Realistische Vorbilder
„Ich habe bereits 2017 eine ähnliche Studie gemacht, seitdem hat sich einiges verändert: Die Vorbilder sind an sich mehr geworden. Wobei sich die Mädchen nicht totale Karrierefrauen als Vorbilder wünschen, sondern Frauen mit realistischen Berufsbildern“, resümiert Martina Gaisch.
Was aus Gaischs Studien noch hervorgeht: Oft sind die Lehrerinnen und Lehrer und die Eltern zu Hause das Zünglein an der Waage, wenn es darum geht, dass sich Mädchen in MINT-Ausbildungen trauen.
„Jene Mädchen, die zu Hause technisches Spielzeug und entsprechende Bücher zur Verfügung haben, sagen zu 34 Prozent, dass sie sich diese Richtung vorstellen können. Von jenen, die daheim keinen Zugang bekommen, sind es nur vier Prozent.“
Meistens gehen Mädchen in traditionelle Berufe, weil sie keine anderen kennen, weil sie hören, dass MINT-Berufe unweiblich sind und weil sie bei vorhandenem Interesse zu wenig positives Feedback bekommen.
„Es braucht eine Stärkung des Selbstvertrauens und bessere Aufklärung über die Möglichkeiten“, weiß die FH-Professorin. Denn die IT brauche dringend mehr Weiblichkeit.
Mit gerade mal 18 Prozent weiblicher Studierender in Österreich seien noch viel zu wenig Informatikerinnen am Werk: „Digitale Produkte sollen nicht nur von jungen, weißen Männern entwickelt werden.“
Die erste Software für Spracherkennung habe beispielsweise weibliche Stimmen nicht erkannt. Warum? „Weil Frauen bei der Entwicklung einfach vergessen wurden. Deswegen will ich, dass die ganze Vielfalt an Menschen, die diese digitalen Produkte nutzen, diese auch mitentwickeln, “, schließt Gaisch.
Dafür lehrt, forscht, kämpft und entwickelt sie. Dafür motiviert sie junge Frauen, den Schritt in die MINT-Richtung zu wagen.
Neuer Studiengang für digitale Produkte
Aufgrund der Erkenntnisse aus ihren Forschungen entschloss sich Martina Gaisch dazu, einen Studiengang aus Frauensicht zu konzipieren. Seit Herbst 2022 gibt es an der FH Hagenberg also „Design of Digital Products“ mit dem möglichen Abschluss eines „Master of Science“.
„80 Prozent der Lehrenden sind Frauen, viele davon aus der Wirtschaft und echte IT-Expertinnen“, freut sich Gaisch. Der Zugang schlägt sich in der Anzahl der Studierenden nieder: Rund 75 Prozent im Lehrgang sind weiblich.
Und: „Weil ich mehr Vielfalt in die Informatik bringen will, freut es mich besonders, dass Studierende mit acht verschiedenen Muttersprachen am Studiengang teilnehmen. Und das, obwohl wir mitten im Mühlviertel sind.“
Neben der Informatik geht es inhaltlich stark um Themen wie Ethik, Design und Nachhaltigkeit. Programmierkenntnisse sind für den Einstieg keine Voraussetzung.
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