Linzer Bürgermeister: "Ich fordere in Oberösterreich Solidarität ein“
Klaus Luger (SPÖ) ist seit 2013 Bürgermeister in Linz. Zudem ist er Aufsichtsratsvorsitzender der Linz AG, die die Stadt mit Energie versorgt.
KURIER: Seit 5. September ist der Linzer Hauptplatz Begegnungszone. Fahren weniger Autos vor Ihrem Büro vorbei?
Klaus Luger: Völlig unverändert. Es ist eine sinnlose Verordnung. Es ist mehr Marketing als sonst was.
Wien hat ein Konzept zur Verkehrsberuhigung vorgelegt: Zufahrten in die Innenstadt werden reduziert, nur Ausgewählte sollen parken dürfen, der Rest muss in Parkgaragen. Ein Ansatz für Linz?
Planungsstadtrat Dietmar Prammer wird mit der Stadtregierung eine Gesamtstrategie für die Linzer Innenstadt erarbeiten. Da wird die Frage, in welchem Ausmaß wir in Zukunft Individualverkehr zulassen, ein Schwerpunkt sein. Da ist das Wiener Modell sehr interessant, denn die haben ein Verkehrsüberprüfungskonzept der Zukunft geschaffen. Sie nutzen die Möglichkeiten von Videoüberwachung und Digitalisierung zur Kontrolle.
Würden Sie sich auch in Sachen Corona-Maßnahmen ein Vorbild an Wien nehmen?
Bürgermeister Michael Ludwig und ich schätzen die Dinge sehr ähnlich ein. Vorteil von Wien: Wien ist Bundesland und kann den strengeren Kurs fahren. Linz ist Stadt und kann das nicht. Bei uns bedarf es des Landes OÖ. Dürfte ich entscheiden, würde ich ähnlich wie Michael Ludwig die Maßnahmen setzen. Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr, in Apotheken und in Pflegeheimen.
Auch wenn die Infektionen zurückgehen?
Die Dunkelziffer ist enorm. Experten gehen vom Zwei- bis Dreifachen aus. Gott sei Dank erleben wir aber noch keinen Druck auf den Intensivstationen. Die Infizierten auf den Normalstationen sind jedoch massiv angestiegen. Und wir merken, dass wir aufgrund der Infektionen in vielen Berufsfeldern einen Arbeitskräftemangel haben. Das wird in der kritischen Infrastruktur im heurigen Winter noch zu einer großen Herausforderung werden.
Derzeit gibt es eine landesweite Debatte über Zelte für Asylanten. Laut Innenministerium hat das Land OÖ statt 15.200 Asylwerbern, zu denen es verpflichtet wäre, nur 11.600 aufgenommen. Hat Linz seinen Beitrag erfüllt?
Ja, überdurchschnittlich sogar. Ein Viertel aller in OÖ Asylberechtigten leben in Linz, weil es bessere Aussichten auf Wohnung und Arbeit gibt. Wir haben also doppelt so viele Asylberechtigte als uns in Relation zur Bevölkerung zustünden. Dazu stehe ich. Wir haben auch mehr als ein Siebentel, das wäre unser Anteil in OÖ, an Menschen, die im Asylverfahren sind. Ich habe mich nie dagegen verwehrt, diese in kleineren und mittleren Quartieren aufzunehmen. Aber es ist ein Fehlverhalten der Landespolitik, dass OÖ insgesamt nur 76 Prozent der Quote erfüllt. Bevor Bezirke, die schon viel leisten, noch mehr Flüchtlinge aufnehmen, sollte die Quote erst in anderen Bezirken verbessert werden. Und wenn VP-Landesrat Hattmannsdorfer Solidarität innerhalb der EU einfordert, dann fordere ich Solidarität innerhalb von OÖ ein.
Wird Linz dennoch weitere Quartiere suchen und Flüchtlinge aufnehmen?
Ja. Aber keine Zelte. Die sind eine Bankrotterklärung der schwarz-grünen Asylpolitik.
Die Stadt Linz hat Schulden von ca. 720 Millionen Euro. Die Zentralbank hat den Leitzins angehoben. Die Kreditraten werden dadurch erheblich höher. Wie wirkt sich das aus?
Bei uns wird sich das nicht stark niederschlagen, weil über 60 Prozent unserer Darlehen fix verzinst sind. Und auch bei den restlichen variabel finanzierten haben wir Obergrenzen. Eindeutig stärker belastend werden die Energiekosten – die verdoppeln und verdreifachen sich – und Lohnerhöhungen. Genaue Berechnungen gibt es erst bei der Sondersitzung des Stadtsenats am 10. November.
Wie schlägt sich das auf das Budget nieder? Einsparungen oder Schuldenstand erhöhen?
Wenn das Land OÖ um 200 Millionen Euro mehr Schulden hat, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Linz keine Schulden hat eher gering. 2023 werden in ganz Österreich erhöhte Ausgaben niedrigeren Einnahmen gegenüberstehen. Deshalb wird es nirgendwo möglich sein, ohne Defizit ein Budget zu gestalten.
Auch die Linz AG hat die Preise für Energie erhöht.
Sie verdient dabei aber keinen Cent. Es sind die gestiegenen Marktpreise, zu denen Gas kaufbar ist, die weitergegeben werden.
Eine weitere Anpassung in den nächsten Monaten ist also nicht ausgeschlossen.
Objektiv ist nichts auszuschließen. Wir wissen beim besten Willen nicht, ob sich die Lage entspannt oder explodiert. Wir können nur auf Sicht fahren. Als Aufsichtsratsvorsitzender kann ich garantieren, dass die Linz AG aus der Krise keine zusätzlichen Gewinne schlagen wird.
Wie müsste die Politik agieren?
Es müsste in der EU und in Österreich sofort dieser Markt – wo ja nicht mehr Angebot und Nachfrage regulieren, das ist ja nur ein Preisdiktat – geregelt werden. Es ist zwar nicht Aufgabe einer Regierung, Preise für Gas und Strom festzusetzen. Aber jetzt, wo es um die Existenz vieler geht, ist Schluss mit lustig am Markt. Jetzt hat eine Regierung zu handeln, Preise festzulegen, Obergrenzen zu definieren. Ist die Ausnahmesituation vorbei, soll sie wieder Abstand davon nehmen.
Wie spart Linz Energie?
Wir haben Maßnahmen gesetzt, die den Gasverbrauch reduzieren. Die Temperaturen sind zum Beispiel in den Büros mit 19 Grad limitiert. Ich werde auch dafür sorgen, dass diese Heizschwammerln auf den Weihnachtsmärkten untersagt werden, aber das wird uns nicht retten. Viel notwendiger ist es, auf grüne Energie umzusteigen und dadurch unabhängiger zu werden. In der Linz AG beschleunigen wir den Einsatz von erneuerbarer Energie, indem wir die Investitionen, die wir für die nächsten acht Jahre vorgesehen hätten, bereits innerhalb von vier Jahren realisieren. Wir haben derzeit einen Anteil bei der Strom- und Wärmeerzeugung von 40 Prozent erneuerbarer Energien. Bis 2040 werden es 100 Prozent sein. Es ist entscheidender, dass die 220-kV-Leitung kommt, um den Strom nach Linz zu bringen, als dass ich mein Licht früher abdrehe.
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