„Nur Wolf kann in kurzer Zeit Arbeit bringen“

Markus Vogl ist der SPÖ-Kandidat für die Wahl des Steyrer Bürgermeisters
Wie kann Steyr aus der MAN-Krise kommen? Vizebürgermeister Markus Vogl setzt kurzfristig auf den Investor Wolf und langfristig auf Forschung.

Markus Vogl (50) ist Vizebürgermeister von Steyr. Seine Mutter war Alleinerzieherin und Schichtarbeiterin in den Steyr-Werken, deshalb war er während der Volksschulzeit und die ersten zwei Hauptschulklassen im Internat. Er absolvierte die HTL in Steyr (Kraftfahrzeug und Maschinenbau). Nach dem Präsenzdienst begann er bei MAN. Im Jahr 2000 wurde er Betriebsrat, 2010 Betriebsratsvorsitzender der Angestellten. 2013 zog er für die SPÖ in den Nationalrat ein. Dieses Mandat gab er Ende 2020 ab, weil er zum Vizebürgermeister gewählt wurde. Er soll mit der Wahl am 26. September Gerald Hackl als Bürgermeister nachfolgen.

KURIER: MAN schließt das Werk in Steyr. Wie kann es nun weitergehen?

Markus Vogl: Es braucht eine saubere Lösung, bei der die Mitarbeiter mit MAN abschließen können. Man muss die Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern ernst nehmen. Dann ist man auch leichter in der Lage, mit etwas Neuem zu beginnen. Es gibt derzeit nur einen, der in kurzer Zeit Arbeit nach Steyr bringen kann, das ist Siegfried Wolf.

Es wäre also wünschenswert, dass Wolf einen neuen Anlauf unternimmt?

Niemand will, dass dort nichts mehr produziert wird. MAN will nicht mehr und will möglichst schnell raus. Die einzige Lösung derzeit ist Wolf. Wolf ist nicht alleine, sondern hat die Firma Palfinger mit im Boot. Es wurden 70 Millionen Euro in eine neue Kunststoffteile-Lackierung investiert, MAN will, dass sie weiterläuft. Palfinger hat daran Interesse.

Es ist von einem Green-Mobility-Investment die Rede, das aber einigermaßen unkonkret ist.

Daraus könnte vielleicht in den nächsten Jahren etwas werden. Bis hier aber etwas greifbar ist, dauert es drei bis vier Jahre. Es gibt Konzepte, aber keine Produkte.

Sind Sie mit Wolf im Gespräch?

Ja. Auch das Land ist mit ihm in Gesprächen.

Was bedeutet die Schließung für die Region?

Wenn es komplett zugesperrt wird, erzeugt man mitten in Steyr eine Industriebrache, die man zwar wieder mit Arbeit füllen kann, aber nie so schnell in dem Umfang und in der Qualität. Jetzt arbeiten dort 2.300 Menschen. Man hat an der Linzer Tabakfabrik gesehen, wie lange das dauert. Es ist dort auch viel Geld hineingeflossen, dass sie heute so dasteht.

Wie versuchen Sie gegenzusteuern?

Ich versuche Ideen für Lösungen einzubringen, bei der alle Beteiligten ihr Gesicht wahren können. In der Voestalpine sichert man die Arbeitsplätze langfristig ab, indem man versucht, Stahl mit Wasserstoff herzustellen. Man muss in Forschung investieren. Mobilität beschäftigt unsere Region, deshalb brauchen wir ein Forschungsprojekt für die Mobilität. Wie schaffen wir es, in Zukunft Waren klimaneutral zu transportieren?

Wer soll das Projekt finanzieren? Das Land, der Bund?

Das muss der Bund sein, das Land kann unterstützen. Eine gute Möglichkeit ist das Wiederaufbauprogramm der EU. Die Voraussetzungen sind gegeben: der Ennshafen ist genauso da wie die Anbindung an die Westautobahn. Es gibt in Oberösterreich sehr viele Firmen, die in diesem Bereich investieren. Im Fall MAN habe ich gelernt, dass man nicht ein Unternehmen direkt fördert. Der Bund hat MAN bei den Lkw unterstützt, und nun zieht der Konzern trotzdem ab. Man muss schauen, dass man das Know-how fördert, damit es in der Region bleibt. Ich versuche gerade, hier den Boden dafür aufzubereiten.

Wie groß war die Förderung des Bundes für MAN?

Das waren einige Millionen für den Lkw-Bereich. Wir haben in Österreich 15 Prozent Forschungsförderung. Für jeden Euro, den MAN in die Forschung gesteckt hat, sind 15 Cent von der Bundesregierung gekommen. Es gab nicht nur diese eine Unterstützung, sondern es ist hier generell viel Steuergeld geflossen, damit hier Entwicklung passiert. Der Erfolg ist, dass MAN trotzdem abwandert.

Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, hat gemeint, Löhne und Gehälter lägen bei MAN 40 bis 60 Prozent über dem Kollektivvertrag. Das sei ein wesentlicher Faktor für die Werksschließung.

In der Champions League wird auch mehr bezahlt als in der Regionalliga. Steyr ist ein einmaliger Industriestandort. Wir haben 40.000 Einwohner und 10.000 Industriearbeitsplätze. Unser industrielles Know-how ist etwas Besonderes. Wir haben die besten Facharbeiter.

Ein Kollektivvertrag bedeutet Mindestniveau, er gilt in ganz Österreich. Es kommen Zulagen dazu, zum Beispiel für Schichtarbeit. Es ist richtig, dass über dem Kollektivvertrag bezahlt wird. Aber das war gerechtfertigt. Wenn es nun etwas Neues gibt, muss man schauen, was es hergibt. Wichtig ist, dass es Industrie ist.

Zeigen VW und der ihr zugehörige MAN-Konzern nicht die Schattenseiten des Kapitalismus? Auf der einen Seite werden 2.300 Leute auf die Straße gestellt, auf der anderen Seite machte VW im vergangenen Jahr mehr als acht Milliarden Euro Gewinn, der Aktienkurs hat sich allein in den ersten vier Monaten um 50 Prozent erhöht, die Eigentümerfamilien Piëch und Porsche leben im Salzburger Raum von der Dividenden ihres Milliardenvermögens.

Ja, diese Schattenseiten erleben wir seit Jahren. MAN hat erst vor Kurzem seine Busproduktion von Polen in die Türkei verlagert. Das ist ein Wettlauf nach unten. Wer macht es noch billiger? Obwohl die Türkei weit weg von unseren Demokratievorstellungen ist, werden dennoch solche Entscheidungen getroffen, weil es sich wirtschaftlich rechnet. Ich habe das damals schon als Gewerkschaftsvertreter kritisiert. Es muss gewisse Mindeststandards geben und irgendwann muss man einmal sagen, moralisch geht das nicht.

Von der Geschichte von MAN kann man sehr viel lernen. Penzberg (50 km südlich von München) war einmal Bergbaugebiet. Dort wurde mit viel öffentlicher Förderung die Busproduktion aufgebaut. Diese ging wegen großzügiger Förderung dann nach Gustavsburg. Nach der Ostöffnung wurde die Busproduktion mithilfe großzügiger EU-Gelder nach Polen verlegt. Daran kann man sehen, wie solche Konzerne die Förderstruktur ausnutzen. Der Standort Penzberg kämpft massiv, Gustavsburg stand ebenfalls in Diskussion geschlossen zu werden.

Das sind auch unsere Herausforderungen als Belegschaftsvertreter. Sind wir bereit, gewisse Abstriche hinzunehmen, um den Standort zu sichern? Und wann müssen wir sagen, dass das Spiel einmal ein Ende haben muss?

Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger schlägt vor, bei öffentlichen Ausschreibungen künftig das Bestbieterprinzip anzuwenden, damit die öffentliche Hand keine Fahrzeuge des VW-Konzerns mehr ankauft. Einen ähnlichen Antrag haben die SPÖ-Abgeordneten in den Landtag eingebracht.

Wenn man erlebt hat, wie verbunden die Region mit MAN war, dann ist das gerechtfertigt. Die Feuerwehrleute haben natürlich geschaut, dass nach Möglichkeit ein MAN-Fahrzeug kommt, wenn ein neues bestellt worden ist. Ein Großteil der Kommunalbetriebe in Oberösterreich fährt vermutlich MAN. Nachdem diese Verbundenheit gebrochen wurde, muss man sich fragen, ob es noch gescheit ist, MAN-Fahrzeuge zu kaufen.

Sollte man die Ausschreibungsrichtlinien nicht ändern, damit Firmen, die einer Region nachhaltigen Schaden zufügen, von Ausschreibungen ausgeschlossen werden können?

Wir müssen uns da etwas überlegen, ich habe darauf noch keine Antwort. Die Menschen sind verärgert, dass nur auf die Maximierung der Gewinne geschaut wird und wir sollen weiter deren Produkte kaufen. Das sehen viele nicht ein.

Sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach neuer Bürgermeister von Steyr. Was sind Ihre drei wichtigsten Punkte?

Wie schaffen wir es, den Produktions- und Industriestandort Steyr so abzusichern, dass es auch in Zukunft gut bezahlte Jobs gibt? Der zweite Punkt ist, dass wir als Gemeinde sehr viele Aufgaben haben, um bis 2040 klimaneutral zu werden. Hier wird es Unterstützung des Bundes geben müssen, weil wir nicht alles selbst finanzieren können. Der dritte Punkt ist der Bildungsstandort. Die Fachhochschule wird ausgebaut, wir bewerben uns auch als Standort für die neue Digitalisierungsuniversität. Es beschäftigt uns auch, wie wir die Digitalisierung in die Klassen bringen. Die Ausstattungen sind teuer. Die Finanzierung ist noch ungeklärt.

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