Luger: „Wir sind alle über unsere Schatten gesprungen“

Klaus Luger, Bürgermeister von Linz
Der Linzer Bürgermeister setzt auf Industrie und Klimaschutz. Die Corona-Krise hat eine Beweglichkeit ermöglicht, lobt der Landeshauptmann Stelzer und die Stadtregierung.

Klaus Luger (60, SPÖ) ist seit 2013 Bürgermeister von Linz.

KURIER: Sie treten zur Gemeinderatswahl im Herbst an. Was ist Ihr Ziel?

Klaus Luger: Ich möchte, dass der Weg, den ich gemeinsam mit der Stadtregierung zu gehen versucht habe, bestätigt wird. Ich wünsche mir eine Stärkung der Sozialdemokratie (2015 rund 32 %). Ich sage auch, dass das dann meine letzte Periode sein wird. Ich werde mit 67 Jahren in Pension gehen.

Wollen Sie die Zusammenarbeit mit der FPÖ fortsetzen?

Das ist schwierig zu sagen. Wir haben in der Stadtregierung ein Proporzsystem. Ich werde versuchen, mit allen Parteien einen Konsens herzustellen. Mit der FPÖ habe ich bis zur Ibiza-Causa tatsächlich eine sehr enge Zusammenarbeit gehabt, die über die Finanzen und die Stadtentwicklung hinaus gegangen ist. Meine Einschätzung seit eineinhalb Jahren, vor allem seit Corona, ist, dass die Zusammenarbeit in der Stadtregierung besser geworden ist.

Viele von uns, die nie mit wirklichen Entbehrungen zu kämpfen hatten und an den Fortschritt geglaubt haben, haben erleben müssen, dass es eine Krise ist, die stärker war als jene der Verstaatlichten Ende der 1980er-Jahre. Ein Drittel der Erwerbsbevölkerung war bis in den Sommer nicht oder nur teilweise in Beschäftigung. Für mich selbst haben sich die Schwerpunkte verschoben.

In welche Richtung?

Dass manches, wo man nicht einer Meinung ist, völlig unbedeutend ist. In der Stadtregierung ist eine neue Ernsthaftigkeit eingezogen. Wir investieren 65 Millionen Euro in den Pakt für Linz. Wir verschieben die Budgetkonsolidierung auf später. Ohne Corona wäre das nicht möglich gewesen. Deswegen ist mein Zugang zur Koalitionsfrage ein sehr entspannter.

Nachdem Sie mit Ende der nächsten Periode aufhören werden, richtet sich der Blick verstärkt auf den Nachwuchs. Wer sind die Personen, die Ihnen bzw. Ihrem Regierungsteam folgen werden?

Wir haben in der Gemeinderatsfraktion schon einige, die 2015 neu gekommen sind und sehr gute Arbeit leisten. Fünf bis sechs Gemeinderäte werden mit der Wahl neu nachkommen. Wir werden bei der Bezirkskonferenz im Frühjahr die Nominierungen vornehmen.

Sie haben die Leute schon im Kopf?

Natürlich. Ich habe die Verantwortung für die Generation, die nach mir die Sozialdemokratie prägen wird. Ich werde das nicht im Detail festlegen, es sollen dann 2027 die führenden Kräfte in der SPÖ selbst entscheiden.

Die Investitionen von 65 Millionen gelten als notwendig. Aber irgendwann wird man sie zurückzahlen müssen. Das wird Ihren Spielraum einengen.

Es ist völlig klar, dass die finanziellen Spielräume durch Covid mittelfristig geringer werden. Ich sehe es ähnlich wie der neue Arbeitsminister Kocher, der auf diese Frage geantwortet hat, es hängt stark davon ab, wie stark die Nachfrage gesteigert wird und wie gut wir die Arbeitslosigkeit bekämpfen können. Wenn man die 65 Millionen, die rund zehn Prozent unseres normalen Budgets ausmachen, über einen Finanzierungsrahmen von 20 bis 25 Jahren aufteilt, dann sind sie tatsächlich ohne Einschnitte finanzierbar.

Wir haben seit 2014 den Schuldenstand um 70 Millionen reduziert. Das ist jetzt alles mit einem Schlag weg, was schmerzhaft ist, aber es ist so. Es wird laut Kocher um

25 Prozent mehr Konkurse geben als 2020. Wir sind in Oberösterreich nicht so schlecht unterwegs, weil wir in der Krise nicht als rote Stadt gegen das schwarze Land agiert haben. Wir haben ähnliche Maßnahmen gesetzt.

Was war das wichtigste Projekt in den vergangenen fünf Jahren?

Es war nicht ein Projekt, sondern die Entwicklung, dass wir zur Digital-Hauptstadt Österreichs geworden sind. Während andere sich völlig von der Industrie zurückziehen, war der größte Erfolg, dass Linz Industriestadt Nummer eins ist, Digitalisierungsstadt Nummer eins ist, und damit die Weichen für die Zukunft gestellt hat. Wichtig war die Weiterentwicklung von Ebelsberg und die Einigung mit dem Land über den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Da sind wir alle ein bisschen über unsere Schatten gesprungen. Das Land investiert jetzt mehr Geld als ursprünglich geplant, und wir sind vom Projekt zweite Schienenachse abgewichen. Das waren lange Zeit Dogmen, auf beiden Seiten. Diese neue Beweglichkeit war wichtig.

Die Stadion-Lösung war eine sehr kluge. Der LASK kommt wieder nach Linz zurück. Wir haben bewiesen, dass wir von lange eingenommenen Positionen Abstand nehmen, wenn es neue Entwicklungen und es bessere Szenarien gibt. Gleichzeitig bin ich bei Blau Weiß durch den Neubau des Donauparkstadtions nicht exkommuniziert worden.

Wir in der neuen Politikergeneration tun uns leichter, über Grenzen zu gehen, was vorher nicht möglich gewesen wäre. Das gilt für unsere Partner beim Land, für Stelzer und für Steinkellner. Das ist eine neue Beweglichkeit.

Stadt und Land sind sich bei der Stadtbahn einig, die Sache hängt nun an der Finanzierung des Bundes. Die Grünen sind in der Regierung und könnten das von ihnen geforderte Projekt realisieren, aber von der Grünen Ministerin fehlt die Zusage.

Hier werden Dinge vermengt, die miteinander nichts zu haben. Diese Herangehensweise ist sehr bedenklich. Wir wehren uns gegen die Kostenübernahme für das 1-2-3-Ticket der Ministerin. Andere Städte wie Graz oder Salzburg, die hier klein beigegeben haben, haben schon die Zustimmung für ihre Projekte. Ich kann nicht akzeptieren, dass die Linz AG einen Einnahmenverlust von 20 Millionen Euro hätte. Wir haben derzeit 36 Millionen Euro Jahreszuschussbedarf für den öffentlichen Verkehr. Wenn da noch einmal 20 Millionen Euro dazukommen, geht der ganze Erfolg der Linz AG nur in die Defizitabdeckung des öffentlichen Verkehrs. Das ist für das Gesamtunternehmen nicht tragbar. Ich halte viel vom 1-2-3-Ticket, aber unter diesen Bedingungen gibt es von mir keine Zustimmung. Die Argumente, hier fehlt noch etwas in einer Studie, und das sei nicht ausreichend erklärt, sind vorgeschoben.

Das wichtigste Projekt für die nächsten sechs Jahre?

Es gibt ein Oberziel, dem ich alles unterordne. Linz muss die stärkste Industriestadt bleiben und gleichzeitig den Klimawandel bewältigen. Wir brauchen bis 2040 -Neutralität. Unsere Unternehmen wie die Voestalpine sind in der Lage, das mit Wasserstoff technisch zu lösen, aber die Technologie ist aus Preisgründen noch nicht konkurrenzfähig. Die Industrie braucht hier die Unterstützung der Bundesregierung. Wir können hier weltweit Vorreiter werden. Wie mit dem LD-Verfahren. nach dem Krieg. Industrie und Klimaschutz sind die Zukunft der Stadt.

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