Landesjägermeister: „Aggression hat in der Jagd nichts verloren“
Herbert Sieghartsleitner ist seit 2017 Landesjägermeister. Der 60-Jährige ist Landwirt und Jagdleiter in Molln. Dem Landesjagdverband gehören die 20.500 Jäger Oberösterreichs an, etwas mehr als 2000 sind weiblich.
KURIER: War der Doppelmord und der anschließende Suizid von Arnreit ein Betriebsunfall oder muss sich etwas ändern?
Herbert Sieghartsleitner: Das war das Kapitalverbrechen eines abartig veranlagten Menschen, eines Mörders. Es hat mit der Jagd insofern zu tun, als sie der Auslöser war. Es gab aber nie einen Streit zwischen den beiden Opfern und dem Täter, wie das in den Medien dargestellt worden ist. Die beiden Opfer haben ihre Aufgaben sehr korrekt erfüllt, und das nicht zugelassen, was der Täter über längere Zeiträume gemacht hat.
Martin Eisschield, Bezirksjägermeister von Rohrbach und Mitglied des Landesjagdauschusses, sagt, „wir werden uns eine Vorgehensweise überlegen müssen, wie wir künftig mit verhaltensauffälligen Jägern umgehen. So etwas darf nicht mehr passieren“.
Wir werden nicht zur Tagesordnung zurückkehren. Wir reden hier von einem Täter, der sich seit Jahren außerhalb der Gemeinschaft bewegt hat. Bei der letzten Verpachtung haben in Altenfelden zwölf Jäger aufgehört, weil Roland Drexler (der Mörder, Anm. d. Red.) ins Konsortium gekommen ist.
Warum wurde er nicht ausgeschlossen? Da hören zwölf „normale“ Jäger wegen eines Extremisten auf, der Extremist macht weiter, die Sache eskaliert in einem Doppelmord.
Wir werden kriminelle Energie nicht verhindern können. Es geht aber nicht, dass man so problematische Personen in Jagdgesellschaften integrieren muss.
Kann man solche Personen nicht ausschließen?
Ja, aber dafür muss es Begründungen geben. Wir hatten schon Fälle, bei denen jemand ausgeschlossen worden ist, die wir aber zurücknehmen haben müssen. Die Jagd konnte ihn wegen seines Verhaltens nicht ausschließen. Die Frage ist, wie können wir uns künftig bei solchen Fällen beratend einbringen. Dass wir als Landesjagdverband für die Jagdleiter stützend eingreifen.
Was wollen Sie als Landesjagdverband machen?
Mir schwebt eine Art Ombudsstelle vor. Für die verwaltungsstrafrechtlichen Delikte sind die Behörden zuständig. Wenn der Jagdleiter etwas beobachtet, dass zum Beispiel ein Jäger ein Alkoholproblem hat, er seine Frau schlägt, er anderen Kollegen gegenüber aggressiv wird, wären das Fälle für die Ombudsstelle, die wir einrichten wollen. Aggression hat in der Jagd nichts verloren. Bei Drexler hat man diese Verhaltensmuster festgestellt. Manche haben ihn gefürchtet.
Eisschield sagt, Drohungen dürfen nicht mehr als Lappalie abgetan werden. Sind Sie seiner Meinung?
Natürlich. Mir ist mitgeteilt worden, dass man in Jägerkreisen vor Drexler eine gewisse Angst hatte. Das ist nicht tragbar. Fälle wie diese will ich mir in der Ombudsstelle ansehen. Wir nehmen die Dinge ernst, solche Vorkommnisse darf es nicht geben. Wenn jemand in der Jagd glaubt, er kann mit Gewalt, Aggression und Radikalisierung punkten, damit ihm andere aus dem Weg gehen, dann habe dieser Menschen keinen Platz mehr.
Wie soll das ablaufen?
Ich kann die Betroffenen zu einem Gespräch einladen. Wenn sie das verweigern, werde ich das der Behörde melden. Wenn der Betroffene hingegen gesprächsbereit ist, können wir gemeinsam entscheiden, ob ein Psychologe oder ein Mediator eingebunden wird. Oder man muss die Exekutive einbinden, wenn sich der Betroffene radikalisiert. Wir müssen die derzeit gegebene Sensibilität schärfen und die Jagdleiter unterstützen.
Wer in Österreich eine Waffe besitzt, muss eine Verlässlichkeitsprüfung ablegen. Es gibt einen Praxisteil, bei dem Persönlichkeitsmerkmale wie emotionale Stabilität und Selbstkontrolle überprüft werden. Anschließend gibt es ein Vieraugengespräch beim Psychologen, der die Ausstellung der Dokumente verhindern kann. Warum lehnen die Jäger derartige Gespräche mit den Psychologen ab?
Weil wir dann schlechter gestellt werden als alle anderen, die auch eine Waffe besitzen. Jeder darf eine Langwaffe für die Jagd bei einem Büchsenmacher kaufen, darf sie besitzen und in den Wandschrank stellen, man kann sie problemlos erwerben. Nur wenn man eine Waffenbesitzkarte zum Tragen einer Pistole haben will, muss ein Test gemacht werden. Bei uns ist das die Jagdkarte. Wir machen hier sehr viele Überprüfungen. Wenn jemand einen anderen töten will, so kann er das auch auf andere Weise machen, so brutal das jetzt klingt.
Aber Drexler hat den Bürgermeister mit einer Langwaffe ganz gezielt in den Kopf geschossen.
Aber er hätte ihn auch auf andere Weise töten können. Mordwerkzeug haben sehr viele Gesichter. Das häufigste ist das Küchenmesser. Man sollte gegen den illegalen Waffenbesitz vorgehen.
Sind die derzeitigen Regeln ausreichend?
Der rechtliche Rahmen ist ausreichend. Alles, was der Täter gemacht hat, ist verboten. Das, was sich im kameradschaftlichen Bereich abspielt, warum die Leute ihn nicht mochten, kann man anderweitig regeln.
Er hat ja Dinge gemacht, die man nicht macht.
Er hat Fallen in unterschiedlichen Revieren aufgestellt, er hat Reviergrenzen missachtet. Das ist rechtlich geregelt. Es geht auch um unkameradschaftliches Verhalten. Ich bin ein Verfechter einer Disziplinarordnung. Wir haben sie im Jagdgesetz nicht bekommen. Der Gesetzgeber hat gesagt, wir brauchen das in Oberösterreich nicht.
Was sollte diese Disziplinarordnung beinhalten?
Das wäre eine rechtlich abgedeckte Selbstreinigungsmöglichkeit einer Organisation. Wir könnten ohne Behörde sanktionieren, wenn wir Verfehlungen sehen.
Sie könnten den Betroffenen beispielsweise den Jagdschein nehmen?
Das wäre eine Möglichkeit. Es ginge auch um Geldstrafen. In anderen Bundesländern gibt es diese Disziplinarordnung. Es ist meiner Meinung nach nicht schlecht, wenn eine große Organisation die Möglichkeit hat, Vorkommnisse mit rechtlichen Konsequenzen zu ahnden. Ich nehme die Entscheidung der Politik zur Kenntnis.
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