"Körper fährt um 17 Grad runter"

Michael Kirchweger und sein Freund Sepperl
Michael Kirchweger hilft im Mollner Bodinggraben den Hirschen beim Überleben des Winters.

Der Schnee knirscht unter unseren Schritten. Der Berufsjäger Michael Kirchweger – er arbeitet für die Bundesforste –, der Kirchdorfer Fotograf Jack Haijes und meine Wenigkeit sind unterwegs vom Forsthaus Bodinggraben Richtung Talschluß. Als sich nach rund einem Kilometer der Talkessel öffnet und wir die drei großen Futterkrippen sehen, fragen wir Kirchweger, ob wir mit der Unterhaltung aufhören sollen, um die zahlreichen, im Unterholz stehenden Hirsche nicht zu vertreiben. "Nein, die haben uns schon längst bemerkt", entgegnet der 58-Jährige, "sie haben einen um 1000 mal stärkeren Geruchssinn als wir Menschen."

Täglich um 15 Uhr füttert er rund 50 bis 60 Hirsche mit drei Scheibtruhen voll Rüben und 13 bis 15 Ballen Heu, die in einem Blockhaus gelagert sind. Als er das Tor aufsperrt, spaziert in aller Ruhe Sepperl ums Eck. Der Hirsch ist 17 Jahre alt und seit vielen Jahre unglaublich zutraulich. Den Sommer verbringt er rund um das Forsthaus, wo Kirchweger mit seiner Frau Erni wohnt. Es wurde 1879 von den Steyrer Grafen Lamberg erbaut.

Die Hirsche haben sich an Kirchweger gewöhnt. Wenn er mit der ersten Scheibruhe anrollt, kommen sie langsam aus dem Unterholz und nähern sich den Krippen. Die Rüben haben die stärkste Anziehungskraft, pro Hirsch sind eineinhalb Stück vorgesehen. Wenn sie langsam weniger werden, wird darum gekämpft. Die weiblichen Tiere stellen sich auf ihre Hinterbeine und schlagen sich gegenseitig mit den scharfen Vorderhufen. Ihre aufrechte Kampfhaltung erinnert an Känguruhs. Der Streit dauert nur wenige Sekunden, dann zieht die Verliererin von dannen.

Nach den Rüben ist das Heu an der Reihe. Hirsche sind Grasfresser. Sie halten sich die ganze Nacht rund um die Futterkrippen auf und fressen, dann und wann legen sie sich hin und wiederkäuen in aller Ruhe.

Ruhe liegt über allem. Über dem Tal, wo kein Fahrzeug fährt und kein Lärm zuhören ist. Die Ruhe der Hirsche überträgt sich auf den Menschen. "Viele Besucher sagen, man wird auch selbt ruhig", erzählt Kirchweger. "Die Tiere sind im Winter langsamer. Sie sparen dadurch Energie." Speziell im Jänner und Februar fährt ihr gesamter Körperhaushalt zurück, die Normaltemperatur des äußeren Kreislaufs von 37 Grad wird um bis 17 Grad reduziert. "Wenn sie in dieser Zeit gestört werden, hat das sehr schlimme Folgen. Das ist vergleichbar mit einem kalten Dieselmotor, der mit Vollgas weggefahren wird. Wenn sie gestört werden, verlieren sie so viel Energie, die sie später, im Frühjahr, nicht mehr aufholen können. "Ich habe einmal einem Hirschen bei einem Meter Schnee zugesehen. Er hat für die Distanz von 100 Meter 20 Minuten benötigt. Er ist immer wieder ein- und zusammengebrochen. Die Kraft, die die Tiere da verlieren, können sie später nicht mehr aufbauen."

Wichtig ist, dass die Futterkrippen im Freien stehen und für die Tiere weitum einsehbar sind. "Denn sie wollen im Fall von Gefahr flüchten können. Sie sind Rudeltiere und wenn sie flüchten, flüchten sie am liebsten in den Hochwald. Das Reh ist hingegen ein Schlüpfer, flüchtet in den Stauden und bleibt dort stehen."

Kirchweger ist mit seiner Arbeit sehr zufrieden, obwohl er tagtäglich raus muss. "Es ist ein erhebendes Gefühl, wenn das Wild so um sich ist. Man fühlt sich mit ihnen verbunden."

Der Nationalpark Kalkalpen und die Bundesforste bietet Ausflüge zur Hirschfütterung an. Anmeldung entweder über das Internet oder das Nationalparkzentrum in Molln.

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