„Licht in der dunkelsten Zeit des Jahres“

Florian Wegscheider
Heute wird die erste Kerze am Advent- kranz entzündet. Diese Tradition gibt es erst seit 150 Jahren. Den Advent feiern die Christen bereits 1.600 Jahre.

Florian Wegscheider ist Assistenzprofessor für Liturgiewissenschaften und Sakramententheologie an der Katholischen Privatuniversität Linz. Der 30-Jährige ist auch geschäftsführender Sekretär der Ökumenischen Stiftung Pro Oriente. Seine Dissertation hat er zum Thema Advent geschrieben.

KURIER: Der Advent ist für viele eine Einkaufszeit und nicht viel mehr. Was ist er tatsächlich?

Florian Wegscheider: Gesellschaftlich gesehen ist es die wichtigste Zeit des Jahres, liturgisch und kirchlich ist jedoch Ostern die wichtigste Zeit. Es gibt die Weihnachtsfeiern, den Konsum, die Weihnachtsmärkte. Die Wirtschaft bezeichnet den Advent als 13. Einkaufsmonat. Die Menschen feiern auf ihre Art und Weise den Advent, zwar nicht so es sich die Kirche vorstellt, aber sie feiern ihn. Die Kirche möchte den Advent als Zeit des Erwartens sehen. Man soll sich auf Weihnachten vorbereiten, an dem sie die Geburt Jesu Christi feiert. Die Liturgie erwartet das Wiederkunft Jesu Christi für den 25. Dezember.

Gesellschaft und Kirche tun sich wegen der verschiedenen Vorstellungen schwer miteinander. Beides soll sich aber nicht ausschließen. Die frühesten Anfänge des Advents im 4. und 5. Jahrhundert sprechen nicht davon, ob die diese Zeit durch Fasten oder durch Freude geprägt sein soll. Beide Formen haben immer nebeneinander bestanden. Laut ältesten Quellen ist es wichtig, dass sich die Personen auf die Geburt und die Wiederkunft Jesu Christi vorbereiten sollen. So können sowohl der gesellschaftliche als auch der kirchliche Advent ruhig nebeneinander stehen.

Heute ist der erste Adventsonntag, an dem die erste der vier Kerzen entzündet wird.

Der Adventkranz ist ein ganz junges Element. Er ist erst Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts aus einem protestantischen Adventkalender entstanden. Er sollte Kinder, die wenig bis gar nichts haben, auf das Weihnachtsfest vorbereiten. Das waren 24 Kerzen für die 24 Tage im Dezember. Vier davon, die Sonntage, waren größer. Die Kinder durften jeden Tag eine Kerze anzünden.

Was ja im Adventkalender mit den 24 Türchen fortlebt.

Genau. Oder auch im Adventkranz, wo man jeden Sonntag eine Kerze anzündet. Die Lichtsymbolik ist wesentlich, denn Weihnachten ist Fest des Lichtes. Was wir aufgrund der Elektrizität nicht mehr beachten ist, dass am 22. Dezember die längste Nacht im Jahr stattfindet. Das war für die Menschen ganz wesentlich, denn es war die dunkelste Zeit des Jahres. Die Römer haben das mit dem Fest Sol invictus gefeiert, in Ägypten wurde es ebenso gefeiert wie bei den Christen. Wer kann das nur sein, der wieder stärker leuchtet? Das kann nur Christus sein. Also hat man sein Geburtsfest auf den 25. Dezember, damals die längste Nacht im Jahr, gelegt. Das war im Jahr 350 in Rom.

Haben die Frühchristen Weihnachten gefeiert?

Die ersten Zeugnisse sind um das Jahr 350 auszumachen. Die Zeit davor wurde Weihnachten als Geburtsfest nicht gefeiert.

Am 6. Dezember kommt der Heilige Nikolaus.

Er hat mit dem Advent nichts zu tun. Es ist ein Heiligenfest, das genauso in den Advent fällt wie am 7. Dezember der Heilige Ambrosius, der große Bischof von Mailand. Die Kirche feiert das ganze Jahr hindurch Heilige und Nikolaus (von Myra, erste Hälfte 4. Jahrhunderts) hat bereits relativ früh eine Verehrung erfahren. Sowohl im Osten, in der Orthodoxie, wie auch im Westen. Nikolaus war eine interessante Gestalt, der sich für die Armen eingesetzt hat. Dieses Geschenke bringen ist wiederum passend für den Advent. Denn zu Weihnachten gibt es Geschenke, man kümmert sich stärker um die Mitmenschen in der Umgebung. So wie Nikolaus auch gelebt hat.

Am 4. Dezember ist das Fest der Heiligen Barbara, an dem der Brauch der Barbarazweige praktiziert wird.

Die Heilige Barbara ist eine urchristliche Märtyrerin. Sie war vermögend und hat gesagt, sie möchte lieber Christin als Heidin sein. Sie wurde in einen Turm gesperrt, um sie zum Heidentum zu zwingen. Der Volksbrauch sagt, wenn man am 4. Dezember einen Barbarazweig ins Wasser gibt, dann blüht er am 24. Dezember.

Am 8. Dezember feiert die Kirche Maria Empfängnis. Was bedeutet das genau?

Anna, die Mutter von Maria, ist durch ihren Mann, den Heiligen Joachim, schwanger geworden. Maria Empfängnis ist neun Monate vor Maria Geburt. Maria Empfängnis bedeutet, dass Gott sich den Menschen zuwendet, auch in Situationen, in denen sie nichts davon wissen. Maria Empfängnis wird deswegen gefeiert, weil wir glauben, dass Maria schon vor ihrer Geburt auserwählt worden ist, um Großes zu vollbringen, um Mutter Jesu zu werden. Der 8. Dezember schaut nicht auf den 25. Dezember, das Geburtsfest Jesu Christi, sondern auf den Karfreitag und den Ostersonntag. Denn die Liturgie spricht davon, dass Maria auserwählt wurde, um sündenfrei zu sein im Hinblick auf den Tod Jesu Christi. Sie wurde von Gott erwählt, Mutter Jesu Christi zu sein, damit er dann Erlöser werden kann.

Es bedeutet also nicht, wie die meisten glauben, dass Maria Jesus jungfräulich empfangen hat.

Nein, das feiern wir am 25. März, Verkündigung des Herrn. Das ist neun Monate vor Weihnachten.

Jungfräuliche Empfängnis heißt nicht, dass es tatsächlich so war. Es geht um den theologischen Aspekt.

Die jungfräuliche Empfängnis Jesu Christi spricht davon, dass Gott diese Person ausgewählt hat, dass diese Person bereits ganz Gott war und sich dieses Gott sein bereits im Mutterleib manifestiert hat. Die Jungfräulichkeit Mariens drückt noch einmal aus, dass sich die gesamte Schöpfung, die gesamte Welt auf die Ankunft des Erlösers bereits vorbereitet und gefreut hat. Auf das, dass alles wiedergutgemacht wird. Auf Etwas, was wir zu Weihnachten erwarten.

Die Erwartungshaltung der Menschen zu Weihnachten ist besonders groß. Viele sind in dieser Zeit besonders empfindsam. Besonders jene, die alleine sind.

Welche Erwartungen stellen wir an Weihnachten und welche Erwartungen stellen wir auch an uns? Wenn wir sagen, es ist ein Fest der Familie, dann stellt sich die Frage, ob die Familie wirklich im Zentrum steht. Erweitere ich meinen Blick über die Familie hinaus, wie es der Heilige Nikolaus gemacht hat? Sehe ich, dass Personen in meinem Umfeld einsam und alleine sind? Die große Erwartung der Christen ist, dass Christus am 25. Dezember wiederkommt und er alles gut machen wird. Welchen Anteil können wir daran übernehmen? Können wir schauen, dass es Menschen in unserem Umfeld besser geht? Oder möchte ich, dass primär meine eigenen Erwartungen erfüllt werden?

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