„Nicht alles persönlich nehmen und Humor behalten!“

Matthias Jung gilt als Deutschlands erfolgreichster und lustigster Jugend- und Pubertätsexperte
Komiker, Pädagoge und Autor Matthias Jung über die oft schwierige Beziehung zwischen Teenagern und Eltern

Wenn er über Pubertät spricht, tut er es immer mit einem Augenzwinkern. Dezent verpackt er wissenschaftliche Fakten und bezieht auch mal Position aufseiten der Teenager: Matthias Jung gilt als der erfolgreichste und lustigste Jugend- und Pubertätsexperte Deutschlands, diese Woche war er für einen Vortrag in Linz. Jung hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht, darunter „Chill mal – am Ende der Geduld ist noch sehr viel Pubertät übrig“ und „Dein ernst, Mama?! So peinlich kommen wir nicht mehr zusammen“.

„Nicht alles persönlich nehmen und Humor behalten!“

Mit dem KURIER redet der Vater zweier Kinder über die Großbaustelle Gehirn, warum das Abnabeln so wichtig ist und warum Eltern ihre Teenager nicht „interviewen“ sollten.

KURIER: Herr Jung, warum beschäftigen Sie sich genau mit diesem Thema? Gibt es eine persönliche Betroffenheit?

Matthias Jung: Mein Sohn ist jetzt 10 Jahre alt und es ist schon das erste Aufflackern der Pubertät zu spüren. Prinzipiell hat mich dieses Thema schon immer interessiert, auch im Studium. Man ist kein Kind mehr, aber auch noch nicht erwachsen, es geht um heftige Gefühle, ums Ausprobieren. Kinder verschwinden in der Pubertät in einem emotionalen Nebel und machen Erfahrungen, die sie ihr Leben lang prägen werden. In dieser Phase können sie noch frei denken, entscheiden und handeln. Und sie können als treibende Kraft die Gesellschaft voranführen, das sieht man zum Beispiel bei der „Fridays for Future“-Bewegung.

Ab wann spricht man denn von Pubertät?

Früher hieß es, ab 12, 13 Jahren. Heute ist das alles anders. Bei Mädchen geht es mit 9, 10 Jahren los, bei Burschen etwas später mit 11, 12. Aber natürlich ist das individuell komplett verschieden.

Was sind in der Pubertät die drei schwierigsten Themen für Eltern?

Punkt eins ist sicher die Veränderung: Teenager müssen, dürfen und wollen sich abnabeln, das ist ganz normal. Wenn Eltern in der Pubertät für ihre Teenager die nervigsten und schrecklichsten Menschen sind, dann haben sie etwas richtig gemacht. Denn Abnabelung kann nur in vertrauensvollen Beziehungen stattfinden. Aber diese Stimmungsschwanken und üblen Launen sind natürlich schwer zu verstehen. Punkt zwei sind digitale Medien: Früher haben Eltern ihren Kindern erklärt, wie das Fernsehen funktioniert. Heute kennt sich jedes Kind mit dem Smartphone besser aus als Mama und Papa. Das erzeugt Unsicherheit bei den Eltern. Wir sollten versuchen, mit ins Boot zu gehen, uns zu informieren, auch mal ein Computerspiel mitzuspielen, anstatt nur darüber zu schimpfen. Und der dritte Punkt betrifft den Alltag, alles was mit Schule, Körperhygiene und dem eigenen Zimmer zu tun hat.

Was passiert in der Pubertät in den Gehirnen?

Da werden alle Stecker gezogen, alles wird neu vernetzt. Es geht um jenen Teil des Gehirns, in dem die Emotionen sitzen, und um jenen, in dem die Emotionen kontrolliert werden können. Das Doofe ist nur, dass der Umbau von hinten nach vorne passiert, sprich die Vernunft kommt ganz zum Schluss dran. Bis dahin leidet die Impulskontrolle, viele Entscheidungen werden rein aus dem Bauch heraus getroffen. Dann kommen noch die Hormone dazu. Das alles zusammen ist quasi ein Vulkanausbruch.

Wie bleibt man im Gespräch, auch dann, wenn der Teenager eigentlich nicht will?

Da ist Geduld entscheidend. Es muss nicht immer alles sofort geklärt werden. Es gibt nichts Schlimmeres als diese „Eltern-Interviews“, in denen die Teenager mit Fragen gelöchert werden. Der gute Moment kommt nicht oft, aber er kommt. Und dann müssen Eltern bereit sein.

Wann sollten sich Eltern Hilfe von außen holen?

Die Dosis macht das Gift. Immer dann, wenn es extrem wird, wenn es zum Beispiel zu einer digitalen Sucht kommt. Aber man darf die Kirche im Dorf lassen: Wegen eines unaufgeräumten Zimmers muss man keinen Expertenrat einholen. Ich finde auch die Zwischenstation super: Vertrauenspersonen, die nicht die Eltern sind.

Was sind für Eltern absolute No Go’s in der Pubertät? Womit kann man es sich verscherzen?

Mit allem, bei dem Erwachsene ihre Macht zu sehr demonstrieren. Wenn man Teenagern das Handy abnimmt, damit sie mehr für die Schule lernen, werden sie vielleicht anfangs noch mitspielen. Aber sie werden sehr schnell Wege finden, die Verbote zu umgehen, sie werden lügen. Wichtig ist, dass Eltern in dieser Zeit nicht alles persönlich nehmen, sondern wissen: Was mein Kind auch tut, es liebt mich! Das ist keine Entschuldigung, aber eine Beruhigung. Eltern sind der erwachsene, souveräne Part in dieser Beziehung, übernehmen Verantwortung. Trotzdem kann man auf Augenhöhe kommunizieren, die Jugendlichen ernstnehmen und sie auch mal was ausprobieren lassen.

Können Teenager in der Pubertät über sich selbst lachen?

Durchaus. Natürlich wollen sie ernstgenommen werden, sie können auch nicht zwischen den Zeilen lesen. Aber es gibt Themen, bei denen ich klar kommuniziere: Ich bin auf eurer Seite!

Was dürfen Eltern von Teenagern im Alltag erwarten? Welche Vereinbarungen können eingefordert werden?

Ich bin ein Fan davon, die Schlachtfelder zu begrenzen. Sprich, wenige Regeln, die uns in unserer Familie wichtig sind und an die auch wir Erwachsenen uns halten. Wer seinem 14-jährigen Teenager beibringen will, den Tisch abzuräumen, ist halt reichlich spät dran.

„Nicht alles persönlich nehmen und Humor behalten!“

Impulse für den Erziehungsalltag

Bei der  Vortragsreihe „ErziehungsImpulse“ des OÖ. Familienbundes werden regelmäßig  Expertinnen und Experten zum Thema Erziehung und Familie nach Linz, Wels und Regau geholt. Dieses Jahr dreht sich alles um unsere kognitiven Fähigkeiten, Humor in der Erziehung und die Kraft der Sprache. Zum ersten Mal werden die Vorträge als Stream übertragen und sind   eine Woche lang online abrufbar.

Den Beginn machte Matthias Jung, es folgt der ehemalige Rektor der Pädagogischen Hochschule der Zentralschweiz und Gymnasiallehrer Willi Stadelmann. Er geht am 29. 9. in Wels, Schloss Puchberg, der Frage nach: Kann und soll der Mensch ein Leben lang lernen? Dabei gibt Stadelmann fundierte Einblicke in die Lernforschung. Eltern erwartet ein pädagogisch wertvoller Abend mit vielen Beispielen aus der Praxis.

Sabine Reichsthaler spricht am 7. Oktober im Star Movie Kino in Regau über die Macht der Worte und wird zeigen, wie Sprache unsere Kinder beeinflussen kann. Ein  achtsamer Umgang mit Worten ebnet den Weg für ein friedliches Miteinander in der Familie.

Anmeldung und Infos zu den Vorträgen auf www.erziehungsimpulse.at

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