen KZ-Lager in St.Georgen/Gusen
ZDF-Doku zu neuen Indizien um mögliches geheimes Untergrund-KZ. Bürgermeister und Landeshauptmann schalten Innenministerium ein.

Bislang als eines von 42 Außenlagern des Konzentrationslagers Mauthausen bekannt, könnte die Geschichte des Nazi-KZs in St. Georgen an der Gusen im oberösterreichischen Mühlviertel bald in einem noch düsteren Licht erscheinen. In einer Dokumentation des deutschen ZDF wurden Indizien zusammengetragen, wonach die Ausmaße der unterirdischen Anlagen in Gusen um Vieles größer gewesen sein sollen, als bisher bekannt. Sogar ein unterirdisches Lager, in dem zu Kriegsende Tausende Menschen ermordet worden sein könnten, steht im Raum.

Schon in vergangenen Jahren haben Meldungen über angeblich gigantische unentdeckte Stollensysteme in St. Georgen für Aufsehen gesorgt. Im Untergrund soll es nicht nur die unter dem Decknamen „Bergkristall“ bekannt gewordene Rüstungsfabrik gegeben haben. Dort ließen die Nazis von Tausenden Häftlingen ihre Düsenjagdflieger „Messerschmitt Me 262“ bauen. 8500 Nazi-Gefangene kamen beim Stollenbau ums Leben.

Vom ZDF zusammengestellte Zeitzeugenberichte, Dokumente und Luftaufnahmen aus US-Archiven liefern neue beklemmende Hinweise. Gestaltet hat die Doku der Linzer Filmemacher Andreas Sulzer, der schon 2015 eine Doku über das KZ Gusen gedreht hat. Nach neuen Erkenntnissen könnten die Stollen in Gusen, nicht wie bisher angenommen eine Länge von acht, sondern gar 25 Kilometer oder noch mehr gehabt haben.

Skepsis

Neue Aufregung um geheime Nazi-Stollen

Bürgermeister Erich Wahl

Konkrete Belege und Fakten über dieses riesige unterirdische Rüstungsdorf würden allerdings fehlen, hieß es Montag aus der auch für Gusen zuständige KZ-Gedenkstätte Mauthausen, die dem Innenministerium untersteht. „Wirklich neu wäre, dass es auch ein unterirdisches KZ gegeben haben könnte“, kommentierte Bürgermeister Erich Wahl aus St. Georgen/Gusen den ZDF-Bericht. Indizien dafür lieferte die Vorsitzende des Gusen-Gedenkdienstkomitees, Martha Gammer. Sie hatte in einem Archiv entdeckt, dass im April 1945 18.500 in der Gusener Rüstungsproduktion beschäftigte Häftlinge von einem Tag auf den anderen aus der Liste verschwanden.

Für Wahl ist ein „underground camp“, wie es in einem US-Dokument beschrieben wird, jedoch unwahrscheinlich. „Dort müssten die Stollen im Schotter und im Donaugrundwasser gebaut worden sein, das wäre höchst aufwendig“.

Anfragen

Große Teile des Lagergebietes wurden über die Jahrzehnte abgetragen und sind mittlerweile überbaut. 2015 habe es aufwendige wissenschaftliche Untersuchungen und auch Bohrungen gegeben. Aber: „Nirgends stießen wir auf Hohlräume“,so Wahl. Als Vorsitzender des Gemeindeverbandes „Bewusstseinsregion Mauthausen“ wollte Wahl noch am gestrigen Montag beim Innenministerium neue Untersuchungen beantragen. Und auch Landeshauptmann Thomas Stelzer, ÖVP, beauftragte seine Kulturdirektion beim Ministerium zu hinterfragen, ob weitere Nachforschungen geplant seien. Man nehme die neuen Berichte ernst und beobachte das Geschehen genau, hieß es aus Stelzers Büro.

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