„Kirche braucht neuen Wein in neuen Schläuchen“

Ein Mann mit Bart sitzt an einem Tisch mit Mikrofonen und einer Tasse Kaffee.
Der Prager Theologe Tomáš Halík plädiert für „tiefe Änderungen“ in der römisch-katholischen Kirche.

„Das wäre eine hervorragende Rede für mein Begräbnis.“ Mit diesen Worten reagierte Tomáś Halík auf die Präsentation durch Josef Pühringer, den Vorsitzender von Pro Oriente Oberösterreich. Der Landeshauptmann a. D. beschreibt den Prager Theologen, Religionsphilosophin, Psychotherapeuten, Soziologen und Priester bei dessen Besuch in Linz als „theologische Weltkapazität“ und als „Munter- und Mutmacher der Kirche“.

Der 74-Jährige gilt als einer der bekanntesten Intellektuellen Tschechiens. Zuletzt ist sein Buch „Der Nachmittag des Christentums“ erschienen, das bereits in 20 Sprachen übersetzt worden ist.

Sexueller Missbrauch wie Ablasshandel zur Zeit Luthers

Die Analyse Halíks ist überraschend und schonungslos. „Wir stehen am Anfang des Nachmittags des Christentums. Die Welle von Skandalen von sexuellem Missbrauch durch Priester ist vergleichbar mit dem Verkauf von Ablässen zu Beginn der Neuzeit.“

Leute wie Martin Luther hätten begriffen, dass sich etwas ändern müsse. „Nun braucht es auch eine tiefe Änderung.“ Es brauche „neue Schläuche“, sprich institutionelle Reformen, es brauche aber auch „neuen Wein“ in den Schläuchen, als eine geistlich-spirituelle Erneuerung. Es müsse „neue geistliche Energie kommen“.

Globalisierung in der Krise

Die Globalisierung sieht er ebenfalls „in einer großen Krise. Wir erleben ihre Schattenseiten.“ Chauvinismus, Populismus und Nationalismus seien ein „schlimmer Weg“ zur Lösung. Denn Fragen des Klimaschutzes müssten von allen gemeinsam gelöst werden. Er spricht von der „Idee des gemeinsamen Weges“. Die Kirche sollte der Globalisierung mit „eine Kultur der Nähe“ gegenübertreten.

Bei der Lösung der gesellschaftlichen Fragen plädiert Halík für einen „neuen Ökumenismus“, also der Zusammenarbeit aller christlichen Kirchen. „Die Kirche ist ein effizientes Zeichen der Einheit in Christus“, Vorurteile sollten abgeschafft werden.

Dezentralisierung

Wie soll der Priestermangel gelöst werden? Ausländische Priester seien keine Lösung, so Halík, polnische Priester hätten sich in tschechischen Pfarren nicht bewährt. Evangelisierung bedeute Inkulturation. Einige Gesellschaften wie die westeuropäischen seien bereit für die Frauenpriesterweihe, andere wie die afrikanischen nicht. Der synodale Prozess, den Papst Franziskus eingeleitet habe, müsse Dezentralisierung bedeuten, Lokalkirchen müssten Selbstständigkeit haben.

„Die Kirche als Ort der geistlichen Gespräche, der intelligenten Predigt und der Begleitung bei der Suche nach Sinn“ empfiehlt Halík er als Antwort auf die Kirchenaustritte. Man müsse die Bedürfnisse der Menschen sehen.

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