"Kritik der Industrie ist unsinnig"

Landeshauptmann Josef Pühringer, ÖVP
Der Landeshauptmann über steigende Sozialkosten, die Stadt Linz und die Industriellenvereinigung.

Josef Pühringer (67) geht 2017 in sein 23. Jahr als Landeshauptmann. Wie gewohnt arbeitet er so intensiv, als ob es kein Morgen gäbe.

KURIER: Was war im abgelaufenen Jahr für Sie das Wichtigste?Josef Pühringer: Wir konnten bei den Arbeitslosenzahlen eine gewisse Stabilisierung erreichen. Sie sind um drei Prozent niedriger als die im Bund. Nach Friede und Freiheit ist Arbeit die wichtigste Frage.

Es ist mir gelungen, eine Politik zu machen, die das Gemeinsame über das Trennende stellt. Mehr als 98 Prozent der Beschlüsse in der Regierung erfolgten einstimmig, obwohl alle vier Parteien in der Regierung vertreten sind. Es ist ein wichtiges Signal zu zeigen, bei uns geht es anders, es wird zusammengestanden.

Es ist uns drittens in einer gemeinsamen Finanzklausur gelungen, die Zukunftsthemen des Landes zu fixieren, in denen in den nächsten fünf Jahren investiert wird: Arbeitsmarkt, Bildung, Wissenschaft und Forschung, Integration, öffentlicher Verkehr und Digitalisierung.

Die Ausgaben für die Gesundheit steigen um bis zu zehn Prozent, für das Soziale um bis zu sechs Prozent. Wie können das das Land und die Gemeinden auf Dauer finanzieren?

Es ist notwendig, dass wir reformieren und sparsam sind. Wir brauchen Geld, um in die eben genannten Zukunftsaufgabe investieren zu können.Wir haben durch die Spitalsreform ein Niveau erreicht , wo wir unter den anderen Bundesländern liegen. Die heurigen überproportionalen Steigerungen hängen mit den Gehältern der Ärzte (Ärztepaket) und der Pfleger (Pflegepaket) zusammen. Das neue Arbeitszeitgesetz der Ärzte erfordert eine Vielzahl neuer Dienstposten. Aber wenn wir den Durchschnittswert seit 2011 heranziehen, liegen wir bei einer Steigerung von 2,5 Prozent. Das ist sensationell niedrig.

Im Sozialbereich ist hingegen ein überproportionaler Anstieg sichtbar. Hier sind die Kosten explodiert, weshalb wir eine Reform vorhaben. Nicht um zu kürzen, sondern um mehr Menschen helfen zu können.

Die SPÖ kritisiert, dass das Land die Gemeinden mit den Ausgaben für den Abgang der Spitäler und die Sozialausgaben über Gebühr belastet.

Die Spitalsreform bedeutet für die Gemeinden in den Jahren 2011 bis 2020 eine Kostendämpfung von knapp einer Milliarde Euro. Weiters halte ich mir zugute, dass ich bei den Finanzausgleichsverhandlungen nicht unwesentlich beteiligt war, dass Länder und Gemeinden in den nächsten fünf Jahren spürbar mehr Mittel bekommen. Das sind für die Gemeinden rund 100 Millionen Euro.

Wie kann man die steigenden Ausgaben für die Flüchtlinge argumentieren, wenn zugleich zu wenig Geld für die Behinderten da ist?

Man darf in der Sozialpolitik nicht eine benachteiligte Gruppe gegen die andere ausspielen. Man muss beides auseinanderhalten und beides anständig lösen. Das haben wir getan. Aber es sind im Gesamtbereich Reformen geboten. Wir haben in Oberösterreich die höchste Zahl der erreichten Klienten im Bereich der Chancengleichheit, aber auch die höchsten Betreuungskosten. Hier müssen wir schauen, ob es nicht gelingt, mit demselben Geld mehr Behinderte zu erreichen und die Wartelisten abzubauen.

Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger will den 10,3-Prozent-Anteil der Linz AG an der Energie AG verkaufen.Wie ist nun das Verhältnis zwischen der Stadt und dem Land?

Ich bin grundsätzlich an einem guten Verhältnis sehr interessiert. Streitereien interessieren die Bürger überhaupt nicht. Wir können die großen Probleme im Zentralraum nur gemeinsam bewältigen. Ich nehme für mich in Anspruch, dass ich in der Ära Dobusch den Beweis geliefert habe, dass vernünftige und große Lösungen möglich sind. Dasselbe gilt für Bürgermeister Dobusch. Ich würde mir wünschen, dass wir solche Lösungen auch in Zukunft zustande bringen.

Was die Zusammenarbeit am Energiesektor betrifft, geht es mir überhaupt nicht darum, dass das Land als mächtiger Partner beherrschend in Linz eingreift. Es geht mir nicht um mehr Vorstandsdirektoren. Wir sollten uns einen realistischen Blick bewahren. Die Energie AG und die Linz Strom sind beide Zwerge am europäischen Strommarkt. Wenn wir fusionieren, sind wir immer noch klein.Ich plädiere dafür, Fusionsschritte zu einem Zeitpunkt zu setzen, an dem man sie noch gestalten kann bevor sie vom Markt aufgezwungen werden. Ich strecke beide Hände Richtung Linz aus. Wir müssen in einigen Bereichen weit enger zusammenarbeiten, als wir es derzeit tun.

Den Energiebereich sehe ich am dringlichsten. Wenn Linz die Energie-AG-Anteile verkauft, werden wir sie natürlich kaufen. Ob wir sie behalten, ist eine andere Frage. Man braucht nicht mehr als 51 Prozent, um gewisse Ziele zu erreichen. Aber sinnvoll ist das Ganze nicht. Deshalb habe ich ein Gegenangebot gemacht. Wenn Linz Geld braucht, könnten wir Anteile an der Linz Strom kaufen. Wir verlangen keinen Vorstandsdirektor. Es geht mir um die Zusammenführung statt um das Auseinandergehen.

Haben Sie mit Luger darüber bereits geredet?

Wir haben bei den Verhandlungen über die Eisenbahnbrücke darüber geredet. Da ist diese Tür nicht aufgemacht worden. Ich halte das Thema so wichtig, dass man sich unter Achtlassung aller partei- und machtpolitischen Überlegungen an einen Tisch setzen muss.

Sie schlagen auch eine Kulturholding zwischen Stadt und Land vor. Stardirigent Franz Welser Möst macht sich Sorgen um die Entwicklung des Brucknerhauses.

Den Bürger ist egal, ob es sich bei den Kultureinrichtungen um ein Haus der Stadt oder des Landes handelt. Es interessiert sie ausschließlich die Qualität des Gebotenen. Wenn wir zum Beispiel Teile der LIVA und die Theater- und Orchesterholding zusammenlegen würden, könnten wir bei den Overhead-Kosten viel einsparen, was wir in die Qualität des Programms investieren könnten.

Es hat mit Dobusch immer Lösungen gegeben. Ist das nun schwieriger geworden?

Man kann eine 20-jährige Partnerschaft nicht mit einer zweijährigen vergleichen. Auch Dobusch hat oft Standpunkte vertreten, die vom Standort Linz geprägt waren. Am Ende des Tages haben wir eine Lösung gefunden. Ich hoffe, dass das zwischen Stadt und Land wieder gelingen wird.

Die Industriellenvereinigung kritisiert den 42-Millionen-Abgang im Landesbudget 2017. Sie hätte sich von Schwarz-Blau mehr Veränderungssignale erhofft.

Diese Kritik ist unrichtig und in aller Schärfe ausgedrückt auch unsinnig. Ich habe den Verdacht, dass man sich das Budget nicht genau angeschaut hat. Niederösterreich hat einen Abgang von 240 Millionen, die Steiermark einen von 300 Millionen, Wien von 569 Millionen. Von den 42 Millionen in Oberösterreich sind nur 7,5 Millionen schuldenbegründend. Deshalb kann man nicht von Schuldenmachen reden. Unser Budget ist ein Vorzeigebudget. Das, was von der Industrie immer gefordert wurde, wird umgesetzt. Wir setzten Schwerpunkte in Wissenschaft und Forschung, in der Ausbildung, im öffentlichen Verkehr, in der Digitalisierung, in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das muss ein Blinder im Budget sehen. Ich verstehe die Kritik nicht.

Wie ist das Verhältnis zwischen Ihnen und der Industriellenvereinigung (IV)?

Zwischen mir und den Industriellen gibt es eigentlich ein sehr gutes Gesprächsklima. Mit der Institution IV war das Klima auch immer gut. Ich kann diese Kritik, die in erster Linie vom Geschäftsführer ausgeht, nicht nachvollziehen. Ich will dazu nicht mehr sagen.

Die Industrie hält Ihnen vor, lediglich auf die drei M zu setzen: auf die Musikschulen, auf das Musiktheater und auf die Medizinfakultät.

Darauf bin ich stolz. Denn der Stoff, aus dem die Zukunft kommt, ist die Kreativität. Sie wird durch nichts mehr angeregt als durch musische Bildung. Das hat zuletzt der deutsche Gehirnforscher Manfred Spitzer dargelegt. Ein Standort braucht neben der Infrastruktur wie Straßen oder Schienen auch weiche Standortfaktoren. Das Musiktheater ist unsere Visitenkarte schlechthin. Investitionen in Wissenschaft und Forschung sind der Zukunftsstoff. Mit der Medizinfakultät haben wir vier Fliegen auf einen Schlag getroffen. Wir bekommen Medizinernachwuchs zur Versorgung der Menschen, wir haben ein tolles Angebot für die jungen Leute zum Studieren, wir machen einen Riesenschritt Richtung Volluniversität und wir haben eine große Medizin-affine Industrie. Der Wert der Medizinfakultät im Bereich der Forschung wird noch von vielen unterschätzt. Die drei M sind für mich kein Vorwurf, sondern geradezu ein Lob.

Sie sind am 2. März seit 22 Jahre Landeshauptmann. Auguren prognostizieren 2017 Ihren Abgang.

Die Arbeit macht mir Freude, aber ich kenne mein Geburtsdatum . Es werden alle rechtzeitig erfahren, wann die Stunde schlägt.

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