Das afo-Gebäude, 1926 vom damaligen Linzer Stadtbaudirektor Curt Kühne als Volksküche für die Ärmsten errichtet, ist der Beweis: Architektur trägt zur Würde des Gebäudes und viel mehr noch zur Würde seiner Nutzer bei.
Curt Kühne, dem im Vorjahr noch im Nordico-Stadtmuseum die Ausstellung „Gebaut für Alle“ gewidmet war, gilt als ein Baumeister des „roten Linz“, wenngleich dieses „rote Linz“ nicht ganz an die aus Wien bekannte Ausprägung herankommt.
Kühne hat der Stadt viele Bauten hinterlassen. In aller Munde ist die letzte noch vollständig erhalten gebliebene Arbeitersiedlung in der Sintstraße in Linz.
Seit mehr als zehn Jahren wird darüber diskutiert, wie mit den Häusern verfahren werden soll. Erst im Eigentum der Stadt, später in die städtische Wohnbaugesellschaft GWG ausgegliedert, aktuell zum Großteil im Eigentum der Strabag, ist die Revitalisierung Gegenstand von Diskussionen.
Kreative Ansätze fehlen
Von Architekten kommt Kritik: Kreative Ansätze würden fehlen, eine ehrliche Auseinandersetzung, wie die einzigartige Siedlung in Gestalt und Ausprägung erhalten werden könne, sei von den Eigentümern nicht erfolgt.
Und die nun geplante Vorgangsweise führte zu wenig Begeisterung. Ein Teil des Ensembles soll – mit Zustimmung des Bundesdenkmalamtes – abgerissen werden, der andere Teil, jener um den bedeutenden Anger, entkernt und innen neu gestaltet werden. Nur die Fassaden sollen erhalten bleiben, diese sollen mit Balkonen ein völlig neues Antlitz erhalten.
Dabei sei laut Vorstand des Architekturforums klar: „Die Angersituation funktioniert nur in der Gesamtheit der Siedlung.“
Wobei die Problematik tiefer liege: In Linz gebe es keinen Respekt für die Baukultur der 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts: „Nur einzelne Filetstücke zu erhalten wird dem Schutzgedanken nicht gerecht.“
Dem pflichtet Wilfried Lipp, früherer Landeskonservator des Bundesdenkmalamtes in Oberösterreich, bei: „Die Genossenschaft wollte das von Anfang an wegreißen.“ Dabei wäre ein öffentliches Interesse am Erhalt dieser Siedlung gegeben.
„Der Druck der Politik, der Wirtschaft und der Eigentümer ist groß. Die Nachgiebigkeit der Behörde ist unverzeihlich. Es traut sich niemand zu sagen: Das muss so bleiben.“
Ein Sachverständiger pflichtet bei: „Wenn die Wirtschaftlichkeit im Denkmalschutz eine Grundlage für die Entscheidung ist, ein Baudenkmal zu erhalten, kann ich mir das Gesetz schenken.“
Stadt zieht sich zurück
Christoph Wiesmayr vom Verein Schwemmland wird noch deutlicher: „Es gibt ein Projekt von Studierenden der Kunstuni Linz, das für realisierbar erklärt wurde. Wie kann ein roter Bürgermeister so mit dieser Arbeitersiedlung umgehen? Man vergisst auf die Arbeiter, nein, man tritt sogar noch hin.“
Dabei würde es gerade zum Erhalt historisch bedeutsamer Siedlungen wie jener in der Sintstraße die bedingungslose Rückendeckung der Politik brauchen.
Linz habe sich, so der Tenor im Architekturforum, einfach aus der Verantwortung genommen. Dabei sei gerade SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger als Vertreter des Eigentümers der GWG in der Pflicht.
Und nicht nur in dieser Funktion: Im Zuge der Debatte kam einerseits auf, dass die Stadt das Areal zurückkaufen und so gänzlich erhalten solle, andererseits hätte die Stadt über Bebauungspläne die Möglichkeit, regulierend einzugreifen.
Allein, sie will diese Verantwortung nicht. Nur diesen Schluss lassen bisherige Aussagen von Planungsstadtrat Dietmar Prammer, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der GWG ist, zu.
afo-Chef Franz Koppelstätter sieht nicht zuletzt deshalb wenig Chancen, das aktuelle Projekt noch zu verhindern.
Dieses wurde zwar vom Gestaltungsbeirat noch mit Verbesserungsaufträgen versehen, einen Projektstopp kann er sich aber schwer vorstellen.
Im Zuge des Stammtisches wurde über mögliche Protestformen des zivilen Widerstands geredet. Als letzte Chance, noch jemanden zur Übernahme von Verantwortung zu überzeugen.
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