Chris Müller: Abschied eines Reisenden aus der Tabakfabrik Linz

„Ich möchte die Welt noch aus den Angeln reißen.“ Das sagt einer, der in seinem Leben bereits einiges auf die Beine gestellt, sich jedoch mit Erreichtem nie zufriedengegeben, immer wieder auf Neues eingelassen hat.
Etwa auch das ehrgeizige Vorhaben, aus dem weitläufigen Areal der „Tschikbude“, der ehemaligen Tabakfabrik in Linz, einen Zukunftsort zu machen. Ende April 2023 ist damit Schluss, zu seinem Fünfziger schenkt sich Chris Müller „ein neues Leben“, wie er sagt.
Müller ist überaus umtriebig und vielschichtig, nicht ohne Weiteres festzumachen – dem beugt er auch selbst vor. Nach neun Jahren in der Tabakfabrik will er ein neues Kapitel im Leben aufschlagen. Bürgermeister Klaus Luger findet nur positive Worte für seine Arbeit. Aber was hat der Kulturmanager in der Tabakfabrik in den knapp zehn Jahren bewegt?
Mit Sicherheit sei er „kein Sesselkleber“, sagt Müller über sich. Auch deswegen steige er jetzt aus, weil die Aufbauarbeit abgeschlossen sei: „Wir sind bei null gestartet und nach zehn Jahren in der Gewinnzone.“ Jetzt nehme das Operative überhand. Im Alltagsgeschäft sieht sich Müller nicht: „Ich bin ein Zukunftsgestalter und kein Gegenwartsverwalter.“
Stillstand ist für Chris Müller keine Option
2013 wurde Müller als Zwischennutzungskoordinator für die Tabakfabrik bestellt, später zum Direktor für Entwicklung, Gestaltung und künstlerische Agenden ernannt. Seither ist aus dem brachliegenden ehemaligen Industriegelände ein pulsierender Bildungs- und Kreativcampus geworden, eine Drehscheibe für Innovation, IT, Digitalisierung und Start-ups.
In Kombination mit dem bereits gestarteten Quadrill-Neubauprojekt werden 2025 rund 5.000 Menschen auf dem Areal Zugang zu einem Arbeitsplatz finden; 500 von ihnen werden auch am Peter-Behrens-Platz wohnen. „Es macht mich stolz, dass wir in Linz ein internationales Aushängeschild schaffen konnten“, sieht Bürgermeister Klaus Luger die bisher investierten 250 Millionen Euro bestens in die Stadtentwicklung angelegt. Und: „Chris Müller übergibt nun ein ausvermietetes Areal, das wirtschaftlich erfolgreich positioniert wurde.“
Alles außer Langeweile
„Ich möchte noch viele Orte bereisen“, sagt Müller über seine Zukunftspläne. Dazu habe er jetzt gemeinsam mit den beiden Kindern, zwölf und sechzehn Jahre, die Chance. Doch das Reisen ist nicht nur räumlich, sondern auch im übertragenen Sinne gemeint. Müller ist zentralen Lebensfragen hinterher. An einem Buch dazu arbeitet er bereits, es soll im nächsten Herbst erscheinen. Darin wird es einerseits um Bildungsthemen gehen, andererseits um „magische Orte“, in denen in der Geschichte bis heute Innovationen befördert wurden und werden.
Im Übrigen warte auf ihn „ein Sammelsurium an Projekten“, sagt Müller. Verstärkt will er sich um sein Herzensprojekt ATMOS kümmern, das sich dem Thema gesundheitsförderlicher Luft verschrieben hat. Mit seiner Firma CMb.industries und der DELTA Gruppe möchte er sein Wissen in gesellschaftsrelevante Arbeit einbringen, etwa beim Wiederaufbau der Ukraine. Und der Tabakfabrik bleibt Müller ebenfalls erhalten, als „Evangelist“ der Innovationswerkstatt Grand Garage.
Von der Kreissäge zum Intendaten
Aus dem Bergarbeitermilieu im Hausruck abstammend, hat er allerlei Berufe und Tätigkeiten ausgeübt, handfeste wie künstlerische.Gemeinsam mit Georg Schmidleitner gründete der gelernte Tischler das „Theater Hausruck“ und machte sich damit einen Namen.
Vor allem die Aufführung des Stücks „Hunt oder der totale Februar“ von Franzobel im stillgelegten Kohlebrecher Kohlgrube machte das Projekt weit über die Region hinaus bekannt. Es wurde 2005 mit dem „Nestroy-Preis“ und dem Österreichischen Bühnenkunstpreis ausgezeichnet.
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