Luger: „Längere Arbeitszeit und mehr Geld für die Spitalsärzte“
Klaus Luger (63, SPÖ) ist seit 2013 Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz.
KURIER: Die OÖN haben zu Ihrem Zehn-Jahres-Jubiläum als Bürgermeister im November gefragt, „kommt da noch was?“ Was kommt im neuen Jahr?
Klaus Luger: Ganz wesentlich ist die Fertigstellung der Westumfahrungsbrücke, deren Planung 30 Jahre zurückreicht. Die Stadt startet eine 20 Millionen Euro umfassende Offensive von Photovoltaikanlagen, die auf Gebäuden der Stadt und auf Anlagen von gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften installiert werden.
Gemeinsam mit der Industrie werden die Weichen Richtung CO2-Neutralität gestellt. Das ist zum Beispiel ganz wesentlich für die voestalpine. Die dafür notwendige 220-kV-Leitung wird beinahe fertiggestellt.
Ende des Jahres wird eine neue Strategie für die Innenstadt vorliegen. Wir werden das Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren für das Wohnareal in Ebelsberg begleiten. Es werden im ersten Quartal die Verträge für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, sprich O-Bus und die beiden Schnellbahnen S6 und S7, unterschrieben.
Für die Innenstadt wird es ein neues Konzept geben. Kaufleute wie Marcus Wild sehen in der Linzer Landstraße ein großes Potenzial. Wo sehen Sie das Potenzial?
In unterschiedlichen Abschnitten. Der Hauptplatz wird nach der Eröffnung der Westumfahrungsbrücke für den Durchzugsverkehr gesperrt. Das bedeutet viele Möglichkeiten der Gestaltung und der Belebung durch Veranstaltungen.
Wir wollen auch die anderen Plätze wie den Pfarrplatz oder den Martin-Luther-Platz für Nutzungen attraktivieren. Am Pfarrplatz bauen wir eine Wasserspielfläche für Kinder. Wir werden Begrünungsmaßnahmen durchführen.
Die Fußgängerzonen rund um die Landstraße sollen ausgeweitet werden.
Wo soll es sie geben?
Man wird sich das Geviert um den Schillerplatz ansehen müssen, weiters den Schillerplatz bis zum Volksgarten. Dazu braucht es auch ein Verkehrskonzept. Die Geschäfte in den Nebenstraßen dürfen aber in ihrer Existenz nicht gefährdet werden.
Linz verzeichnet mit 212.000 Menschen einen neuen Einwohnerrekord.Eine der Konsequenzen, die Sie gezogen haben, sind neue Hochhäuser, weil die Stadt in der Breite kaum mehr wachsen kann. Die neuen Türme wie der Brucknertower oder der Büroturm beim Bahnhof sind aber wahrlich keine architektonischen Glanzlichter.
Das ist sehr subjektiv. Da gibt es auch andere Meinungen dazu. (lacht)
Finden Sie sie gut?
Ich finde den Brucknertower durch seine Ausgestaltung für ein extrem gelungenes Beispiel eines Wohnhochhauses mit hoher Lebensqualität.
Paris hat nun eine Höhenbegrenzung von 37 Metern und maximal 12 Stockwerken eingeführt. Wäre das nicht beispielgebend für Linz?
Ich bin kein Freund solcher starren Regelungen. München hat eine Obergrenze von 100 Metern eingeführt, es gibt andere Städte mit 50 Metern. Ich bevorzuge Einzelfallentscheidungen, wie hoch etwas sein darf, denn es hängt vom Umfeld ab.
Wir brauchen zum Beispiel bei der Tabakfabrik, wo jetzt der Quadrill mit 109 Metern entsteht, keine verordneten Höhenbegrenzungen, denn dort wird nicht nochmals in dieser Höhe gebaut werden. In München wäre das mit 100 Metern erlaubt. Es wird auch niemand auf die Idee kommen, in der Nähe des Hauptplatzes einen 37 Meter hohen Turm hinzustellen.
Spätestens im Herbst wird der Nationalrat neu gewählt. Welche Regierungskoalition soll es künftig geben?
Unabhängig vom Ergebnis meiner Partei habe ich den Wunsch, dass es eine Koalition ohne Herbert Kickl gibt. Wunsch Nummer zwei ist eine möglichst starke Sozialdemokratie, die aus heutiger Sicht mit zwei weiteren Partnern eine Koalition bilden kann.
Die Abstände zwischen SPÖ und ÖVP sind vor dem Wahlkampf so gering, sodass ich nicht vorauszusagen wage, wer Zweiter oder Dritter wird. Dass meine Partei oder die ÖVP noch stärkste Partei werden wird, ist aus heutiger Sicht nicht die wahrscheinlichste Variante.
Auf welche Themen sollte die SPÖ im Nationalratswahlkampf setzen?
Erstens soll sie eine Sprache verwenden, die niemanden ausgrenzt, verletzt und die nicht polarisiert. Zweitens sollte es klare Inhalte geben. Wir leben in einer Zeit, in der nicht der totale soziale Untergang stattfindet, sondern in der viele Menschen völlig verunsichert sind.
Es gelingt niemandem, eine Perspektive für diese Menschen aufzuzeigen. Auch nicht der FPÖ. Deswegen gäbe es die Riesenchance für die SPÖ Perspektiven zu zeigen. Wir stehen für den Umbau der Industrie, um die Arbeitsplätze zu erhalten. Wir sorgen dafür, dass jemand mehr haben soll, wenn er mehr arbeitet.
Wir stehen dafür, dass Frauen real die gleichen Rechte haben. Wir stehen für die notwendige Energiewende. Es muss hier Abfederungen für die Wirtschaft geben. Die Menschen, die durch die entstehenden Mehrkosten der Energiewende unter Druck kommen, gehören unterstützt. Wir brauchen eine Reform des Gesundheitswesens, wir haben bereits eine Zwei-Klassen-Medizin.
Wie soll das konkret aussehen?
Ich bin für den völligen Ausbau von Primärversorgungszentren. Ich bin dafür, dass Ärzte in den öffentlichen Spitälern wieder länger arbeiten dürfen als bisher (Begrenzung von 48 Stunden/Woche, Anm. d. Red.),
Mit dem Effekt, dass Spitalsärzte dann weniger Wahlarztordinationen führen, wie das derzeit der Fall ist.
Sie sollen im öffentlichen Sektor auch ordentlich verdienen. Für junge Ärzte, die heute in den Spitälern beginnen, sind die Einkommen wirklich niedrig. Es werden auch nicht alle am Ende ihrer Karriere Primare mit Topgehältern und Privatordination. Das System gehört wieder vergesellschaftet.
Aber nicht durch eine Neiddebatte über Ärzte, sondern auch über klare finanzielle Perspektiven. Das Wahlarztsystem boomt deswegen so, weil wir zu wenig niedergelassene Ärzte haben, die Vollzeit zur Verfügung stehen. Wer profitiert davon? Das sind nicht nur die Ärzte, sondern auch die Versicherungen, die ein tolles Zusatzgeschäft mit Wahlarztversicherungen machen.
Wir haben es mit einem komplexen Thema zu tun, wo das Steuergeld der Bevölkerung und der Unternehmen in einem immer größeren Ausmaß benötigt wird, um eine immer teurere Struktur aufrechtzuerhalten, die aber nicht mehr Qualität für die Patienten liefert.
Ich bin gegen ein Ärztebashing, ich bin aber auch dagegen zu sagen, da ist alles privat erlaubt, was Geld bringt. Das gehört wieder in einen vernünftigen Rahmen zurückgeführt. Die Aufhebung des Strukturfehlers der Arbeitszeitbegrenzung für die Ärzte und die dadurch erfolgte Explosion der Wahlärzte ist behebbar. Man soll die Ärzte in den öffentlichen Spitälern und in den Primärversorgungszentren stärken.
Die guten Ärzte müssen in den Spitälern operieren. Sie brauchen dafür mehr Stunden, da reichen oft 40 oder 48 Stunden nicht aus. Bei guten Leuten ist das so.
Wenn man in die Struktur jetzt nicht eingreift, werden verstärkt private Kliniken kommen, die die Top-Ärzte top entlohnen, die sich aber die meisten nicht leisten können. Die öffentlichen Spitäler verkommen dann zu Armenspitälern.
Die Landespartei liegt in Umfragen nach wie vor bei rund 18 Prozent, das ist das Wahlergebnis von 2015. Warum kommt sie mit dem neuen Parteivorsitzenden Michael Lindner nicht stärker vom Fleck?
Dafür gibt es zwei Gründe. Die SPÖ hat durch die Ereignisse seit 2022 sicherlich einen Imageschaden erlitten. Die Ausrichtung der Bundes-SPÖ auf sozialökonomische Themen ist nicht sehr hilfreich für die Partei, die in die Mitte der Gesellschaft will.
Das ist die Schwierigkeit in Oberösterreich, wo diese Mitte sehr gut von der Landes-ÖVP abgedeckt wird. Für die SPÖ als Alleinkämpferin ist es sehr schwierig, in diese Mitte zu stoßen.
In Linz haben Sie diese Mitte besetzt.
Ja, es ist so. Da tut sich die ÖVP schwer. Die SPÖ kann im Industrie- und Wirtschaftsland Oberösterreich nur dann in die Gänge kommen, wenn das bundesweite Umfeld stimmt.
Das Umfeld stimmt nicht. Sie vertreten regelmäßig andere Positionen als Parteichef Andreas Babler.
Das ist so. Das ist ja nichts Ehrenrühriges. Ich stelle nicht den Anspruch in jeder Frage recht zu haben. Die Sozialdemokratie muss aus der breiten Mitte der Gesellschaft heraus agieren. Lindner steht dafür. Er musste große organisatorische Probleme und eine ganz geschwächte Organisation übernehmen.
Es hat in vielen Gemeinden keine Kandidatur der SPÖ mehr gegeben. Er muss vieles gemeinsam mit Geschäftsführer Koppler in der SPÖ erst aufbauen. Abgerechnet wird erst 2027.
Sie sind kürzlich als Vorsitzender der SPÖ Linz für weitere drei Jahre bis Ende 2026 gewählt worden. Sie haben erklärt, bei der Gemeinderatswahl 2027 nicht mehr antreten zu wollen. Sie werden also die Legislaturperiode fertigmachen.
Das ist mein Ziel. Das sind auch meine letzten Jahre als Parteivorsitzender. Die Entscheidungen über den Generationswechsel sind bei der Parteikonferenz im Oktober, Novemer 2026 zu treffen.
Wer wird Ihnen nachfolgen? Aus heutiger Sicht dürfte der 49-jährige Stadtrat Dietmar Prammer die Nummer zwei sein. Im Gespräch ist auch der 34-jährige Landesgeschäftsführer Florian Koppler. Welche weiteren Menschen gehören zur künftigen Führung?
Die beiden Genannten gehören mit Sicherheit dazu. Wir haben auch auf Landesebene Sozialdemokraten in Führungspositionen.
Zum Beispiel den Dritten Landtagspräsidenten Peter Binder.
In der Stadtregierung gibt es vier weitere Mitglieder, davon werden zwei nicht mehr kandidieren. Auch in der jüngeren Generation gibt es Persönlichkeiten, die sicher an der SPÖ-Spitze Platz haben.
Ich werde sicher nicht der Versuchung unterliegen, in meinen letzten Jahren bis ins kleinste Detail festzulegen, wer welche Position innehaben wird. Das ist schlecht, wenn man das am Ende seiner Karriere macht.
Mein Auftrag ist, ein Team mitzugestalten, das aus sich heraus die Funktionen diskutiert, wer was am besten machen kann. Ich werde meine Meinung intern kundtun, dafür bin ich bekannt, aber ich werde nicht versuchen, eine Meinung durchzudrücken.
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